'Die Kosakenbraut' - Seiten 373 - Ende

  • Zum Ende des Buches möchte ich mich noch nicht äußern, aber zur "Andrej-Diskussion" schon mal etwas sagen.
    Während des Schreibens - und zudem als unerfahrene Autorin - war ich irritiert darüber, dass Andrej von meinen Probeleserinnen so ganz anders empfunden wurde als von mir. Mittlerweile kann ich es eher als Gewinn ansehen, dass Figuren so unterschiedlich interpretiert werden dürfen.


    Zitat

    Original von Bouquineur Das wiederum habe ich ganz anders empfunden, zumindest was Andrej angeht. Ich fand ihn weder blass noch schwach, ganz im Gegenteil. Er hat nicht diese Dominanz wie Eljas Vater, das mag wohl sein. Aber er zeigt Stärke in seinen Schwächen und ich hatte nie das Gefühl, dass er Elja nicht das Wasser reichen kann. Wäre er schwach, würde er wohl kaum als Ataman akzeptiert. Er ist stark auf eine bescheidene Art. Ich habe ihn als eine unheimlich männliche Präsenz empfunden.


    Und genau so habe ich ihn immer empfunden.
    Ich habe nochmal nachgedacht, und mir ist aufgefallen, dass ich ihn in seinen "starken" Momenten selten gezeigt habe. Da müssen die Leser sich ganz und gar auf die kluge Olena verlassen, die ihn von Anfang an "richtig" eingeschätzt hat (zumindest aus meiner Sicht ;-)). Sie beschreibt ihn als absolut zuverlässig, sie ist später von seinen Fähigkeiten als Ataman überzeugt, und sie weiß - lange vor Elja - dass er auch als Mann anziehend sein kann. Ich hab ihr das einfach immer abgenommen... ;-)

  • Bin duhurch! Was für ein ungewöhnliches, aufregendes, überraschendes, raffiniert durchdachtes Buch - so vieles erschließt sich erst beim Weiterlesen, wie der Schluss mit der Nennung Roxandas. Eine klare, schöne Sprache (allein solche Sätze wie der mit dem Sandkorn - wenn "ukrainisches Utopia" nicht zum Kauf reizt, dann doch spätestens dieser ;-)), vielschichtige Charaktere, farbiges Setting. Mein Favorit ganz klar Andrej, auch wenn er sich ständig dagegen sperrte, einen ganz nah an sich ranzulassen. Stimmt, den sollte Elja wirklich anbinden. Nein, blass ist er nicht. Da will ich mich rundum Bouquineur anschließen. Am meisten erstaunt hat mich aber die Darstellung Ruriks, absolute Skrupellosigkeit gepaart mit einer Präsenz, fast schon Charme, die jeden in seinen Bann zwingt. Und dann endet so einer als Irrer, der wie ein Kind mit Puppenhäusern spielt.



    Zitat

    Original von Katerina
    Es ist für mich sehr wichtig zu erfahren, ob Leser eher mit dem psychologischen oder eher mit dem fantastischen Aspekt in diesem Roman Probleme haben.


    Eigentlich mag ich übernatürliche Elemente in einem historischen Roman ja nicht, Könnte aber auch daran liegen, dass sie oft sich ähneln: Weise Frauen, die in die Zukunft sehen, Visionen haben, heilende Hände und Ähnliches. Das hier war etwas ganz anderes und in sich schlüssig, auch wenn manche Entwicklungen, wie das bewusste In-den-Schlaf-versetzen, an mir vorbeigelaufen sind. Lag aber an mir.


    Was meinst du mit dem psychologischen Aspekt? Die vielen Innensichten und Gedankengänge? Das hemmte in der Häufung anfangs tatsächlich etwas meinen Lesefluss, gab sich aber mit der Zeit.

  • Zitat

    Original von SabineW
    Am meisten erstaunt hat mich aber die Darstellung Ruriks, absolute Skrupellosigkeit gepaart mit einer Präsenz, fast schon Charme, die jeden in seinen Bann zwingt. Und dann endet so einer als Irrer, der wie ein Kind mit Puppenhäusern spielt.
    [


    Das ist das Zauberwort.
    Rurik ist in meinen Augen charismatisch.
    Andrej nicht.


    Das trifft es viel mehr als Staerke.
    Rurik war fuer mich die faszinierendste Figur im ganzen Buch, ich gebe zu, ich fand ihn hinreissend, und das Ende, das Katerina ihm wie dem Roman geschrieben hat, hat mich in seiner Konsequenz, seiner Originalitaet, seiner herben Schoenheit sehr beruehrt.


    Alles Liebe von Charlie

  • Ich fand Andrej sehr charismatisch. Aber, zugegeben, das eher zu Anfang. Der Eindruck wirkte aber nachhaltig genug, um ihn später nicht zu verlieren, als er vor allem der Gedemütigte war, der auf Eljas Hilfe angewiesen war.

  • Schon spannend, wie unterschiedlich die Leser die einzelnen Figuren aufnehmen und erleben.


    Rurik war für mich irgendwie nicht greifbar. Den hab ich immer aus einer entfernten Perspektive gesehen und mich auch nicht wirklich mit ihm beschäftigt. Für mich war das eher eine Figur ohne wirkliche Tiefe.


    Andrej hingegen hat mich durch den ganzen Sonntag begleitet. Beim Duschen, beim Kaffeekochen. Konnte einfach nicht aufhören, micht dem Kerl zu beschäftigen :lache

  • Zitat

    Original von Katerina
    Es ist für mich sehr wichtig zu erfahren, ob Leser eher mit dem psychologischen oder eher mit dem fantastischen Aspekt in diesem Roman Probleme haben.


    Weder noch. Ich finde, die Mischung hat genau gestimmt. Wenn ich sagen müsste, was ich lieber mochte, dann war es der psychologische Aspekt. Ich liebe kontroverse Protagonisten, die vielschichtig angelegt sind. Ich habe eindeutig einen Hang zu schwierigen Typen ;-)

  • Zitat

    Original von SabineW
    Ich fand Andrej sehr charismatisch. Aber, zugegeben, das eher zu Anfang. Der Eindruck wirkte aber nachhaltig genug, um ihn später nicht zu verlieren, als er vor allem der Gedemütigte war, der auf Eljas Hilfe angewiesen war.


    Ich finde nicht, dass eine Demuetigung das Charisma notwendigerweise zerstoert. Ich finde Rurik noch am Ende charismatisch und den Zauber, den er auf Elja ausuebt, spuerbar.
    Aber ich hoere jetzt mal auf. Ich ticke in der Hinsicht wohl einfach nicht richtig.


    Gruesse von Charlie

  • Sabine hatte in einem früheren Thread gefragt:

    Zitat

    Original von SabineW
    Typisch kosakisch erschien es mir, Delinquenten in enge Räume einzusperren. War das so, oder war die Häufung Zufall?


    Das ist Zufall. Die kosakische Hinrichtungsart habe ich erst entdeckt, nachdem ich den Jungen Andrej in den Schrank gesperrt hatte. Alles, was ihm danach zustößt, ergibt sich aus Ruriks Sadismus, der darin besteht, Andrej sein Trauma wiederholen zu lassen. Sei es, indem er ihn genau dorthin zurückbringt, wo er ihn errettet hat, sei es, dass er ihn danach wiederum in eine Situation bringt (Pulverkammer), die ihn daran erinnern muss. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass bei der Pulverkammergeschichte für Rurik unbewusst die Strafe für Mörder mit hineinspielt, schließlich war Andrej lange Zeit "sein" Mörder.

  • Zitat

    Original von SabineW
    Wieso gabs eigentlich kein Glossar? Ich hab das sehr vermisst.


    Ich denke, beim Nächsten sollte es eins geben.
    Das wurde zwischen dem Verlag und mir immer wieder diskutiert, ich hatte auch eins erstellt. Beide Seiten waren sich aber nicht hundertprozentig sicher, ob es unbedingt sein muss oder nicht. Als der Verlag sich dann für "muss nicht sein" entschied, habe ich deshalb auch nicht protestiert. Jetzt, mit etwas Abstand, kann ich sehen, dass es vielleicht nicht schlecht gwesen wäre, wenn ich auch versucht habe, das meiste im Text zu erklären.

  • Zitat

    Original von CharlieAber ich hoere jetzt mal auf. Ich ticke in der Hinsicht wohl einfach nicht richtig.


    Nein! Bitte nicht aufhören! Hast Du es denn nicht geschätzt, dass Deine Figuren so unterschiedliche Einschätzungen und Allianzen (ich erinnere nur an Bole und Anton) zuließen?


    Ich tue mich schwer, meine Lieblingsfiguren in der Kosakenbraut zu benennen.
    Für mich sind es auch eher die beiden Männer als Elja. Elja hat - bis zum Schluss - obwohl sie so wahrhaftig und sympathisch ist, immer etwas von der verwöhnten Prinzessin, die sie als Kind ja war (wenn sie auch durch Rurik eine Art von Missbrauch erlebt hat, indem er sie ihrer Mutter entfremdete).
    Das war auch (u.a.) der Grund, warum Andrej vor Asow noch einmal entführt werden musste. Ich hatte den Eindruck, Elja hat noch nicht genug gelitten. Sie musste noch einmal büßen dafür, dass sie ihn einst im Stich gelassen und des Mordes an Nazar verdächtigt hatte.

  • Zitat

    Original von Katerina
    [ Hast Du es denn nicht geschätzt, dass Deine Figuren so unterschiedliche Einschätzungen und Allianzen (ich erinnere nur an Bole und Anton) zuließen?


    .


    Muss ich die Frage beantworten?


    Zu dem andern, das Du mir ja schon einmal erzaehlt hattest, muss ich Dich - so leid es mir tut - zur herz- und mitleidlosen Autorin erklaeren. Wieso Du der armen Elja veruebelst, dass sie Andrej und Rurik verlaesst, werde ich nie begreifen. In meinen Augen tut sie etwas sehr Erwachsenes (und dafuer mag ich sie sehr und mag auch Nazar, aber Andrej nicht so gern, weil ich ihn in seinen Handlungen unerwachsen finde) und sehr Gesundes, sie erkennt naemlich, dass diese Haendel, die die Maenner austragen, zwar ueber ihrem Kopf (und dem des Kindes) stattfinden, mit ihr aber nichts zu tun haben. Sie laesst sich nicht involvieren, sondern geht. Das imponiert mir. Und ich finde, es ist mehr als ihr Recht. Ihren Arbeitgeber zu heiraten, ist - fuer eine Frau ihrer Kultur und Epoche - auch ausgesprochen klug und gesund. Sie hat eine gute Wahl getroffen, fuer sich und ihr Kind.
    Und dafuer bist Du gemein zu ihr ...


    Literaturkritik ist das zwar nicht gerade ..., aber gemein biste trotzdem.


    Alles Liebe von Charlie

  • Ach und noch eine Frage: Wieso sollte sie ihn des Mordes an Nazar denn nicht verdaechtigen?
    Er toetet mit lockerer Hand. Ich hab's ihm auch zugetraut (und gerade das gefaellt mir sehr - dass ich das fuer moeglich hielt. Es ist kein Spellbound-Effekt, sondern ein echtes Dilemma, in das Du Elja stuerzt. Dass sie ihn verdaechtigt, liegt ganz sicher nicht an IHRER Unfaehigkeit zu vertrauen, denn woraus soll dieses Vertrauen denn erwachsen? Andrej hat ihr dazu keinen Grund gegeben.)


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Bouquineur


    Was kann man von jemanden erwarten, der das Judasgift als hochgeistig und komplex bezeichnet? :chen


    Wenn ich seine Rezis lese habe ich des Öfteren das Gefühl, ein ganz anderes Buch als er gelesen zu haben.


    :grin :write ...und "Das Sakrament" als psychologisches Werk einschätzt :grin


  • Rurik ist eine Führungsnatur rein aus seiner Persönlichkeit heraus (Charisma, eine gewisse Souveränität). Elja hat das auch. Andrej muß sich die Akzeptanz seines Führungsanspruchs erarbeiten.


    Diese Führungsnatur (braucht Charisma, Charisma kann natürlich aber auch in eine anderer Richtung gehen) verliert sich auch nie - selbst wenn jemand abgesetzt, gedemütigt, o.ä. wird. Sie ist da oder eben nicht.

  • Ja!
    Das ist Katerina ueberhaupt hervorragend gelungen: Elja als Tochter ihres Vaters darzustellen. Man glaubt das sofort. Und dieser Konflikt, der Kampf gegen Rurik, der zu gewaltigen Teilen ein Kampf gegen sich selbst ist, bringt enorme Spannung in den Roman.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Katerina
    Das ist Zufall.


    Ich hatte da auch die "kleine Hütte" im Kopf. Hab aber grad nochmal nachgesehen, so winzig kann die nicht gewesen sein, die war für mehrere Leute gedacht. Dass Elja allein darin sitzt, hat mich ins Bockshorn gejagt.