Charles Scott Richardson - Das Ende des Alphabets

  • OT: The End of the Alphabet


    Über den Autor
    Charles Scott Richardson wurde 1955 in Saskatchewan in der kanadischen Prärie geboren und wuchs in Toronto auf. Heute ist er Designer in einem Literaturverlag und wurde für seine Arbeit mit dem Alcuin Award ausgezeichnet, dem renommiertesten Preis in der Buchgestaltung. Mit seiner Frau, der er die erste Fassung des Manuskripts zum Geburtstag schenkte, lebt er in der Nähe von Toronto und schreibt an seinem zweiten Roman.


    Klappentext
    Wenn das Leben in dreißig Tagen endet, was würde man tun? Amprose Zephyr, seit seiner Kindheit fasziniert von den Buchstaben des Alphabets, beschließt, sich auf eine letzte große Reise zu machen. Zusammen mit seiner Frau will er die Orte ihrer Liebe besuchen. Doch die Sehnsucht und der Schmerz gehorchen keinem Alphabet. Und schon bei F wie Florenz beginnen die beiden zu ahnen, dass es so nicht würde weitergehen können.


    Meine Meinung
    Dies ist eine unwahrscheinliche Geschichte.


    So beginnt das Buch und so denkt auch der Leser bereits auf den ersten Seiten. Was soll das werden? Was ist das für eine Idee? Die Protagonisten haben schon sehr seltsame Namen: Ambrose Zephyr und Zeppora (genannt Zipper) Ashkenazi. Um seinen 50. Geburtstag herum wird bei Ambrose eine rätselhafte und nie näher benannte Krankheit festgestellt, an der er binnen Monatsfrist sterben wird. Das ist die Ausgangssituation und das ist irgendwo so schräg, das Ganze hätte auch ganz fürchterbar in die Hose gehen können.


    Tut es aber nicht, wenn man sich einfach auf dieses Buch und diese seltsame Story einlässt.


    Die zentrale Frage ist, wie geht man mit sich, dem Leben und dem Partner um, wenn einem nur noch diese Frist zur Verfügung steht. Ambrose, der vom Alphabet besessen ist, beschließt die Orte dieser Welt, mit denen ihn etwas verbindet, alphabetisch aufzusuchen. Doch schon in Florenz merken die beiden, dass ihnen nicht mehr so viel Zeit zur Verfügung steht.


    Eine leise Geschichte wird hier erzählt, in einer unaufdringlichen, manchmal fast schon poetischen Sprache. Doch das Buch ist keinesfalls romantisch verklärt und weinerlich. Im Gegenteil: es enthält viele schöne Rückblicke, wunderbare Momentaufnahmen, heitere wie ärgerliche Szenen.


    Die Aufmachung des schmalen kleinen Büchleins finde ich sehr gelungen – vom farbenfrohen Umschlag (der sofort mein Augenmerk auf dieses Büchlein lenkte) über die farbingen Kapitelüberschriften bis hin zum Schriftbild, das sich ebenfalls von anderen Büchern abhebt.


    Ein rundum gelungenes kleines Buch, das zum Selberlesen mindestens ebenso gut geeignet ist wie zum Verschenken an einen lieben Menschen. Mir hat es – und das hätte ich nach den ersten Zeilen eigentlich nicht gedacht – sehr gut gefallen. Es hatte mich schon nach wenigen Seiten gefangen genommen und mir gezeigt, dass es sich immer wieder lohnt, seinem eigenen Beuteschema einmal untreu zu werden und über den Tellerrand zu lugen, was sonst noch am Tisch serviert wird.


    Im Klappentext heißt es des weiteren:“Eine wundervolle Fabel über das Erzählen und die Sterblichkeit: elegant, weise und zutiefst menschlich (…)“


    Jo. Stimmt.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Das Ende des Alphabets – Charles Scott Richardson


    Piper, Februar 2008, 144 Seiten


    Originaltitel: The end of the alphabet
    Aus dem kanadischen Englisch von Carina von Enzenberg


    Klappentext:
    Ambrose Zephyr bewohnte ein schmales, mit Büchern vollgestopftes viktorianisches Reihenhaus. E besaß zwei maßgeschneiderte Anzüge und versäumte es nie, seiner Frau Zappora die Tür aufzuhalten. Zipper, wie sie von allen genannt wurde, ruhte ganz in sich, nahm Dummköpfe mit Anmut hin und trug nur zum Lesen eine Brille, die sie in einem kleinen Geschäft in Paris gekauft hatte. Genau dort war sie auch Ambrose zum ersten Mal begegnet. Und für sie war er schlicht der einzige Mann, den sie jemals wirklich geliebt hatte. Nun sollte er sterben, und der Arzt hatte ihnen geraten, für die verbleibenden 26 Tage Vorkehrungen zu treffen. Ambrose aber hatte den rindledernen Koffer unter dem Bett hervorgezogen und beschlossen, mit ihr eine Reise zu machen. Zuerst überquerten sie den Kanal und fingen bei A wie Amsterdam an, besuchten Berlin und die Kathedrale von Chartes.
    Doch schon bald mussten die beiden erkennen, dass es so nicht würde weitergehen können.
    Das ist die unwahrscheinliche Geschichte von Ambrose Zephyr, seiner Frau Zipper und ihre alphabetische Reise an die Orte ihrer Liebe. Eine zeitlose, intensive und ebenso kluge wie bewegende Erkundung von Liebe und Tod, Nähe und schmerzlichen Verlust.


    Meine Meinung:
    Ich habe Sympathien für die Sprache und Form des Buches und seinen originellen Charakteren.
    Aber ich halte den Roman für ein Konstrukt. Das Buch bildet die Wirklichkeit nicht ab. In anderer Form habe ich über die befristete, letzte Zeit aufgrund einer tödlich verlaufenden Krankheit schon glaubhafter gelesen. Manchmal funktioniert diese Thematik auch als Film noch besser, z.B. Francois Ozons Film „Die Zeit, die bleibt“ oder auch „Mein Leben ohne mich“


    Als Idee und elegantes Sprachmodell funktioniert der Roman hingegen schon.
    Fast auf jeder Seite gibt es immer wieder außergewöhnliche, verblüffende Sätze, die das Sprachgeschick des Autors dokumentieren.
    Ich hätte mir das Buch nur weniger bedeutungsschwanger und überhöht gewünscht.


    Als Kurzgeschichtenband hätte es für mich vielleicht mehr Sinn gemacht, wobei das Buch mit nur 144 Seiten mit großer Schrift und halbleeren Seiten sowieso schon kurz gehalten ist.

  • Eine positive Zeitungsrezension hat mich heute auf dieses Buch aufmerksam gemacht und Batcats Rezension vom Februar muss ich wohl (und leider) überlesen haben. Die Krankheit des Protagonisten mag sicherlich nicht der beste Aufhänger für die Geschichte sein, aber die Idee, Orte nach dem Alphabet zu besuchen und die lobenden Kommentare über den Stil des Autors lassen das Buch auf die Wunschliste wandern.

  • Es fällt mir immer schwer, solche kurzen Bücher gut zu bewerten. Es gelingt meiner Meinung nach nur sehr wenigen Autoren, den Leser in Kurzgeschichten eine Verbindung zu den Personen aufbauen zu lassen. Ich weiß, es gilt als Kunst, mit wenigen Worten viel zu sagen; aber ich finde, etwas mehr Mühe und Detailliert hätten hier mehr als gut getan. Und wieder mal: schade.


    Dass Ambrose die Reise durch das Alphabet nicht schaffen wird, findet man ja schon im Klappentext.
    Aber diese atemlose Hektik habe ich dann doch nicht erwartet.


    Dass der Autor seiner Frau den ersten Manuskriptentwurf zum Geburtstag geschenkt hat, fand ich aber sehr schön. Es gibt wohl kaum etwas romantischeres (in meiner Welt ;-)).


    7 Punkte (für den guten Schreibstil, den ich nicht ignorieren will).

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von killerbinchen ()