2. Band der Fortune de France Reihe
[Serienübersicht]
OT: En nos vertes années
Kurzbeschreibung:
Der junge Pierre de Siorac ist auf dem Weg in die Universitätsstadt Montpellier, um Medizin zu studieren. Es ist der Sommer 1566 und die Bartholo-mäusnacht noch weit. Doch der Bürgerkrieg zwischen Katholiken und Protestanten schwelt schon seit Jahren. Der Heißsporn Pierre braucht alle seine Waffen - Degen wie Pistole, Edelmut ebenso wie List und nicht zuletzt seinen unwiderstehlichen Charme, um in diesen gefährlichen Zeiten am Leben zu bleiben.
Über den Autor:
Robert Merle (1908-2004), als junger Mann berühmt geworden durch seine Romane »Der Tod ist mein Beruf« und »Die geschützten Männer«, hat mit der in den Jahren 1977 bis 2003 entstandenen 13-bändigen Romanfolge »Fortune de France« sein bedeutendstes literarisches Werk vorgelegt.
Rezensionen über Merles Bücher auf der Büchereule
Eigene Meinung:
Mit 15 Jahren verlassen Pierre, sein Halbbruder Samson und ihr Diener Miroul die väterliche Baronie, um in Montpellier ihre Studien aufzunehmen. In den ungewissen Zeiten der schwellenden Konflikte zwischen den Konfessionen begeben sie sich über unsichere Straßen in die Universitätsstadt, wo sie bei einem maranischen Apotheker Unterkunft beziehen.
Im zweiten Teil der „Memoiren“ Pierre de Sioracs findet ein Perspektivenwechsel statt. War der erste Teil seiner Kindheit und Jugend noch in weiten Teilen eine Wiedergabe von selbst erzählt bekommenen, so bekommen wir die Geschichte nun allein aus dem Blickwinkel der Hauptperson geschildert.
Der väterlichen Aufsicht entwachsen, erleben wir das unterschiedliche Brüderpaar. Pierre, draufgängerischer Schürzenjäger. Samson, der tugendhafte Schöne. Beide mit der klugen Unterstützung ihres Dieners Miroul.
Die Entwicklung dieses „Gespanns“ führt Merle geschickt und klug voran. Die beiden Brüder ergänzen sich gut auf ihren Abenteuern nach und in Montpellier.
Robert Merle gelingt es erneut ein Gemälde der Zeit zu zeichnen, das Seinesgleichen sucht. Er baut seine Szenen sehr sorgfältig auf und vermittelt darin ein Gefühl für die Zeit, ohne das es erzwungen wirkt. Dabei wird politisch, dass bereits den ersten Band stark beeinflussende Thema, des Glaubensstreites eindrucksvoll gezeigt. Sehr subtil wird dabei ein Bild des brüchigen Zusammenlebens von Katholiken, Hugenotten und Juden geschildert. Aber auch die außenpolitische Dimension rund um Katharina de Medici beispielsweise wird anschaulich dargestellt. Leicht und locker werden zudem komplexe Themen wie die Schlacht um Calais eingearbeitet und wunderbar erklärt. Dabei verschmilzt die persönliche Geschichte unserer Helden mit der allgemeinen Zeit zu einem homogenen Ganzen. Die politische, soziale und gesellschaftliche Entwicklung Frankreichs wird umfassend greifbar.
Sehr gut gefallen hat mir auch, wie Robert Merle das Innenleben einer Universität zeigt. Wie wird man überhaupt an einer Universität angenommen? Wie findet der Universitätsbetrieb statt? Welche neuen Ideen brechen im 16. Jh. auf?
Auch unsere Helden – denen wir in Höhen und tiefe Abgründe folgen dürfen – werden äußerst plastisch geschildert. Einerseits haben wir Pierre de Siorac, der sich selbst und Personen aus seinem Umfeld schildert. Aber wo schönt er die Geschichte vielleicht etwas? Wo prahlt er gar zu viel von seinen Heldentaten und wo leckt er sich gar zu selbstmitleidig seine Wunden? Gerade diese Interpretationsspielräume lassen dem Leser seine eigene Deutung offen. Es ist wohltuend, dass Robert Merle nicht alles bis ins letzte Detail vorkaut, sondern oftmals mit Andeutungen auskommt und vor dem Auge des Lesers ein eigenes Bild entstehen lässt.
Sprachlich handelt es sich bei diesen Büchern um eine etwas anspruchsvollere Reihe. Im Thread zum ersten Band wurde das bereits ausführlicher angesprochen. Robert Merle schafft es oft eine altertümlich klingende Wortmelodie zu verwenden. Viele längere Sätze kommen vor, allerdings ist man nach einer kurzen Eingewöhnungsphase in diesen Stil bald derart von der Geschichte gefesselt, dass es sich sehr flüssig und locker liest.
Merle lässt seine Personen auch immer wieder lateinische Sätze und Zitate verwenden, die in einer Fußnote auf der gleichen Seite übersetzt werden.
Ich freu mich schon auf den nächsten Teil der Siorac’schen Memoiren. Für mich zählt diese Reihe zu einer der Besten im Bereich des historischen Roman, die einem anschaulich die Geschichte Frankreichs näher bringt. Ich vergebe 10 Punkte.
Anm.: Die verlinkte Ausgabe ist eine günstigere Sonderausgabe. Hier findet sich die normale TB Ausgabe (10 €).