Osburg Verlag, 301 Seiten, 2008
Gebunden, mit Lesebändchen
Handlung:
„Vielleicht ist der Verrat die Signatur unseres Zeitalters. Es floriert in jeglicher Form. Die Sozialdemokraten haben ihre Revolution verraten, die Bürger ihre heiligen Werte. Die Politik mit ihren Lügen hat unsere Seelen vergiftet. Feigheit regiert die Herzen…“, konstatiert der Sohn des Nobelpreisträgers Cornelius verbittert. Er sieht sich nicht nur politisch als Opfer, sondern fühlt sich auch in einer entscheidenden Lebenssituation von seinem Vater verraten. Das moralische Krebsübel der Epoche hat auch die sicher geglaubten familiären Bindungen zerstörerisch befallen.
Mit historischer Präzision und psychologischer Dichte gestaltet Karl Heinz Bittel die tiefen Verwerfungen zwischen Thomas Mann und seinem Sohn Klaus. Ein anspielungsreiches Familiendrama mit aktuellen Bezügen.
Zum Autor:
Karl Heinz Bittel, geboren 1947 in Singen, war Lektorin einer Münchener Verlagsgruppe und Programmleiter des Knaus Verlages. Insbesondere war er viele Jahre Lektor Walter Kempowskis. Seit 1999 arbeit er als freier Lektor und Publizist.
Zahlreiche Aufsätze und Rezensionen in Zeitungen und Zeitschriften sowie Rundfunk-Features. Gemeinsam mit Jürgen Kolbe „Heller Zauber. Thomas Mann in München“(1987)
Meine Meinung:
Ein vom Osburg Verlag schön gestaltetes Buch, in dem der Autor die angespannte, schwierige Beziehung zwischen Thomas Mann und seinem Sohn Klaus Mann in den Jahren 1933 und 1945 beleuchtet. Dabei hält sich der Autor streng an die Fakten, die durch Werk und Tagebücher des Nobelpreisträgers und seinem ebenfalls schreibenden Sohns gut bekannt sind. Aber er fiktionalisiert die Fakten und macht sie dadurch lesbar.
Die Namen der Personen sind abgeändert, Cornelius ist Thomas Mann, Bert ist Klaus Mann, Louis ist Heinrich, Magda Katia, Ingrid Erika und so weiter.
Diese Namen hat Bittel aber nicht frei erfunden , sie basieren auf Thomas Manns autobiographischer Novelle Unordnung und frühes Leid.
Lange hatte ich durch diesen sicherlich erlaubten literarischen Kniff nach einem vermuteten fiktiven, erfundenen Teil gesucht. Das war anstrengend, aber nicht produktiv. Letztlich beschränkt sich die Fiktionalisierung auf die Beschreibungen des Verhaltens der Personen und ihre Empfindungen. Zentral geht es darum, dass Klaus Mann eine Art Verrat von Thomas Mann empfunden hat, als dieser sich anfangs im Kampf gegen die Nationalsozialisten zurückhielt und eine Unterstützung von Klaus Zeitschrift „Die Sendung“ versagte, die sich aus dem Exil gegen den Faschismus wendete. Eine Enttäuschung, die zu Spannungen innerhalb der Familie führte, besonders von Seiten Erika Manns gab es scharfe Kritik an ihren Vater. Als dieser sich endlich gegen Deutschlands Machthaber bekannte, wurde er zum entschiedene, wirkungsvollen Gegner. Klaus Manns Erfolg sowohl mit seiner Zeitschrift als auch der künstlerischen Seite blieb aus.
Auch andere Personen werden verfremdet, zum Beispiel Joseph Roth, der portraitiert wird, aber sein Abbild geht über die üblichen Vorstellungen dieses Autors (KuK, glubschäugig, Trinker) nicht hinaus.
Überhaupt fehlen mir psychologische Erklärungsversuche der Personen. Die Emotionen der Personen werden gezeigt, aber nicht weiter beleuchtet. Bittel wollte das offensichtlich nicht, nur dann frage ich mich, wozu das ganze überhaupt.
Thomas Manns Leben und Werk sowie das seiner Familie sind sehr bekannt. Ich kenne seine und Klaus Manns Romane, Thomas Manns Tagebücher, und natürlich Biografien und Brelauers Filme „Die Manns“. Mir ist nicht ganz klar, wieso Bittel das Bekannte jetzt noch einmal neu darstellen musste, ohne erkennbare neue Elemente anzureichern.
Natürlich gibt es trotzdem viele gute Momente, wenn man in „Eine Art Verrat“ Szenen oder Texte wieder erkennt.
Zum Beispiel im Kapitel Die Lesung, als Thomas Mann bzw. Cornelius eine Lesung aus Joseph und seine Brüder vorbereitet, speziell den Abschnitt Das bunte Kleid, an das ich mich während des Lesens gut erinnern konnte.
Wie schon in Buddenbrooks gibt es auch in diesem Buch detaillierte Beschreibungen von starken Zahnschmerzen. Ein Abschnitt, der die Person Thomas Mann mit dem seiner Figuren (Thomas Buddenbrook) verbindet.
Die vielen Abschnitte mit Bert alias Klaus Mann in den USA, seine Depressionen und Beziehungen waren ebenfalls sehr gut zu lesen.
Hätte Karl Heinz Bittel diesen Roman vor 12 Jahren geschrieben, wäre die Wirkung viel größer gewesen. Ich weiss nicht, wie das Buch auf Leser wirkt, die Thomas Mann nicht kennen, aber warum sollten diese überhaupt interessiert sein.
Mir bleibt das manchmal zweifelhafte Lesevergnügen des Wiedererkennens vieler wichtiger Szenen aus Leben und Werk.
Ich bin also über das Buch hin- und her gerissen, bezweifle aber leider eine große Relevanz des Romans.
Für knapp 8 von 10 Punkten reicht das trotzdem!