Verlag: Rowohlt, März 2008, gebundene Ausgabe, 416 Seiten
Von Boris Aljinovic gelesen erscheint beim argon Verlag auch eine Hörbuchfassung (ISBN 978-3-86610-491-4)
Originaltitel: The sorrows of an american
Übersetzung: Gertraude Krueger und Uli Aumüler
Kurzbeschreibung:
"Meine Schwester nannte es "Das Jahr der Geheimnisse"", lautet der erste Satz dieses Romans. Und in der Tat, Geheimnisse haben hier die Toten wie die Lebenden. Etwa der Erzähler Erik Davidsen, ein geschiedener Psychiater, der einsam in einer Stadtvilla in Brooklyn lebt und seine Neurosen Pflegt. oder eine Schwester Inga, der eine seltsame Frau durch die Straßen Manhattans folgt. Und seine Nichte Sonia, die am 11. September Dinge gesehen hat, von denen besser niemand erfährt.
Schließlich zieht Miranda, eine schöne Westinderin, in das Gartenapartment von Eriks haus. Aber warum bleibt sie so stolz und unnahbar, während ihre quirilge Tochter Erik mit dem unwiderstehlichen Charme einer Fünfjährigen umwirbt? Und was hat es mit den schmutzig bekritzelten Fotos von Miranda und dem Kind auf sich, die Erik vor der Haustür findet und vor Scham in einer Schublade versteckt?
Je mehr Erik sich auf die Geheimnisse anderer einlässt, desto stärker sieht er sich mit seinen eigenen Defiziten konfrontiert. „Die Leiden eines Amerikaners“ ist ein klassischer Familienroman, ein Buch voller Rätsel, eine Reise in die dunklen Regionen der Seele eines amerikanischen Jedermann.
Zur Autorin:
Siri Hustvedt wurde 1955 in Northfield, Minnesota, geboren. Sie studierte Literatur an der New Yorker Columbia University und promovierte mit einer Arbeit über Charles Dickens. Sie lebt in Brooklyn und ist mit dem Schriftsteller Paul Auster verheiratet, mit dem sie eine Tochter hat. Zuletzt erschien »Was ich liebte«, ein internationaler Bestseller.
Zu den Übersetzern:
Gertraude Krueger übersetzte die Seiten 1 bis 223. Sie hat viel von Julian Barnes, aber auch schon William Boyd übersetzt.
Uli Aumüller übersetzte viel von Milan Kundera, Camus, Nancy Huston, aber auch Siri Hustvedts Was ich liebte und andere Bücher von ihr.
Die Übersetzung sämtlicher Gedichte und Lieder stammt von Helmut Frielinghaus.
Meine Meinung:
Es handelt sich um einen komplexen, vielschichtigen Familienroman mit einer ruhigen, langsamem Erzählstimme und mehrere Zeitebenen.
Erzählt wird die Geschichte im melancholischen Ton von Erik Davidson, der ein geschiedener Psychiater ist. Der Leser ist dicht dran an diesem sensiblen Charakter. Wichtig sind ihm seine Beziehung zu seiner verwitweten Schwester Inga und seiner Nichte Sonia, aber auch die Nachbarin Miranda und deren 5jährige Tochter Eglatine. Dann gibt es noch den labilen Ex von Miranda, der wie ein Stalker die Familie beobachtet.
Nach dem Tod seines Vaters liest Erik dessen Briefe aus den 30ziger und 40ziger Jahren und erfährt so mehr von seiner Familiengeschichte. Seine Urgroßeltern wanderten 1864 von Norwegen in die USA ein.
Beim Lesen dieser Briefe macht auch der Leser eine Zeitreise in die Vergangenheit mit.
Einige Schlüsselsätze bleiben hängen:
- Alle biographischen Aufzeichnungen sind lückenhaft.
- Lars Davidson war ein rigoros ehrlicher und tieffühlender Mensch.
- Vieles blieb im Verborgenen.
Der amerikanische Alltag hingegen ist geprägt von den Stimmungen nach dem 11. September 2001 und dem Irakkrieg. Diesen Zeitgeist zeigt Siri Hustvedt glaubhaft und mit großer Intensität.
Alle Personen des Romans haben zudem ihre eigenen Sorgen, manche tragen ihren privaten 11.September lange mit sich rum. So zum Beispiel Sonia, die eine beklemmende Beobachtung an diesem schlimmen Tag machte.
Viele Personen, mit denen Erik in Kontakt steht, haben mit Kunst oder Literatur zu tun. So war Ingas verstorbener Mann ein bedeutender Schriftsteller, auch Inga und Sonia schreiben, Miranda und Eglatine zeichnen.
Eriks analytischer, psychologisierender Blick kommt hinzu und lässt ein intellektuelles Bild entstehen,
Ein weiterer Handlungsstrang erzählt von alten Briefen und einer Affäre des verstorbenen Schriftstellers.
Siri Hustvedt schreibt in einem nüchternen Ton, aber die Geschichte ist sehr intelligent konstruiert. Fantasielosen Rezensenten drängt sich der vereinfachende Vergleich zu ihrem Mann, dem Schriftsteller Paul Auster auf. Das war schon bei ihrem großen Erfolg „Was ich liebte“ so, in der die Beschreibungen der Familiensituation in Brooklyn sehr autobiographisch wirkte. Auch in diesem Roman vermeint der Leser autobiographische Bezüge zu erahnen.
Diesen Aspekt klärt die Autorin im Nachwort auf.
Die Leiden eines Amerikaners ist ein tiefgehender, ehrlicher Familienroman ohne Klischees und ohne aufgesetzte Effekte, den ich sehr gemocht habe.
ASIN/ISBN: 3499241935 |