Schreibwettbewerb März 2008 - Thema: "Kommunikation"

  • Thema März 2008:


    "Kommunikation"


    Vom 01. bis 20. März 2008 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb März 2008 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym eingestellt.


    Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!


    Nur für registrierte Mitglieder mit mindestens 50 Beiträgen!


    Eine Bitte: Schickt uns Eure Beiträge als .doc oder .rtf und sendet sie uns als Anhang in einer Mail. Damit kommen dann auch Zeilenumbrüche, etc. richtig bei uns an. In Word könnt ihr dann auch die Rechtschreibhilfe nutzen und unter „Extras“ habt ihr die Möglichkeit „Wörter zählen“.

  • von Freidenkerin



    Es war kein Akt der Liebe, sondern ein reines Nachgeben eines tierischen Triebes, der nach Befriedigung schrie. Mit geschlossenen Augen drang er hart und rücksichtslos in sie ein, während sie ihre scharfen Nägel in seinen Rücken schlug. Ihr Atem ging stoßweise. Fordernd hob sie ihr Becken und genoss den Schmerz, den er ihr zufügte. Sie lechzte nach jedem Stoss, der ein wenig Nähe verhieß. Als könnte sie sich noch vor dem unaufhaltsamen Untergang retten, klammerte sie sich an ihn. Er bemerkte nicht die Tränen, die ihre Kapitulation verkündeten. Sein Körper führte die Bewegungen mechanisch aus, während er dem Höhepunkt entgegenstrebte. Ein kurzes Beben durchlief ihn. Er öffnete nicht die Augen, denn er wusste, was sich ihm offenbaren würde. Sie hätte ein leicht gerötetes Gesicht. Ihre Augen würden ihn vorwurfsvoll und stumpf anstarren. Sie würde sich ihm vorsichtig entziehen, sich wortlos umdrehen und innerhalb kürzester Zeit mit leicht geöffnetem Mund einschlafen.
    Schwer atmend sank er nieder und beschloss in diesem Moment, dass jetzt einfach nicht der richtige Zeitpunkt war. Morgen war schließlich auch noch ein Tag.
    „I am still proud of what we were…“ Der Text des Liedes drang tief zu ihr durch und ließ sie schaudern.
    Ein Moment der Stille folgte, als das Lied endete. Sie schloss ihre Augen und versuchte das Gefühl der leichten Liebe zu finden, das sie irgendwann verloren haben musste. Sie hatte es nicht bemerkt. An die Stelle dieser bedingungslosen aufopfernden Liebe ist etwas getreten, das sich vermutlich Sehnsucht nennt. Oft saß sie einfach nur da und trauerte vergilbten Erinnerungen nach, die sich in ihrer Seele eingenistet haben. Sie ertrug es kaum noch ihn anzuschauen, weil sie nur ihre unerfüllten Wünsche in ihm sah. Es war dieses eine Gefühl, das ewig halten sollte. Ein schwerer Schleier hat sich über ihre Liebe und somit auch über den kleinen Vogel in ihr gelegt. Anfangs hatte er sich noch verzweifelt gegen diese Freiheitsberaubung gewehrt, doch mit der Zeit wurde er schwach, sodass lediglich ein kleiner Stich in ihrer Brust noch von seiner Anwesenheit zeugte. Sie wollte nicht daran denken, dass seine Flügel vermutlich schon lange erlahmt sind, doch inzwischen war es nicht mehr zu leugnen. Er war tot.
    Mit resigniertes Stimme sagte sie: „Ich will dich nicht verlieren.“
    Er schaute mit leerem Blick an ihr vorbei, denn er wusste, welcher Anblick ihn erwarten würde. Mit verräterisch glänzenden Augen würde sie ihn anschauen. Er fixierte einen Punkt hinter ihr, sodass ihre Gestalt nur als verschwommener Umriss zu erkennen war und sagte mit sachlicher Stimme: „Das wirst du nicht, Schatz.“
    Ein warmer Hauch entfuhr ihren Lippen. Er enthielt die leise geflüsterten Worte „Ich liebe dich.“ Was zurückblieb, war einzig dieser eine Satz und die Angst, dass er die Wahrheit gesagt haben könnte.

  • von Leserättin



    Für Ariane gab es nichts wichtigeres, als immer und überall erreichbar zu sein. In ihrem Büro in der Werbeagentur stand natürlich ein normales Telefon, aber da eines nicht ausreichte, hatte Ariane auf eine zweite Leitung bestanden. Zusätzlich klemmte immer ein Handy an ihrem Gürtel.
    So kam es mitunter vor, dass sie drei Hörer gleichzeitig bediente. Das war jedoch nichts im vergleich zu dem, was sie außerhalb der Arbeit an Mobiltelefonen bei sich trug.
    Ariane war handysüchtig. Kaum tauchte ein neuer Anbieter auf, musste sie etwas aus seinem Sortiment haben. In ihrer Sammlung befanden sich Handys, die ein weltweites Telefonieren erlaubten, genauso wie stoßgeschützte und wasserdichte. Selbstverständlich beschränkten sich die Handys nicht auf bloßes Telefonieren; fast alle konnten fotografieren, Videos aufnehmen, Musik abspielen, hatten eine reiche Anzahl Spiele drauf und zwei dienten sogar als kleine Computer.
    In Arianes Wohnzimmer stapelten sich die Prämien, die es zu den Handys gegeben hatte. Doch die Spielkonsolen, Hometrainer und Espressomaschinen waren für Ariane uninteressant. Alles, was sie zum Glücklichsein benötigte, war ein Handy.
    Und ihren Freund Christian, dem sie oft SMS mit Liebesbotschaften schickte. Sogar wenn sie miteinander ausgingen und Ariane kurz auf der Toilette des Restaurants ihr Makeup auffrischte, schickte sie Christian eine SMS.
    „Warum?“, empfing Christian sie, als sie von einem dieser Waschraumgänge zwecks Aufhübschung und SMS-Versendung an ihren Tisch zurückkehrte. „Warum kannst du nicht einmal ohne diese verdammten Dinger sein?“
    Ariane warf Christian einen Blick aus zusammengezogenen Augenbrauen zu. „Wie bist du denn drauf? Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert, da ist es unumgänglich, immer erreichbar zu sein.“
    „Erreichbar – ja, gern. Aber du übertreibst es. Wie viele Handys trägst du gerade im Moment bei dir? Vier?“
    „Fünf“, korrigierte Ariane und Stolz schwang in ihrer Stimme mit. Und als wolle es sich bemerkbar machen, stimmte eines davon I just call to say I love you an. Nur Sekunden später ertönte von einem anderen Shania Twains Ka ching!.
    Christian stand auf. „Das genügt. Ich gehe.“
    „Was?“ Ariane starrte ihn verblüfft an. Das meinte er doch nicht ernst. Oder? Nein, unmöglich, Christian und sie waren seit über zwei Jahren zusammen, er hatte sich doch auch in jeden Handyladen mitschleppen lassen, wenn sie bei gemeinsamen Unternehmungen gerade einen entdeckte.
    Doch Christian meinte es ernst. Er ging und reagierte auf keine der vielen SMS, die Ariane ihm schickte. Sie sprach auf seine Mailbox, wieder und wieder. Versuchte es schließlich auf seinem Festnetzanschluss, doch niemand hob ab.
    Nach einer Woche hielt sie es vor Sehnsucht nach ihm kaum mehr aus. Selbst das neu gekaufte Handy konnte ihren Schmerz nicht lindern.
    Ariane nahm ein Blatt Papier, träufelte etwas Parfum darauf und schrieb einen Liebesbrief. Kaum hatte sie ihn in Christians Briefkasten geworfen, klingelte es an ihrer Wohnungstür.
    „Ich hab dich so vermisst“, gestand Christian und hielt den Brief hoch. „Und der hier ist viel schöner als jede SMS.“
    Ariane konnte nur nicken, dann schloss sie Christian in die Arme. Liebesbriefe schreiben war wirklich schöner als SMS zu verfassen.

  • von churchill



    „Noch ein bisschen Kaffee?“


    Ich löse meinen Blick vom Buch. Sie hält die Tasse in der Hand. Die leere Tasse. Ich habe also bereits ausgetrunken. Ihr Blick ist nicht unfreundlich. Die senkrechten Falten über der Nasenwurzel sind kaum zu sehen. Ein gutes Zeichen. Sie können sehr tief sein, diese Falten. Das Frühstück führt fast täglich zusammen, was seit eineinhalb Jahrzehnten zusammengehört, wenn man vom Versprechen ausgeht, das damals gleich doppelt erklang, wobei das gesetzlich vorgeschriebene zivile Ja für uns nur Vorspiel war.


    Vor dem Frühstück meide ich gern das familiäre Treiben und überlasse ihr das täglich neue Abenteuer. Beim Internationalen Frühschoppen waren es seinerzeit sechs Journalisten aus fünf Ländern oder so. Bei uns sind es derzeit fünf Kinder für vier Schulen. Und eins für den Kindergarten. Das ist zumindest der letzte Stand, an den ich mich erinnern kann.


    Das Frühstück ist dann Gelegenheit zur Besprechung. Wenn es gut läuft. Oder zur Aussprache. Wenn es nötig ist. Wenn sie meint, es sei nötig. Wenn die senkrechten Falten über der Nasenwurzel zeigen, dass sie meint, es sei nötig. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Warum auch? Ich weiß sicher, dass ich das nicht selbst erledigen muss. Der Beginn ist meist marmeladig süß. Nichteingeweihte mögen das schlucken. Die Frage, was ich denn heute so vorhabe, lenkt meinem Blick in Richtung Buch. Ich lese keine Zeitung während des Frühstücks. Klischees mögen andere bedienen. Ich lese Bücher. Im Normalfall aber nur eins während der Frühstücksbesprechungsaussprache. Ich antworte ebenso marmeladig mit der ausführlichen Zurschaustellung meiner zwei oder drei Termine für den angebrochenen Tag, die ich ausschmücke und phantasievoll ergänze. Wirkungsloses Unterfangen.


    Die marmeladige Phase endet und wird abgelöst von verschiedenen Eierphasen. Wenn es gut geht, folgt ein Spiegelei. Auf den Teller geklatscht. Altpapier sei zu entsorgen, die Flaschen ebenso, das Büro sei aufzuräumen, was ich schon seit Monaten versprochen hätte, und schließlich seien endlich diese Überweisung und jener Zuschussantrag zu tätigen. An dieser Stelle blättere ich üblicherweise interessiert um.


    Ab und zu wird das Ei auch gekocht. Hart. Und ich weich. Zumindest geht ihr Versuch in diese Richtung. Bücher kosten Geld, das ich oft ausgebe, was sie weiß, wenn sie zu einer Liste von Anschaffungen ansetzt, die dem Familienglück noch fehlen und jede mögliche Not wenden sollen. Das Weichkochen von Eiern gelingt nicht vielen. Die Anschaffungen der letzten Jahre zeugen von Erfolg. Ihrem Weichkocherfolg.


    Die gefährlichste Ebene wird erreicht, wenn das Rührei ins Spiel kommt. Alle Schwächen und Schandtaten der letzten eineinhalb Jahrzehnte sind auf Kommando präsent. Meine. Alle. Das Frühstück wird dann zur Generalabrechnung mit Extremsteilfalten, das Umblättern meinerseits hektischer. Mein Unbehagen wächst proportional zu ihrem Erinnerungsvermögen. Das wiederum ist unendlich groß. Den finalen Rettungsschuss setze ich sicherheitshalber selten ein. Sie weiß ja durchaus noch, dass sie es war, die unser erstgeborenes Kind von der Wickelkommode fallen ließ. Ich las damals gerade ein Buch.


    Heute gibt es kein Ei. Und keine senkrechten Falten.
    „Noch ein bisschen Kaffee?“
    „Gerne. Noch ein bisschen mehr …“
    Die ersten Kinder erscheinen frühestens in zwei Stunden.

  • von Voltaire



    Frauke hatte wieder diesen unnachgiebigen Ton in ihre SMS gepackt, die sie an mich geschickt hatte. Und auch mittels einer SMS schaffte sie es immer wieder, mir die Unwiderruflichkeit ihrer Anordnungen klar zu machen. Etwas irritiert schaute ich auf den Kalender. War es schon wieder Zeit für die monatliche Beziehungsdiskussion? Eine Diskussion die mit fast peinlicher Regelmäßigkeit für mich mit einem provisorischen Nachtlager auf dem fleckigen Teppich des Wohnzimmers endete?


    Resigniert legte ich das Handy beiseite und verwünschte meinen Feierabend der mich so in etwa drei Stunden ereilen würde. Zudem hatte ich 18 Euro 50 nutzlos vertan. Das Geld war in einen Strauß Frühlingsblumen angelegt; aber gerade heute durfte ich natürlich nicht mit Blumen bei Frauke auftauchen. Nicht nach dieser SMS! Blumen für die Ehefrau sind der unumstößliche Beweis für ein schlechtes Gewissen was man in der Regel nicht zu haben braucht, was man aber trotzdem hat, ohne überhaupt zu wissen warum.


    Blumen und Frauen. Blumen für Ehefrauen, Freundinnen und Geliebte. Blumen gekauft von Männern für Frauen. Blumen sind der ultimative Untergang einer jeden Beziehung. Sag es mit Blumen! Wer mag sich diese fürchterliche Dummheit bloß ausgedacht haben? Bring einer Ehefrau Blumen mit und du wirst die Menschenrechte für dich einfordern!


    Ich hatte Frauke schon einmal Blumen, wahrscheinlich zu einem völlig falschen Zeitpunk, was ich natürlich nicht wusste, mitgebracht; für die endgültige Korrektur meines Nasenrückens ist mindestens noch eine weitere Operation erforderlich, wobei ich jetzt natürlich nichts Negatives über Frauke gesagt haben möchte. Beileibe nicht.


    Mit dem Blumenstrauß, der jetzt gerade nutzlos in meinem Papierkorb vor sich hinwelkte, wollte ich ein neues Beziehungskapitel aufschlagen, die Beziehung flehte gerade darum auf eine neue Grundlage gestellt zu werden. Nur, konnte man mit Frauke überhaupt eine Beziehung haben? Gehörte sie nicht zu den Frauen, die jede Beziehung in sich aufsaugen, dabei aber nicht zunehmen, nur ihr Präsenzvolumen stetig steigern.


    Meine Hand zitterte leicht als ich den Schlüssel ins Schloss steckte. Die Tür schwang nach innen auf – Stille begrüßte mich. Statt eines anklagenden Blickes von Frauke schauten mir nur leere, ungedachte Gedanken beim Ablegen meiner Garderobe zu.


    „Wir müssen reden!“ Genau das hatte Frauke gesimst.


    Ich betätigte den Lichtschalter. Nichts passierte! Ich nahm mein Feuerzeug zur Hand und alles was mit mir körperlich zu tun hatte, verpuffte in einer riesigen Explosion. Meine gesamte Existenz war nur noch Geschichte. Auch den Zettel mit Fraukes Handschrift zerlegte es in bestimmt zehntausend mikroskopisch kleine Schnipsel:


    „Wir müssen uns heute noch über den Gasanschluss unterhalten. Er scheint irgendwie nicht ganz in Ordnung zu sein. Pass bitte auf wenn du nach Hause kommst, ich habe den Strom sicherheitshalber abgeschaltet. Bin so gegen 20 Uhr wieder daheim, gehe jetzt erstmal zur Mama. Konnte dich heute telefonisch leider nicht erreichen. Küsschen F.“.

  • von Sinela



    Entnervt vom nicht endend wollenden Klingeln nahm Teddy den Hörer ab.
    „Ja!“ bellte er hinein.
    „Hi, easy Bruder, was geht?“
    „Nichts geht, das ist ja das Problem!“
    „Was`n los?“
    „Verdammte Scheiße, ich könnte alles kurz und klein schlagen. Mein Super-Duper-Computer kommuniziert nicht mehr mit mir.“
    „Was? Dein Computer spricht mit dir? Meiner hat noch nie was zu mir gesagt.“
    Teddy atmete tief durch und versuchte ruhig zu bleiben – so ruhig, wie es eben ging in seiner derzeitigen Verfassung.
    „Ich meine, dass mein Computer nicht läuft.“
    Ungläubiges Staunen am anderen Ende der Leitung.
    „Wow, kann dein PC wirklich laufen? Ist ja ein Ding. Ist er dir denn schon mal abgehauen?“
    Teddys Blutdruck stieg in bisher noch nie erreichte Höhen.
    „Bist du eigentlich noch ganz sauber? Oder bist du auf Dope? Du hast doch echt nicht mehr alle Tassen im Schrank!“
    „He, Alter, so brauchste nun nicht mit mir zu reden, ich...“
    „Ruf mich nie wieder an, du Arschloch!“
    Er knallte den Hörer auf die Gabel. Nach einem missmutigen Blick in Richtung seines PCs ging er in die Küche und holte sich ein Bier. Nach einigen Schlucken der eiskalten Flüssigkeit kam ihm die Erleuchtung – er würde Irina anrufen. Sie hatte zwar keine Ahnung von Computern, hatte aber einen beruhigenden Einfluss auf ihn. Normalerweise...


    „Och, das tut mir leid. Immer dieser Ärger mit der Technik. Aber ich wusste gar nicht, dass du auch kommunizierst. Seit wann machst du das denn? Und welches Instrument spielst du? “
    Teddy war sprachlos. Hatten heute denn alle ein Rad ab?
    „Irina, ich glaube, du verwechselst da etwas. Ich...“
    „Nein, sag nichts, du spielst bestimmt Gitarre, das passt zu dir. Du könntest mich ja mal begleiten, wenn ich Keyboard spiele. Au ja, das wäre echt klasse!“
    „Irina, hör mir zu: Du kommunizierst nicht, du musizierst!“
    „Echt? Das ist ja ein Ding.“
    Teddy hatte nur noch einen Wunsch – dieses Telefonat so schnell wie möglich zu beenden, bevor er total durchdrehte. Was er auch umgehend tat, wenngleich auch auf eine etwas brüske Art. Für heute hatte er bei Gott genug Kommunikation gehabt!


    Völlig entspannt lag der junge Mann im Bett und versuchte einzuschlafen. Aber der laute Ton des Fernsehers aus der Nachbarwohnung verhinderte das konsequent. „He, Meredith, du kommunizierst nicht mit mir. So geht...“
    Teddy sprang aus dem Bett und starrte die Wand an. Schon wieder dieses Wort, er konnte es nicht mehr hören! Diesem Albtraum würde er jetzt ein Ende machen – für immer! Mit seinem Baseballschläger bewaffnet klingelte er bei seiner Nachbarin, stieß diese, als sie öffnete, brutal zur Seite und ging zielstrebig auf den Fernseher los. Schlug auf ihn ein, schlug und schlug, erst die herbeigerufene Polizei konnte seinem Wüten ein Ende bereiten. Für den Fernseher kam allerdings jede Hilfe zu spät!


    Nach seiner Entlassung aus der geschlossenen Abteilung der Psychatrie drei Monate später verkaufte Teddy sein Hab und Gut und wanderte auf eine einsame Südseeinsel aus. Ohne jedwege Kommunikation kehrte dort Ruhe und Frieden in sein Leben ein. Und wenn er nicht gestorben ist, dann....

  • von kamikazebaer



    „Friedrich, bitte denken Sie daran, am Samstagnachmittag zu meiner Vorführung zu erscheinen. Ich kann Ihnen versichern, diesmal werden Sie aus dem Staunen nicht herauskommen!“ „Nicht schon wieder“, dachte ich. Inzwischen hatte ich schon so viele Vorführungen seiner schier unzähligen Erfindungen erlebt und noch jedes Mal hatte er sie mir als „revolutionäre, bahnbrechende oder weltverändernde Entwicklungen“ angepriesen, die den Weg aus dem Schuppen nie geschafft haben.
    Widerwillig ging ich am Samstag zu Philipp. Dort angekommen war ich überrascht so viele bekannte Gesichter, nicht nur aus dem Kollegenkreis, zu erblicken.
    Wie nicht anders zu erwarten, war Philipp ganz der Lehrer und stellte ausführlich, lange und kompliziert seine neuste Erfindung vor.
    Für seinen Physikunterricht habe er eine Arbeit über die Gehörwerkzeuge angefertigt. Dabei sei es ihm durch fortwährendes Experimentieren gelungen ein Gerät zu erfinden, durch das die Funktionen der Hörwerkzeuge anschaulicher gemacht wurden. Außerdem, und dies sei das wirklich Revolutionäre, könne man auch Töne aller Art über große Entfernungen hinweg übertragen. Kurz bevor die Langeweile unerträglich wurde kam Philipp endlich zum praktischen Teil. Jetzt wurde der neue Apparat vorgeführt. Zu diesem Zweck saß sein Schwager Franz knapp 500 Meter entfernt im Garten vor einem Teil des Apparates und las laut aus „Spieß Turnbuch“ vor. Philipp wiederum stand mit uns am anderen Ende des Apparates im Schuppen und wiederholte für uns die Worte von Franz. Die Zuhörer waren erstaunt und begannen begeistert mit dem Nachbarn zu tuscheln. Es war interessant, was ich da gerade erlebt hatte. Dennoch ließ ich mich nicht so einfach überzeugen. Was, wenn es doch nur ein simpler Kartenspielertrick war? Wie sollte er hören können, was Franz im Garten las? Nach meinen geäußerten Zweifeln wurden einige unruhig und wollten die Sache überprüfen. Franz wurde herbeigerufen und musste uns die besagte Stelle nochmals vorlesen. Sie war identisch mit dem was uns Philipp vorgetragen hatte. Den meisten war die Erleichterung anzusehen, sie waren damit zufrieden gestellt. Ich jedoch nicht! So schnell wollte ich mich nicht mit einem billigen Trick hinters Licht führen lassen. Was hatte ich zu verlieren? Nichts! Ich bat meinen Tüftlerkollegen diese Erfindung selbst einmal testen zu dürfen. Und ging mit Franz in den Garten. Er zeigte mir wie ich in das Gerät sprechen sollte. Gut, dachte ich, doch was sollte ich jetzt sagen? Ich sammelte meine Gedanken, trat einen Schritt näher an die Apparatur und sprach hinein: „Die Sonne ist von Kupfer“ und „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“. Danach gesellte ich mich wieder zu den anderen. Mein Kollege Philipp hatte zwar nicht genau verstanden, was das Pferd nicht frisst und meinte, die Sonne sei aus Zucker, aber jetzt war ich überzeugt. Sein Apparat funktionierte tatsächlich. Es war kein simpler Taschenspielertrick mit dem sich Philipp einen Spaß erlauben wollte, um uns alle hinters Licht zu führen.
    Gutgelaunt machte ich mich auf den Heimweg und dachte: „Was für eine nette Spielerei dieses Telephon doch ist, jedoch würde es wohl nie die Welt verändern oder gar Briefe und Telegraphie ablösen, so wie es sich Philipp Reis erträumte.“

  • von Tom



    Lieber Gott, dies ist mein allererstes Gebet. Ich habe das noch nie getan, beten, und bitte Dich um Nachsicht, wenn ich mich dabei dumm anstellen sollte. Ich weiß, dass es Formalien gibt, die ich einhalten müsste. Wenn Du nämlich zufällig der Gott bist, den die Muslime anbeten, dann müsste ich mich gen Mekka ausrichten, aber ich weiß nicht, wo das liegt. Kann auch sein, dass die Tageszeit dann falsch wäre; hier gibt's keinen Muezzin und es ist jetzt kurz vor Mitternacht, aber das weißt Du besser als ich, vermute ich mal. Wenn ich irgendwo anders auf der Welt wäre, würde die Zeit vielleicht passen. Dabei fällt mir ein - schaltest Du eigentlich auch auf Sommerzeit um? Mmh. Außerdem hätte ich mich rituell waschen müssen, wenn Du der Gott der Muslime bist. Ich weiß aber nicht, wie das geht. Wenn Du allerdings der Gott bist, den die Bahai anbeten, bin ich echt in Schwierigkeiten. Dann hätte ich Dich völlig anders anreden müssen. Oder wenn Du Ganesha bist. Oder Kali. Oder Shiva. Ist heute Montag? Verflucht.
    Ach du je, ich habe geflucht. Tut mir echt leid! Ist das Gebet jetzt im Eimer? Mensch, Gott, das ist aber auch kompliziert. Du könntest mir ein Zeichen geben, das würde vieles vereinfachen. Sagen wir, wenn ich in den nächsten zwanzig Sekunden ein ungewöhnliches Geräusch höre, dann bist Du der Gott der Christen. Dreißig Sekunden für Judentum. Vierzig für den Islam. Nee, das geht ja auch nicht. Was ist, wenn Du eher so ein pantheistischer Gott bist, dann gibst Du überhaupt keine Zeichen. Aber dann reagierst Du auch nicht auf Gebete. Bist Du vielleicht alle Götter gleichzeitig? Das wäre cool, weil dann keine Rolle spielen würde, was ich mache. Es wäre so oder so falsch. Oder richtig. Je nachdem.
    Huch. Was war das? Ach, und ich habe nicht auf die Uhr geschaut. War das eine halbe Minute? Drüber oder drunter? Drunter, oder? Dann also Judentum. Ich kann die Psalmen aber nicht auswendig. Und sowieso kein hebräisch. Ist heute ein jüdischer Festtag? Und war das überhaupt ein ungewöhnliches Geräusch? Klang eher nach Fred, meinem Kater. Der schnattert manchmal im Schlaf. Ich könnte rübergehen und nachsehen, aber ich will doch so gerne beten.
    Muss ich die Hände falten und die Augen schließen? Muss ich eigentlich überhaupt irgendwas tun? Wenn Du allmächtig bist, weißt Du doch sowieso, was ich zu sagen habe. Wieso sollte ich Dir dann Psalmen vortragen, die ohnehin von Dir stammen, oder Suren oder wie all das heißt? Das wäre doch langweilig für Dich. Und meine Sprache dürfte doch auch egal sein, oder?
    Weißt Du, Gott, ich wollte Dich eigentlich nur um eine Kleinigkeit bitten, aber Du machst es mir echt schwer. Ich sage das jetzt einfach, und fertig. Wir werden dann ja sehen, was passiert. Und wenn nichts passiert, dann ist das auch okay.
    Ach herrje, jetzt habe ich vergessen, was ich wollte. Na, dann ein andern Mal.

  • von Luc



    Es steckt noch Leben in ihm. Roy gestattet das Interview. Er will es unbedingt. Sein Kopf sieht aus wie eine Mischung aus E.T. von Spielbergs Gnaden und einem Halloween-Kürbis, seit der Tumor unter seiner Hirnschale pulsiert. Da liegt er im Krankenbett. Der ehemalige Schlagerstar und Frauenheld. Die achtziger Jahre - Roy verdankt ihnen Ruhm und seine poröse Wodka-Leber.


    „Deine Fans warten auf Neuigkeiten“, scherze ich, um ihn aufzumuntern. Er hat keine Fans mehr, die Neunziger, das Internetzeitalter ist über uns hinweggerauscht wie eine Lawine über ein ausrangiertes Paar Skier. Vor der Tür steht lediglich ein Reporter von „Frau mit Herz“, der ein Foto, von einem schlagersingenden E.T. Klon knipsen will.


    Roy nickt, was ihm sicher höllische Kopfschmerzen bereitet. Vielleicht bekommt er bei dem Termin doch einige Worte heraus, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ich regle das Finanzielle für ihn. Selbst unsere Scheidung Ende der Achtziger hat daran nichts geändert. Plötzlich wünsche ich mir, dass er seinen Gesundheitszustand zum Anlass nehmen würde, einmal ein ehrliches Wort zu sagen. Dass der wahre Roy erscheint. Einen Satz, der über all diesen Schlagerquark, die Floskeln, die Plattitüden hinausgeht und ihm Authentizität verleihen würde. Wie damals auf der Uni, als ich ihn kennen gelernt habe.


    Der Reporter betritt das Zimmer, er macht seine Fotos. Roys Mitteilungsbedürfnis fand ich spätestens mit Anbruch seiner „das wichtigste ist mir der Kontakt mit dem Publikum“ Festzelt-Phase peinlich, als die Medien ihn begannen abzuschreiben. Aber diese Szenerie mit dem sichtlich angeekelten Pressevertreter und Roy, der versucht Worte zu formulieren, rührt mich irgendwie. Roy ist mein Leben.

    „Der Dieter will ihn, in der nächsten Staffel von DSDS, als Juror an seiner Seite“, sage ich, weil mich Roy darum gebeten hat. Der Reporter nickt leicht verzweifelt, weil er aus Roys Stammeln nicht schlau wird.
    „Das wichtigste habe ich ja“, sagt er und stürmt zu früh aus dem Raum. Denn Roy - ganz die alte Rampensau, fängt sich, wie immer bei zahlendem Publikum. Es ist, als hätte jemand Wasser auf ein vertrocknetes Blumenbeet gegossen. Roy blüht auf. Er sieht mich schelmisch an, ich möchte ihn umarmen.

    “Ich liebe dich“, kommt brüchig über seine Lippen. Einen Moment lang freue ich mich, bis der Zweifel Oberhand gewinnt. Zentimeter vor ihm bleibe ich stehen.


    „Ich liebe dich“ -damit hat er einer Generation von zukünftigen Hausfrauen die Ohren verklebt und mir lange genug die Sinne vernebelt. Mich durchspülen all die Lügen, der Verrat, seine angeblichen Irrtümer und ich komme zu einer Erkenntnis, der ich immer ausgewichen bin. Den wahren Roy gibt es gar nicht. Er ist ein aufgepumpter Kürbis. Wir reden seit 25 Jahren aneinander vorbei. Mit „ich liebe dich“ meint er meine perfekt vorgetragene Dieter-Bohlen-Lüge, den einköpfigen Presseaufmarsch, natürlich. Fehlt nur noch, dass er aufsteht und Bussis verteilt.
    „Blödsinn, du liebst diesen Frau-mit-Herz-Kram, RTL, SAT 1 und um einmal in Dieter Bohlens Casting-Show zu sitzen, würdest du deine Mutter verkaufen“, sage ich lakonisch.


    E.T. von meinen Gnaden, lächelt, so feist und fett, dass ich spüre, mein Leben vergeudet zu haben.