Online-Durchsuchungen

  • Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, daß Online-Durchsuchungen unter Auflagen zulässig sind:


    http://www.n-tv.de/925228.html?270220081228


    Wie funktioniert das eigentlich? Es gibt prinzipiell vier Möglichkeiten:


    1. Ermittler dringen (heimlich natürlich) in die Wohnung des/der Verdächtigen ein und manipulieren den Rechner, indem sie irgendeine Spyware installieren.


    2. Auf dem üblichen Weg des Versands von vorgetäuschten Infomails, auf dem sich auch sonst Viren und Trojaner verbreiten, wird ein entsprechender "Nützling" (in diesem Fall wird ja niemandem geschadet, ganz im Gegenteil - angeblich) eingespielt.


    3. Bekannte Schwachstellen der Betriebssysteme werden genutzt, um "Nutzcode" (siehe 3.) zu installieren.


    4. Die Hersteller der Betriebssysteme (in erster Linie Microsoft und Apple) kooperieren mit den Behörden und sorgen dafür, daß es Hintertürchen gibt, die extra für diesen Zweck "geöffnet" werden können.


    Und mit welchem denkbaren Erfolg? Nacheinander:


    1. Wer nicht ganz blöd ist, schützt seinen Computer mehrstufig. Das beginnt beim Boot-Paßwort, geht über das Betriebssystem-Paßwort und endet noch lange nicht bei einer laufzeitverschlüsselten Festplatte. Es dürfte jedem Fahnder durchaus schwerfallen, unter Zeitdruck alle möglichen Verschlüsselungen zu knacken. Tür 1 ist zu.


    2. Man öffnet keine Mails bzw. Mailanhänge, bei denen man nicht weiß, wo sie herkommen. Tür 2 ist auch zu.


    3. Man benutzt Mac OS oder irgendeine Linux-Version. Vor allem von letzterem gibt es so viele unterschiedliche Distributionen, daß keine Ermittlungsbehörde hinterherkommen kann, zudem verbreiten sich hier die Informationen über Schwachstellen sehr viel langsamer - zugleich gibt es sehr viel schneller Abhilfe. Tür 3 ist damit auch zu. Diese Vorgehensweise schließt übrigens auch Tür 1 und 2.


    4. Die Hersteller werden den Teufel tun. Microsoft hat entsprechende Vorschläge bereits abschlägig beschieden. Die Verunsicherung der Kundenbasis wäre zu groß. Tür 4: dicht.


    Generell gilt ja, daß alles, was irgendwo auf irgendeinem Computer läuft, durchaus aufspür- und analysierbar ist, wenn man sich ein bißchen auskennt. Der Pay-TV-Anbieter Premiere kämpft seit Jahren dagegen an, daß jedes neue Verschlüsselungsverfahren innerhalb weniger Tage gehackt wird, woraufhin sich Bauanleitungen und Patches für das Schwarzsehen in Windeseile im Internet verbreiten. Sobald die Bundestrojaner also aufgespürt werden, dürfte in kurzer Frist mit Gegenmaßnahmen zu rechnen sein - es ist ein Hase-und-Igel-Rennen.


    So ärgerlich es also ist, daß neuerdings jeder verdächtig ist, wenn es um den "Krieg gegen den Terror" geht, so wenig aussichtsreich ist es, daß die Behörden auf diesem Weg langfristig tatsächlich Erfolge werden verbuchen können. Und wer sich ohnehin um die Sicherheit seines Computers kümmert, wird auch keine Sorge haben müssen, daß im Hintergrund ein BKA-Trojaner läuft, der alles mitschreibt.


    Anders ist das alles durchaus, wenn es um Mailverkehr geht. Mails sind relativ leicht "abhörbar", wenn man an den richtigen Stellen sitzt.

  • Also prizipiell finde ich es ja in Ordnung, wenn alle Möglichkeiten genutzt werden, um Terroristen auf die Spur zu kommen.


    Aber mit solchen Mitteln hat man eben auch enorme Macht. Und diese wird zwangsläufig meist dazu genutzt, seinen eigenen Vorteil daraus zu ziehen.
    Und es kann leider niemand gewährleisten, daß das nicht geschieht.


    Ich bin nur froh, daß mein Mann sich so gut auskennt und wir dadurch relativ sicher vor sowas sind.


    Es geht da ja auch um andere heikle Sachen, in die man leicht reingeraten kann, obwohl man nichtmal weis, daß man es nicht darf.

  • Hallo, Ximox04.


    Zitat

    Also prizipiell finde ich es ja in Ordnung, wenn alle Möglichkeiten genutzt werden, um Terroristen auf die Spur zu kommen.


    Ich nicht. Zum Beispiel dann nicht, wenn der Verdachtsansatz umgekehrt wird. Normalerweise muß man in Verdacht geraten, um verdächtigt zu werden (das klingt tautologisch, ist es aber nicht), aber bei der Terrorismusbekämpfung scheint mithin der Grundsatz zu gelten, daß alle verdächtig sind. Deshalb gibt es neuerdings die generelle Vorratsdatenspeicherung für Kommunikationsverbindungen, aber auch Dinge wie den biometrischen Paß. Andere werden folgen. Zum Beispiel eine bundesweite Fingerabdrucksdatenbank mit den Daten aller Bürger. Oder eine DNA-Datenbank. Alles wird mit Terrorismus entschuldigt und erklärt. Auch, daß man heutzutage drei Stunden vor Abflug am Airport sein und sich demütigenden Durchsuchungen unterziehen muß. Fraglos dient das irgendwie der Sicherheit, aber wenn man es nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betrachtet, leiden Millionen Menschen darunter, daß einige ganz wenige gewaltbereit sind - in der Hauptsache übrigens anderswo, nicht bei uns. Und totale Sicherheit wird es sowieso nie geben. Klar, in einen Flieger kommt man nicht mehr mit einer Bombe im Gepäck oder einer Waffe im Kulturbeutel. Was wird geschehen, wenn der erste Regionalverkehrsbus, die erste Autobahnbrücke, der erste Tunnel oder der erste Bahnhof in die Luft gejagt wird? Werden wir dann auch drei Stunden vor Abfahrt an der Bushhaltestelle stehen müssen? Was ist mit öffentlichen Parkhäusern, Kaufhäusern, allen möglichen Orten, an denen viele Menschen sind? Die kann man niemals absichern. Die Sicherheit ist nur vorgegaukelt.


    Die Terroristen haben m.E. ihr Kernziel längst erreicht. Die Welt hat sich stark verändert in den letzten sieben Jahren. Zwei entführte Flugzeuge haben ausgereicht, um die ehemaligen Rechtsstaaten der westlichen Welt in paranoide Überwachungsstaaten zu verwandeln.

  • Zitat

    Original von Tom



    Ich nicht. Zum Beispiel dann nicht, wenn der Verdachtsansatz umgekehrt wird. Normalerweise muß man in Verdacht geraten, um verdächtigt zu werden (das klingt tautologisch, ist es aber nicht), aber bei der Terrorismusbekämpfung scheint mithin der Grundsatz zu gelten, daß alle verdächtig sind.


    Das sehe ich, zumindest, was das heutige Urteil betrifft, anders. Der Regelung, wie sie zum jetzigen Zeitpunkt ist, wurde eine klare Absage verpasst.


    Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wurde ausgeweitet, Eingriffe sind nur möglich bei KONKRETEN Anhaltspunkten für eine Gefahr für überragend hohe Rechtsgüter. Außerdem ist ein Richtervorbehalt erforderlich.


    Die heutige Entscheidung kehrt daher nicht den Verdachtsansatz um, sondern stellt hohe Anforderungen.


    Es bleibt zu hoffen, dass diese in der Praxis auch beachtet werden.

  • Danke für die vier geschlossenen Türen. Dem Feld-Wald-Wiesen-Technikdepp als solchem ist so etwas ja nicht klar - ich hätte kotzen können, als ich zunächst gelesen hab, dass auch unsere Verfassungsrichter einknicken.
    Wie es jetzt aussieht, sind Formulierungen wie die "konkrete Gefährdung" "überragend wichtiger Rechtsgüter wie Menschenleben oder Bestand des Staates" zwar schweinemäßig schwammig, mit der notwendigen Zustimmung eines Richters und anderem wurden aber wohl doch einige wichtige Hürden installiert. Es wird dann Missbrauch geben, doch der ist zumindest kontrolliert. Wir sind mittlerweile ja schon für die kleinen Dinge dankbar.


    Ich bin ebenfalls davon überzeugt, dass wir mit Diskussionen rund um "potentielle Gefährder" und die "Verhältnismäßigkeit" von Menschenwürde (WO-ZUM-TEUFEL-SIND-WIR-DENN???) die einzige Waffe aus der Hand geben, die uns langfristig in der Auseinandersetzung mit totalitären Systemen bestehen lässt: Unsere Verfassung. Unsere Rechtsstaatlichkeit.


    Ein drittes JA zu veränderten Welt: Kann sich noch jemand an die weinenden Menschen überall auf der Welt erinnern, als die Türme fielen? An muslimische Führer, die (natürlich medienwirksam aber immerhin) anboten, Blut zu spenden? Der Krieg gegen den Terror hat den Terror in weiten Teilen der Welt salonfähig gemacht. Auch wenn unser Innenminister seinen Job, dieses Land zu schützen, ernst nimmt: Er schadet mehr, als er nützt. Zumindest unsere Verfassungsrichter sollten es besser wissen.

  • Jemand, der seine Daten sicher sehen will, hat sie normalerweise auf einem PC, der nicht an das www angeschlossen ist. Allein der Schaden, der mit Wirtschaftsspionage entstehen könnte... ich sage nur Liechtenstein und der Zugang zu sensiblen Datenpaketen oder chinesische Plagiatsindustrie.

  • Zitat

    Original von Tom


    Ich nicht. Zum Beispiel dann nicht, wenn der Verdachtsansatz umgekehrt wird. Normalerweise muß man in Verdacht geraten, um verdächtigt zu werden (das klingt tautologisch, ist es aber nicht), aber bei der Terrorismusbekämpfung scheint mithin der Grundsatz zu gelten, daß alle verdächtig sind. (...)


    :write Ich bin da deiner Meinung. Mich erschreckt es zunehmend, dass nicht der Staat in Form einer Anklage bzw. Untersuchung beweisen muss, dass ich mich schuldig gemacht habe, sondern dass ich beweisen muss, dass ich unschuldig bin.


    Die Vergangenheit hat doch gezeigt, dass es keine Absolute Sicherheit geben kann und geben wird. Es hat sich auch gezeigt, dass mutmaßliche Terroristen andere Mittel und Wege aufsuchen, wenn sie wirklich unerkannt Straftaten planen und diese auch ausführen möchten.

  • Danke für die Tipps für den heimischen PC. :-)


    Letzten Endes ist es eine subjektive Sicherheit, die den Bürgern vorgegaukelt wird. Dafür wird tatsächlich anscheinend inzwischen jeder Bürger unter Generalverdacht gestellt wird. Neulich war doch auch im Spiegel (?) zu lesen, wie vorschnell Durchsuchungsgenehmigungen für Privatwohnungen erteilt werden.


    Dieser Aktionismus erinnert mich an die Szene in "Antonio im Wunderland" von Jan Weiler, als der Vater und sein Freund auf dem Fragebogen im Flieger in die USA alles mit "Ja" ankreuzen. Als ob ein Terrorist dort ankreuzen würde, dass er einen terroristischen Anschlag plant. :rolleyes Als ob Terroranschläge verhindert würden, weil Passagiere alle Flüssigkeiten und Cremes nur noch in durchsichtigen und wiederverschließbaren Plastiktüten mitnehmen dürfen.


    Durch Handy, Mautbrücken und Kreditkartendaten ist der Bürger ohnehin schon sehr gläsern geworden. Hinzu kommt dann die Vorratsdatenspeicherung und der Zugriff der Behörden auf die Bankdaten. Am erschreckensten finde ich jedoch die weit verbreitete Einstellung "Das macht nichts. Ich habe schließlich nichts zu verbergen."


    Ironisch ist auch, dass die vier Flugzeugentführungen am 11. September mit den jetzigen Sicherheitsmaßnahmen auch nicht verhindert worden wären. :rolleyes Viele der von den USA hier vorgeschriebenen "Sicherheits"maßnahmen werden in den USA selbst nicht umgesetzt.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

  • Zitat

    Am erschreckensten finde ich jedoch die weit verbreitete Einstellung "Das macht nichts. Ich habe schließlich nichts zu verbergen."


    Erschreckend finde ich das nicht. Was hat man denn heutzutage noch für eine Wahl?
    Selbst wenn man sein Geld zuhause bunkert und nirgends seine Daten hinterläßt, wird alles irgendwo gespeichert. Es geht nicht mehr ohne Konto. Und das allein reicht schon, um das wichtigste über einen Menschen herrauszubekommen.


    Klar wird einem Sicherheit größtenteils nur vorgegaukelt. Aber mal ehrlich:


    WAS WÜRDET IHR TUN UM SICHERHEIT ZU GEWÄHLEISTEN?


    Man kann nichts anderes tun, als alles zu versuchen.
    Daß es viele Menschen gibt, die das ausnutzen, ist klar. Aber auch das kann man einfach nicht verhindern.


    Klingt jetzt sicher alles nach verharmlosung. Aber so sehe ich das.

  • Nur mal so in den Raum geschmissen, wovor hat der Normalbürger denn eigentlich Angst?
    Daß ein paar Agenten sich die Urlaubsfotos runterladen und sich über die schreckliche Figur scheckig lachen oder sich die Steuererklärungen der letzten 10 Jahre angucken und über die darin enthaltenen Rechtschreibfehler lachen?
    Oder gar die heimlichen Liebesbriefe auf dem Rechner des Delinquenten lesen?
    Ja, genau das werden sie tun, die haben nämlich sonst schon nicht genug zu tun....


    *verschwindet kichernd und unruhestiftend wieder aus dem Fred*

  • BJ trifft zugespitzt das Problem. Es ist nämlich nicht richtig, dass mit den jetz gesammelten und zu sammelnden Daten der Anschlag auf die Türme hätte nicht verhindert werden können - im Gegenteil, mit den weniger bereits vorhandenen Daten wäre der Anschlag verhinderbar gewesen- aber das Auswerten der Daten bei der Datenflut, die täglich einkommt ist schlicht nicht möglich. Wenn man (nach einem Anschlag) nach dem sucht, was man dann weiß findet man und kann dann versuchen über gespeicherte Daten an Hintermänner und Nebenfiguren oder gar Parallelltäter zu kommen (siehe Djerbaanschlag und Telefonverbindungen)- Anschläge verhindern ist viel, viel schwieriger, da man zwar rastern kann, aber im vorhinein sucht man wie ein Blinder in der Blindenbibliothek nach dem richtigen Wort im falsch abgestellten Buch.

  • Zitat

    Original von Wiggli


    :write Ich bin da deiner Meinung. Mich erschreckt es zunehmend, dass nicht der Staat in Form einer Anklage bzw. Untersuchung beweisen muss, dass ich mich schuldig gemacht habe, sondern dass ich beweisen muss, dass ich unschuldig bin.


    Tom, als Schöffe siehst du das auch so?


  • Ich würde nicht meine Freiheit und mein Recht auf Privatsphäre opfern.
    Ich lebe in einem Rechtsstaat, in einer Demokratie und ich möchte nicht bespitzelt und überwacht werden - für eine vermeintliche Sicherheit.


    Im Namen der Sicherheit wurden in den USA in den letzten Jahren schon so manche Grundrechte verbrannt - das sind Verhältnisse, die möchte ich nicht erleben.
    Ich möchte nicht von den Buchhändlern freundlich gebeten werden, das regierungskritische Buch, was ich kaufe, doch besser bar zu zahlen, weil die Kreditkartendaten samt meiner politischen Einstellung den Behörden zur Verfügung gestellt werden müssen.
    Ich möchte nicht, weil ich an einer Demonstration teilnehme, registriert werden, um auf den schwarzen Listen der Fluggesellschaften zu landen, die mir Inlandsflüge verbietet.
    Ich möchte nicht, daß ich nachdem ich mich kritisch auf einem Diskussionsforum geäußert habe, ich Besuch von staatlichen Aufpassern bekomme, die mich und meine Familie und mein Umfeld auf mögliche terroristische Aktivitäten abklopfen und damit dafür sorgen, daß ich meinen Job verliere.
    Das sind die Auswüchse, die es in den USA angenommen hat.
    Noch ist es nicht soweit, aber wer sagt, denn, daß es uns auch mal trifft.
    Natürlich alles nur zu unserem besten, im Namen unserer Sicherheit.
    Und auf dem Altar der Sicherheit opfern wir dann unser Recht auf freie Meinungsäußerung, auf politische Beteiligung und Privatsphäre?
    Nein danke!

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Muss man sich Sorgen machen?
    Nein, natürlich nicht – aber man sollte!


    Das heimliche Ausspähen der Computerfestplatte ist dann erlaubt, und nun lasse man sich den Leitsatz des BVerfG mal so richtig auf der Zunge zergehen, „…wenn tatsächlich Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen“. Von „tatsächlichen Anhaltspunkten“ wird gesprochen. Normalerweise reicht da schon ein wenig mehr als ein normaler Anfangsverdacht aus und die zuständigen Amtsgerichte werden die entsprechenden Durchsuchungsbeschlüsse sehr schnell ausstellen. Da schert sich niemand mehr um die vom BVerfG festgelegte Höhe der Latte. Nebenbei gefragt: Nimmt dieses Gericht eigentlich noch jemand wirklich ernst?


    Es geht nicht um das Ausforschen irgendwelcher peinlicher Urlaubsfotos. Ob es nicht aber auch um Betrügereien in Bezug auf die Steuerpflicht geht, das kann nicht so schlankweg verneint werden. Wenn man schon einmal dabei ist, die Festplatte zu durchsuchen, dann kann man ja auch schon mal ein wenig nach rechts und links schauen, man muss sich ja nun nicht sklavisch am Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses orientieren. Es geht auch nicht darum, diese Daten sofort zu verwerten, aber sie in der Hinterhand zu haben ist schon mal kein schlechtes Gefühl und irgendwann werden sie dann unter Garantie auf die eine oder andere Art gegen den Festplatteneigentümer verwendet. Man erinnere sich nur an die Datensammelwut während der Baader-Meinhof-Hysterie in den Siebzigern. Hatte man da sein Auto nur irgendwo im Umfeld einer „konspirativen“ Wohnung abgestellt, dann konnte es schon passieren, dass man zum Referendariat als Lehrer nicht zugelassen wurde und oftmals gar nicht wusste warum man denn nicht zugelassen wurde. Niemand sei bitte so naiv und sehe im „Staat“ nur das Gute. Nur der „Staat“ hat halt die Möglichkeit seinen Grausamkeiten ein rechtsstaatliches Mäntelchen umzuhängen. Und zu sagen der „Staat“ wären doch wir alle, ist für mich eine totale Verkennung der Realität. Es mag theoretisch so sein, in der Praxis ist eine solche Feststellung wohl kaum noch haltbar.


    Mit diesem Urteil haben die Sicherheitsbehörden in diesem Land einen weiteren, einen ziemlich großen Fuß, in die Tür bekommen. Unsere Grundrechte werden nach und nach weiter fleißig ausgehöhlt; alles passiert natürlich unter dem Deckmantel der „Sicherheit für den Bürger“. Und das es ausschließlich um die Sicherheit der Bürger geht, dieses wurde uns ausgerechnet von der Herrn Schäuble erläutert, dem Erfinder der Krokodilstränen. Gerade Schäuble steht doch in seinem Denken einem Carl Schmitt näher als den liberalen Grundsätzen unserer Freiheits- und Gleichheitsrechte.


    Irgendwann werden wir uns rechtfertigen müssen:


    - warum wir diese oder jene Bücherliste auf unserem PC gespeichert haben, befinden sich unter den aufgelisteten Titeln doch auch eine Reihe von Bücher mit sicherheitsgefährdendem Inhalt,


    - warum wir Urlaub in Tunesien gemacht haben oder machen wollten; sind da vielleicht sogar Aufenthalte in Terror-Ausbildungslagern geplant,


    - warum wir die schon geschriebenen Abo-Kündigungen für die TAZ und die Frankfurter Rundschau immer noch nicht abgeschickt haben,


    - warum wir uns in unserem Briefentwurf an unseren Wahlkreisabgeordneten dermaßen penetrant auf das Grundgesetz berufen.




    Fast könnte man meinen, die Große Koalition hat Schlimmes mit uns vor. War es doch die Große Koalition unter Kiesinger/Brandt, die uns 1968 die Notstandsgesetze bescherten, ein Damoklesschwert über unseren Köpfen, waren es doch die Sozialdemokraten und die Liberalen die 1972 den sogenannten „Radikalenerlass“ verbrochen haben und der Gesinnungsschnüffelei Tür und Tor öffneten. Sozialdemokraten und Liberale, das geht so irgendwie nicht richtig in den Kopf rein.


    Und jetzt ist es wieder eine Große Koalition die den Bürger ausforscht, die auf „Big Brother“ macht, nicht plump, nein ganz im Gegenteil, die sich für das Ausforschen ihrer Bürgern auch von denen noch Lob und Anerkennung holt die man gemeinhin als Opfer bezeichnen könnte; die Opfer huldigen ihren Tätern.


    „Ich hab ja nichts zu verbergen!“
    Einer der dümmsten Sprüche, eine der dümmsten Redensarten. Es geht nicht darum, das man ehrlich durchs Leben geht, es geht darum, das manche Dinge aus dem Zusammenhang gerissen, wie ein schlimmer Bumerang wirken. Ein Romanfragment beispielsweise, als solches von den Ermittlern nicht erkannt, kann schnell als ein terroristisches Manifest gewertet werden, mit unabsehbaren Folgen für den Verfasser. Wer glaube denn schon einem potentiellen Terroristen? Wo Rauch ist……..


    Man sollte sich schon Sorgen machen. Vielleicht ist jetzt aber auch die Zeit gekommen, wo man zu der Erkenntnis kommt, dass man dieses Land ganz einfach nicht mehr der Politikerkaste überlassen darf, dass man sich einmischt, dass man den Leuten, die uns regieren einfach mal ganz genau auf die Finger schaut, das man Transparenz fordert. Was nützt uns ein Grundgesetz, dass löchrig wie ein Schweizer Käse ist und das sich nicht allein gegen seine Vergewaltigung wehren kann und das immer noch klebrig vom Sperma seiner letzten Vergewaltigung ist.


    Denn über eines sollte wir uns wirklich im Klaren sein: Die Leute, die es wirklich angeht, und wo wirklich ein begründeter Tatverdacht besteht, gerade die werden es sein, die sich optimal gegen diese Trojaner zu schützen wissen.


    Der Satz von Heinrich Heine ist aktueller denn je: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.“ (Ist doch von Heine….?)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Der Satz ist von Heine geschreiben im Exil und beschreibt sein Heimweh- nicht mehr und nicht weniger- eines der häufigsten Falschzitate, nach "leck mich am", dass ja bekanntlich richtig "im" heißt.


    Das das Bundesverfassungsgericht niemand ernst nimmt, da stehst du mit deiner Meinung- glücklicherweise- doch recht alleine da. Nicht zuletzt wegen einer Entscheidung des BVerfG ermittelt die Staatsanwaltschaft Naumburg gegen einen ganzen Senat des Oberlandesgerichts wegen Rechtsbeugung, viele Entscheidungen dieses Gerichts haen vielen menschen geholfen.


    Das aber die Entscheidung die Menschen mehr beruhigt, als es sollte, da gebe ich dir recht. Jeder clevere Statsanwalt kennt seine Ermittlungsrichter und weiß genau zu welcher Uhrzeit an welchem Tag er mal eben schnell einen Durchsuchungsbeschluß/Telefonüberwachung oder Haftbefehl eigentlich wackeligen Hintergundes unterschrieben bekommt und welcher Richter diese Akte möglichst nicht auf den Tisch bekommt- aber die liebe Familienrichterin, die am Sonntag Dienst als Ermittlungsrichterin schiebt- wenn die Terror liest, Gefahr von tausenden Toten, da denkt die doch nicht daran erst einen StPO - Kommentar zu holen, da verlässt die sich auf den Sachverstand der Staatsanwaltschaft und zückt den Füller ohne Skrupel und ohne blasse Ahnung was sie da tut.

  • Moin!


    Von der technischen Seite sehe ich das so wie Tom. Von daher entlockt mir das höchstens ein müdes Gähnen als einen Panikanfall.
    Letzteres ist imho die Absicht der Politik. Buhuhu, die Regierung ist im Cyberzeitalter angekommen und macht nun Hightec-Hunting auf die Terrorboys. Klasse...


    Und vor lauter Säbelrasseln hat ne Weile niemand bemerkt, daß (nur als Beispiel) die Chinesen von hinten durch die Brust ins Auge einfach mal gemacht haben, wo die Deutschen mal wieder nur Sprüche klopfen. Böser Trojaner :lache


    WIe gesagt, laßt euch doch nicht verrückt machen.

  • @ Voltaire:


    Zitat

    Nebenbei gefragt: Nimmt dieses Gericht eigentlich noch jemand wirklich ernst?


    Wenn Du gestern Abend Herrn Schäuble und Frau Zypries in den Nachrichten gehörst hättest, dann wäre diese Frage obsolet.


    @ Inso:


    Zitat

    Von der technischen Seite sehe ich das so wie Tom. Von daher entlockt mir das höchstens ein müdes Gähnen als einen Panikanfall.


    Sehe ich nicht ganz so locker. Da die Deutschen einen Hang dazu haben, amerikanischen "Fortschritt" zu kopieren, könnte auch in zwar nicht kürzester Zeit , aber in baldiger Ferne die IT unserer Untersuchungsbehörden aufgestockt werden. Ich verweise nur mal auf das Beispiel NSA, laut Wikipedia zurzeit 38.000 Mitarbeiter. Vor Jahren habe ich mal einen Artikel gelesen, in dem die NSA geschätzte 50.000 Mathematiker/Informatiker angestellt hat. Und womit die sich beschäftigen, möchte ich lieber nicht wissen. Und ein Experte wird über ein auf dem heimischen Rechner installiertes Linux-System wahrscheinlich auch müde lächeln.


    Oder erinnern wir uns mal an den "Unfall" mit der Überlieferung von Kontodaten dank Swift.
    Oops, da sind einfach mal Kontodaten u.a. auch von europäischen Privatpersonen an die amerikanischen Schnüffler übermittelt worden. Aber dank SEPA wird alles besser werden.


    Oder hat sich mal jemand Gedanken darüber gemacht, warum VISA bei Kreditkartenmissbrauch mal fix die Karte sperrt, wenn sie in den Staaten eingesetzt wurde, obwohl man in Deutschland verweilte? Habt ihr alle bei der Einreise in die Staaten zugestimmt, dass die Behörden Eure Einreise an das Kreditkartenunternehmen übermittelt?


    Nein, ich will diese Schnüffelei nicht. Meine Daten gehören mir und in Zukunft werde ich noch vorsichtiger im Umgang mit meinen Daten sein.

  • Ich habe mir eben bei JURIS den vollständigen Leitsatz des gestrigen Urteils des BVerfG (1 BvR 370/07) einmal ausgedrückt.


    In Nummer 2 Satz 3 dieses Leitsatzes ist zu lesen:


    "Die Maßnahme kann schon dann gerechtfertigt sein, wenn sich noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass die Gefahr in näherer Zukunft eintritt, sofern bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall durch bestimmte Personen drohende Gefahr für das überragend wichtige Rechtsgut hinweisen."


    Klingt für mich wie ein Freibrief zur Durchsuchung und wird wohl auch so in die bevorstehende Gesetzgebung einfließen. Der Vorbehalt der richterlichen Anordnung bezüglich der Onlinedurchsuchung hat für mich lediglich kosmetischen Charakter, wird dadurch, jetzt etwas überspitzt formuliert, eine Rechtsstaatlichkeit vorgegaukelt, die schon längst ihre Unschuld verloren hat.


    Salonlöwin
    Habe die Interviews mit Schäuble und Zypries leider nicht gesehen. Allerdings habe ich bei den Beiden immer das Gefühl das sie ihr Ding durchziehen werden, egal ob da nun ein Bundesverfassungsgericht etwas gesagt hat oder nicht.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • @ Voltaire:


    Zitat

    Habe die Interviews mit Schäuble und Zypries leider nicht gesehen. Allerdings habe ich bei den Beiden immer das Gefühl das sie ihr Ding durchziehen werden, egal ob da nun ein Bundesverfassungsgericht etwas gesagt hat oder nicht.


    Darauf lief es hinaus. Mal sehen, was die große Koalition flickschustert und wie dann das oberste Gericht entscheidet.