Nathan Zuckerman kehrt nach mehr als zehn Jahren aus dem selbstgewählten Exil nach New York zurück. Anlass ist ein Arzttermin; seit der krebsbedingten Prostataoperation ist Zuckerman impotent und inkontinent, und während er sich, inzwischen einundsiebzigjährig, mit ersterem abgefunden zu haben glaubt, will er doch die Chance wahrnehmen, nach einer einfachen Behandlung den Urinfluß wieder kontrollieren zu können.
Doch es dauert nur ein paar Stunden, bis sich Zuckerman knietief in der eigenen Vergangenheit befindet. Da begegnet ihm zufällig Amy Belette, die ehemalige Geliebte des hochgeschätzten Mentors I. E. "Manny" Lonoff (den der Leser aus "The Ghost Writer" kennt), und als der alternde Schriftsteller in seinem Stammrestaurant durch die Zeitschriften blättert, entdeckt er eine Kleinanzeige: Ein junges Schriftstellerpaar möchte für ein Jahr in die Berge ziehen und bietet zum Tausch die Stadtwohnung in Manhattan an. Ehe Zuckerman begreift, was er tut, hat er Kontakt aufgenommen, findet sich nur wenig später in der Wohnung der beiden wieder. Dort trifft er die zauberhafte, elegante und selbstbewusste Jamie - und ihren eher verweichlichten Ehemann Billy. Zuckerman verliebt sich auf der Stelle in die attraktive, aber unerreichbare junge Frau, die den berühmten Schriftsteller zwar bewundert, ihm allerdings keine Avancen macht. Ausgerechnet Jamies Ex-Freund und vermeintlicher Noch-Liebhaber drängt Zuckerman tiefer in die Vergangenheit, denn der ambitionierte, aber rücksichtslose Möchtegernbiograph versucht sich an Lonoffs Lebensgeschichte, will den längst vergessenen und von Zuckerman so verehrten Schriftsteller ins Licht der Öffentlichkeit zerren. Wie so häufig in solchen Fällen dient ein vermeintlicher Skandal als Aufhänger. Zuckerman sieht Parallelen zur eigenen Biographie, und er versucht alles, um die Enstehung des Buches zu verhindern. Aber Inkontinenz, Begehren und die nachlassende Gedächtnisleistung sind nicht die einzigen Probleme, mit denen der alternde Schriftsteller zu kämpfen hat.
Philip Roth beschäftigt sich in seinen letzten Romanen - "Jedermann" und "Das sterbende Tier" seien genannt - intensiv mit dem Altern und dem Sterben. Anders als diese beiden - meiner Meinung nach eher schwächeren - Bücher steckt "Exit Ghost" voller Selbstironie, distanzierter Amüsiertheit und, ja, Weisheit. Roth reflektiert die eigene Entwicklung als Schriftsteller, die Rezeption durch Publikum und Feuilleton, aber das Buch ist viel mehr als das. Ein vorweggenommenes Testament, ein Rückblick, eine Anklage, aber auch eine überraschend entspannte Liebesgeschichte mit viel imaginierter Romantik. Manchmal liest sich der Roman wie ein Tagebuch, dann wie experimentelle Literatur, aber insgesamt ist das - endlich - wieder ein echter Roth, ein fantastisches Buch mit starkem Nachhall und großer Persönlichkeit.
Philip Roth: Exit Ghost
-
-
Hallo, Tom!
Danke für die tolle Rezi!
Ich habe mir das Buch gleich auf die Suchliste gesetzt und will es unbedingt lesen.
"Jedermann" hat mir persönlich recht gut gefallen, liess sich viel leichter lesen als die anderen Bücher.
Von Roth habe ich bislang "Verschwörung gegen Amerika", "Jedermann" und " Amerikanische Idylle" gelesen. "Der menschliche Makel" subt noch bei mir.
Nicht so gefallen hat mir "Verschwörung gegen Amerika".LG
ConorSybille Lewitscharoff - Consummatus
-
Hallo, Conor.
Danke für die Blumen.
"Verschwörung gegen Amerika" ist m.E. einer der schwächsten Roths überhaupt. "Amerikanisches Idyll" ist demgegenüber wirklich großartig, aber meine Lieblingsroman von Roth sind "The Great American Novel" (heißt auch in der deutschen Übersetzung so) und "Die Anatomiestunde" (ein Zuckerman-Roman).
-
Hallo, Tom
dann werde ich mir diese zwei, für mich neuen Titel mal merken.
LG
conor -
Danke für die Rezi Tom.
Ich habe schon in der Zeitschrift "Bücher" eine Rezi und einen Bericht über Roth gelesen. Insgesamt klang es interessant, doch ich habe ein wenig die Befürchtung, dass man sehr viel (zuviel) über Roths eigene Probleme mit dem Altern erfährt und bin deshalb immer noch unschlüssig, ob ich das Buch auf meine Wunschliste setze.
-
Ich habe heute mit Exit ghost angefangen, gefällt mir bislang auch gut.
Ausserdem zugelegt: The great American novel!
einen Gruss an Tom, der daran "schuld" ist
-
Das Buch wurde auch heute in 3Sat bei Literaturclub von Dieter Bachmann, Gabriele von Arnim, Peter Hamm und Moderatorin Iris Radisch ganz interessant diskutiert!
Und immer noch kein Nobelpreis für Philip Roth!
-
Zitat von Herr Palomar:
ZitatDas Buch wurde auch heute in 3Sat bei Literaturclub von Dieter Bachmann, Gabriele von Arnim, Peter Hamm und Moderatorin Iris Radisch ganz interessant diskutiert!
wenn ich das gewusst hätte
naja, ich hab's leider verpasst, schade, schade
Es ist jedenfalls ein gut zu lesendes Buch und er lässt sich, bzw. sein Personal lässt sich auch ordentlich über Politik aus.
-
Oh ja, das möchte ich auch noch gerne lesen. Ist es eigentlich sinnvoll die anderen Zuckermann-Romane vorher zu lesen, oder lässt sich Exist Ghost auch ohne Vorwissen lesen?
-
Zitat von buzzaldrin:
ZitatOh ja, das möchte ich auch noch gerne lesen. Ist es eigentlich sinnvoll die anderen Zuckermann-Romane vorher zu lesen, oder lässt sich Exist Ghost auch ohne Vorwissen lesen?
ich denke, du kannst sie auch ohne Vorwissen lesen.
Die Personen , die schon im "Ghost writer" auftauchen, tauchen zwar auch hier auf, aber Roth beschreibt die damalige Situation so gut, dass man auch so Bescheid weiss.Ich habe auch noch nicht alle Zuckerman-Romane gelesen
mache ich wohl noch
LG
-
Ich kenne von Philip Roth "Jedermann" und "Exit Ghost", beide als Hörbuch. In beiden Fällen geht es im Endeffekt um Krankheit und das Sterben. Was bei "Jedermann" zwar auch irgendwo bedrückend wirkte, aber durch die Gesamtgestaltung des Textes noch geschickt kaschiert wurde, habe ich bei "Exit Ghost" insgesamt dann doch als unangenehm empfunden. Irgendwann möchte man einfach nicht mehr die ganzen gesundheitlichen Nackenschläge mitverfolgen, die einen alten Mann ereilen können. Ich sage nicht, daß "Exit Ghost" ein schlechtes Buch ist, aber nach dieser Lektüre würde ich mir für den nächsten Roth dann doch mal ein anderes Thema wünschen
Dennoch halte auch ich ihn zweifellos für einen der ganz Großen der Literaturwelt
-
Titel: Exit Ghost
Autor: Philip Roth
Verlag: Hanser
Erschienen: Februar 2008
Seitenzahl: 304
ISBN-10: 3446230017
ISBN-13: 978-3446230019
Preis: 19.90 EURDer Autor:
Philip Roth wurde 1933 in Newark, New Jersey, geboren. Für sein Werk wurde er mit allen bedeutenden amerikanischen Literaturpreisen ausgezeichnet. Im Jahre 2001 erhielt er die höchste Auszeichnung der American Academy of Arts and Letters, die Goldmedaille für Belletristik, die alle sechs Jahre für das Gesamtwerk eines Autors verliehen wird. 2006 wurde Philiph Roth mit dem Pen/Nabokov-Preis ausgezeichnet und 2007 erhielt er den Saul-Bellow-Preis des Schriftsteller-Verbandes.Zum Inhalt:
Nathan Zuckerman, Roths langjähriger Held und vielleicht sein Alter Ego, kehrt nach New York zurück, um dann für immer abzutreten. Er trifft in Manhattan ein junges Paar, das nach dem 11. September der Stadt entfliehen will, und bietet ihnen einen Wohnungstausch an - nicht ohne Hintergedanken. Ihn fasziniert Jamie, die junge Frau, und ihn überfallen Gefühle, die er längst überwunden glaubte. Durch sie lernt er einen Mann kennen, der die Biographie des vom jungen Zuckerman verehrten Schriftstellers Lonoff schreiben möchte. Auf einmal ist Zuckerman so involviert, wie er es nie mehr sein wollte. Liebe, Trauer, Begehren und Ressentiment, alles ist wieder da.Meine Meinung:
Philip Roth scheint mit großer Freude dabei zu sein, seinen literarischen Ruf zu demontieren. In seinem Buch „Exit Ghost“ ist nichts mehr von seinem Einfallsreichtum, von seiner schriftstellerischen Klasse zu finden. Mit solchen Büchern ruiniert man seinen Namen. Roth schreibt mehr als ausführlich über die Inkontinenz seines Alter ego Nathan Zuckerman, er schreibt, wie in anderen Bücher seines Alterswerk zuvor auch schon, über eigene (?) abstruse sexuelle Gelüste. Frauen klassifiziert er fast ausschließlich als Trägerinnen großer Brüste, sein sexistischen Ausflüge (von denen gibt es reichlich in dem Buch) wirken eigentlich nur noch peinlich. Hinzu kommt, dass er auf diesen 304 Seiten eigentlich so gut wie nichts erzählt. Da schwafelt ein alter Mann über Dinge, die genaugenommen eigentlich so richtig niemanden interessieren . Allerdings erfährt der interessierte Leser so einiges über Plastikeinlagen in Unterhosen für Männer, und wie es unangenehm riecht wenn sich der Betreffende einnässt.
Es ist ein entsetzlich langweiliges und schlechtes Buch. Schade wenn es jemand nicht schafft in Würde alt zu werden und seinen Namen, der wirklich mal ein sehr guter Name war, so gnadenlos zu zerstören.
Das war mein letzter Roth. Aber vielleicht habe ich ja auch Glück und da kommt nichts mehr aus dieser Richtung. Aus echter Begeisterung für dieses Schriftsteller ist ungläubiges Kopfschütteln und tiefes Mitleid geworden.
Nicht empfehlenswert, dieser „Exit Ghost“. -
Zitat
Original von Voltaire
Aber vielleicht habe ich ja auch Glück und da kommt nichts mehr aus dieser Richtung.Am 4.2.09 kommt "Empörung" und ich freue mich jetzt schon darauf - ich werde dann gerne hier berichten, wie es mir gefallen hat ...
-
Zitat
Original von buzzaldrin
Am 4.2.09 kommt "Empörung" und ich freue mich jetzt schon darauf - ich werde dann gerne hier berichten, wie es mir gefallen hat ...
Ich glaube, ich werde erstmal auf Deine Rezi warten, buzzaldrin.
-
Zitat
Original von Sigrid2110
Ich glaube, ich werde erstmal auf Deine Rezi warten, buzzaldrin.Ja, mach das ... ich werd dich dann schon noch von dem Buch überzeugen.
-
Zitat
Original von buzzaldrin
Ja, mach das ... ich werd dich dann schon noch von dem Buch überzeugen.
Das befürchte ich :lache.
-
Gibt es ne Gesaamtausgabe der Zuckermanntrilogie?
Würde sie gerne verschenken. Oder zumindest Ausgaben welche zusammenpassen?
-
Die "Library of America" hat alles Geschriebene von Philip Roth herausgegeben. Leider nur in Englisch zu kaufen.
siehe bei Amazon
-
Interessant, wie die Meinungen von Tom und Voltaire hier auseinandergehen! Ein Grund mehr, sich ein eigenes Urteil zu bilden ;-).
-
Hm, ich kenne auch nur die englische Ausgabe - im deutschen gibt es meines Wissens nach keine. Aber die rororo-Ausgaben passen zumindest farblich und auch in der Gestaltung doch auch zueinander.