Über den Autor
Katharina Hagena, geboren 1967, studierte Anglistik und Germanistik in Marburg, London und Freiburg, forschte an der James-Joyce-Stiftung in Zürich und lehrte am Trinity College in Dublin sowie an der Universität Hamburg. 2006 erschien ihr Buch »Was die wilden Wellen sagen. Der Seeweg durch den Ulysses« (marebuchverlag). Sie lebt als freie Autorin in Hamburg.
Kurzbeschreibung
Ein Buch über die Liebe, den Tod und das Vergessen! Schillernd und magisch sind die Erinnerungen an die Sommerferien bei der Großmutter, geheimnisvoll die Geschichten der Tanten. Katharina Hagena erzählt von den Frauen einer Familie, mischt die Schicksale dreier Generationen. Ein Roman über das Erinnern und das Vergessen - bewegend, herrlich komisch und klug. Als Bertha stirbt, erbt Iris das Haus. Nach vielen Jahren steht Iris wieder im alten Haus der Großmutter, wo sie als Kind in den Sommerferien mit ihrer Kusine Verkleiden spielte. Sie streift durch die Zimmer und den Garten, eine aus der Zeit gefallene Welt, in der rote Johannisbeeren über Nacht weiß und als konservierte Tränen eingekocht werden, in der ein Baum gleich zwei Mal blüht, Dörfer verschwinden und Frauen aus ihren Fingern Funken schütteln. Doch der Garten ist inzwischen verwildert. Nachdem Bertha vom Apfelbaum gefallen war, wurde sie erst zerstreut, dann vergesslich, und schließlich erkannte sie nichts mehr wieder, nicht einmal ihre drei Töchter. Iris bleibt eine Woche allein im Haus. Sie weiß nicht, ob sie es überhaupt behalten will. Sie schwimmt in einem schwarzen See, bekommt Besuch, küsst den Bruder einer früheren Freundin und streicht eine Wand an. Während sie von Zimmer zu Zimmer läuft, tastet sie sich durch ihre eigenen Erinnerungen und ihr eigenes Vergessen: Was tat ihr Großvater wirklich, bevor er in den Krieg ging? Welche Männer liebten Berthas Töchter? Wer aß seinen Apfel mitsamt den Kernen? Schließlich gelangt Iris zu jener Nacht, in der ihre Kusine Rosmarie den schrecklichen Unfall hatte: Was machte Rosmarie auf dem Dach des Wintergartens? Und was wollte sie Iris noch sagen? Iris ahnt, dass es verschiedene Spielarten des Vergessens gibt. Und das Erinnern ist nur eine davon.
Meine Meinung
Iris Berger kehrt nach etlichen Jahren zur Beerdigung ihrer Großmutter Bertha Lünschen nach Bootshaven zurück – dem Ort, an dem sie aufwuchs und dem ihre Familie entstammt, auch wenn ihre Mutter und ihre beiden Tanten Inga und Harriet teils nicht mehr dort leben.
Sie bleibt einige Tage, um den Nachlaß zu regeln und bei der Testamentseröffnung stellt sich überraschend heraus, dass Bertha ihrer einzigen Enkelin und letzten Nachfahrin das Haus vererbt hat. Iris ist sich unsicher, ob sie das alte Haus mitsamt der darin „lebenden“ Geschichten überhaupt annehmen will – denn alte „Hypotheken“ lasten darauf. Was den Bewohnern dieses Hauses über die Jahrzehnte widerfahren ist, wird uns im Laufe des Buches teils aus Sicht der Ich-Erzählerin und teils in Rückblenden bzw. Erzählungen der anderen Protagonisten erzählt.
Bertha Lünschen, Iris’ Großmutter, hat in ihrem Leben viel erlebt. Ihre Schwester Anna starb bereits in jungen Jahren. Sie führt eine Ehe mit dem schwierigen, oft auch als hart und kalt bezeichneten Hinnerk, der sie zwar liebt – aber dennoch ein ganz anderer Mensch ist und ein ganz anderes Temperament hat als sie. In späteren Jahren wird Bertha nach und nach dement – und auch das wird sehr sensibel erzählt. Wir erleben mit, wie ihre Töchter, die Schwestern Inga, Christa und Harriet heranwuchsen und was aus ihnen wurde. Auch die Geschichte von Berthas Enkelinnen Iris und Rosmarie und ihrer besten Freundin Mira wird erzählt.
Das Buch ist eine hinreißende Familiengeschichte, bei der wir in vielen kleinen Puzzleteilen alles über die Familie Deelwater und ihre Nachkommen erfahren. Das Buch wirft besonders zu Beginn viele Fragen auf wie z.B. warum starb Berthas Schwester Anna so früh? Wer ist Ingas Vater? Was ist vor Rosmaries Tod vorgefallen? … und noch viele andere mehr. Doch all diese Fragen, die man sich stellt, werden im Laufe der Lektüre auf die eine oder andere Weise beantwortet, so dass am Ende des Buches alle losen Fäden miteinander verknüpft sind und man das Buch zufrieden zuschlagen kann.
Dabei sind unendlich viele nette kleine Anekdoten eingestreut, die ich hier nicht weiter verraten möchte, die ich aber ungemein liebenswert und verliebenswert fand.
Man darf keinesfalls alles in diesem Buch für bare Münze nehmen, denn manchmal verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Surrealität, aber die Autorin beherrscht hier meisterhaft die Gratwanderung zwischen „ein bisschen schräg“ und „krude“ und übertreibt diese Momente nicht. Nur hier ein kleiner Hinweis für die, die das Buch auch haben: z.B. auf Seite 172/173 das Vokabelheft der „seltsamen Worte“. Was für eine wunderbare Idee!
Ein hinreißendes Buch, eine tolle Familiengeschichte und ein richtig netter kleiner Schmöker.
Ein wunderbares kleines Buch mit einem wunderschönen Cover; sehr, sehr schön erzählt. Daher von mir aus ganzem Herzen die Empfehlung: Kaufen! Lesen! Lieben!
Einziger winzig kleiner Makel: Ich hätte hier einen kleinen Stammbaum brauchen können, ich habe mich am Anfang immer in den Generationen verheddert - habe mir dann aber fix was selbst gezeichnet und ab dem Moment lief es wie geschmiert.