Man könnte das Problem auch noch weiter fassen und fragen, ob nicht tatsächlich jeder Versuch einer historischen Darstellung eine "Vergangenheitsbastelei" ist.
Es ist ja so, dass drei Leute, die das selbe erlebt haben, völlig verschiedene Berichte von dem Ereignis geben können, einfach weil sie komplett andere Erlebnishorizonte, Erzählinteressen, Verstehenshintergründe etc. haben. Das gilt auch für gerade erst Geschehenes, und um so mehr, je länger ein Ereignis zurück liegt. Es ist die banal klingende Erkenntnis, dass es keine Objektive Darstellung gibt und geben kann. Ganz spannend wäre es, in einem Experiment drei grundverschiedenen Leuten eine Videokamera in die Hand zu drücken und unkommentiert zu filmen - ich wette, auch da kämen u.U. ganz verschiedene Ergebnisse raus, weil jeder eine andere Perspektive wählt oder etwas anderes in den Vordergrund rückt oder etwas nicht mit ins Bild nimmt oder eben etwas zusätzlich ins Bild bringt ....
Wer über historische Ereignisse publiziert, berichtet auch interessegeleitet, wählt aus, welche Quellen betrachtet werden, welche nicht, was berichtet wird und was nicht. Das alles wertet schon bevor überhaupt explizit eine Bewertung der Quellen erfolgt. Es geht gar nicht anders und ist absolut nicht verwerflich. Man muss sich darüber nur gelegentlich im Klaren werden, wenn man solche Darstellungen (schreibt und) liest.
Wenn das nun schon bei sachbüchern und wissenschaftlichen Publikationen ist, warum sollte es im belletristischen oder journalistischen oder gar im boulevarmäßigen Schreiben anders sein?