ERINNERUNG, SPRICH.
WIEDERSEHEN MIT EINER AUTOBIOGRAFIE
Vladimir Nabokov
Klappentext:
Vladimir Nabokov, einer der grossen Erzähler unseres Jahrhunderts, erinnert sich an das verlorene Paradies der Kindheit, das Leben im vorrevolutionären Russland, an Ferienreisen in die mondänen Badeorte Westeuropas.
"Ein Buch über Tradition und Revolution, über Liebe und Entsagung, über Literatur und Leben, über Heimat und Exil. Das sind grosse, oft behandelte, allgemein bekannte Themenbereiche; doch bei Nabokov liest sich alles wie zum erstenmal." (Basler Zeitung)
Eigene Meinung:
Schon bei so vielen Autobiografien meinte ich, die jeweiligen Stimmungen des Autors/der Autorin herauszuspüren, in denen er/sie sich während dem Niederschreiben befand, und gerade das ist für mich dann eines der Kriterien, die zu einer lebhaften Atmosphäre einer Autobiografie beitragen.
In ganz starkem Masse fand ich diese Lebendigkeit auch im Erinnerungsbuch von Nabokov. Seine Stimmungen schwanken zwischen sprühendem Witz und tiefer Melancholie.... und bei der Aufzählung seiner gesammten Ahnen- und Urahnentafel, die über ein Jahrhundert und mehr zurückreichte, erschien er mir sogar selber etwas gelangweilt.
Die alltäglichsten Begebenheiten erzählt er so fazettenreich, gespickt mit seinem speziellen Sinn für Humor, und mit Unterstützung seiner verblüffenden Beobachtungsgabe, sodass man sich manchmal als Zuschauer in einem lustigen Theaterstück wähnt, man sieht die Menschen auf der Bühne des Lebens agieren. Aber er gibt seine Mitmenschen nicht der Lächerlichkeit preis, er karikiert sie mit einem verständnis- und liebevollen Augenzwinkern.
Ueber all seinen Erzählungen liegt immer ein Hauch der Wehmut, der Trauer über sein verlorenes Heimatland. Ich zitiere:
"Irgendwie sind die beiden Schlitten davongeglitten und haben auf der blauweissen Strasse einen passlosen Spion in neuenglischen Schneestiefeln und Wettermantel zurückgelassen. Das Klingen in meinen Ohren sind nicht mehr ihre sich entfernenden Glocken, es ist mehr mein altes summendes Blut. Alles ist still, gebannt, vom Mond verzaubert, dem Rückspiegel der Einbildungskraft. Der Schnee jedoch ist richtiger Schnee, und wenn ich mich bücke und eine Handvoll zusammenraffe, zerbröseln sechzig Jahre zwischen meinen Fingern zu glitzerndem Froststaub.“
Ganz stark ist seine poetische Ausdruckskraft.... Poesie vom Allerfeinsten, so eindrücklich, dass mir beim Lesen manchmal beinahe der Atem stehen blieb. Dazu nocheinmal eine kleine Kostprobe; Erinnerungen an seine Mutter. Ich zitiere:
„Ich sah auch den vertrauten Schmollmund den sie zog, um das Netz ihres zu eng über das Gesicht gestreiften Schleiers zu lockern, und da ich dies schreibe, kommt – nein, fliegt die netzartig gemusterte Zärtlichkeit, die meine Lippen spürten, wenn ich ihre verschleierte Wange küsste, mit einem Freudenschrei aus der schneeblauen, blaufenstrigen (die Vorhänge sind noch nicht zugezogen) Vergangenheit zu mir zurück."
Es ist kein Buch das sich flüssig liest…ich musste mich oft recht konzentrieren, denn Nabokov schreibt bisweilen lange Sätze, die sich über die ganze Seite hinziehen und dabei fahren seine Gedanken Karussell. Hin und wieder musste ich einen Satz noch einmal von vorne beginnen, weil ich am Ende nicht mehr wusste, worüber der Autor mir anfänglich eigentlich erzählen wollte.
Was ich zu bemängeln habe an dem Buch, das sind die vielen, meiner Meinung nach unnötigen, ziemlich „an den Haaren herbei gezogenen“ Fremdwörter, (eines davon schlägt dem Fass den Boden aus: defäktieren. :grin).... was möglicherweise mit der Uebersetzung aus dem Englischen im Zusammenhang stehen könnte.
Ich habe in einer Buchbesprechung gelesen, dass man mit der Ausgabe in der Originalsprache, also Englisch, besser bedient sei.
Zusammengefasst: wir erfahren auf eindrücklichste Weise viel aus dem Leben und Schaffen des Autors, über seine grosse Leidenschaft: die Schmetterlingsforschung, wovon er mit so grosser Begeisterung zu erzählen weiss, dass er sogar mich mitreissen konnte, mich, die sich sonst nicht sonderlich für Lepidopterologie ( :grin) und Entomologie ( :grin) interessiert.
Wir lesen über die russische Revolution und ihre Auswirkungen….. von den Wegen der Emigration, welche die russische Aristokratie gehen musste.
Ein sehr reichhaltiges Buch mit hohem erzählerischem und sprachlichem Wert.
Edit: Fehler herausgenommen unc zwei Verbesserungen eingebracht.... hoffentlich!!!