Vialla und Romaro von Lilli Thal (ab ca.14)

  • Beschreibung:


    Vialla und Romaro leben in einer Welt aus Wald. Da gibt es den guten Wald, der die kleinen Dörfer umgibt und den wilden, gefährlichen Wald, den man besser nicht betritt. Als Vialla und Romaro heiraten wollen, wird ihnen das nicht erlaubt. Daher fliehen sie gemeinsam in den Wald, um im Norden eine neue Heimat zu suchen. Doch im Norden gibt es angeblich keine Dörfer, sondern nur Dämonen.
    Prompt kommen Vialla und Romaro auch im wilden Wald vom Wege ab und geraten an einen Weiher mit einem finsteren Geheimnis. Wer ist die wunderschöne Frau, die Romaro so in ihren Bann zieht, dass er Vialla vergisst? Was verbirgt sich in den schwarzen Wassern des Teiches? Und: Was geht in dem Stamm der alten Weide am Ufer vor sich?
    Vialla muss allen Mut zusammen nehmen, um diese Fragen zu beantworten und ihren Liebsten zu retten. Dabei gerät sie selbst in große Gefahr.


    Meine Meinung:
    Vialla und Romaro - ein Buch, das mich sehr gefesselt und doch auch verstört hat.
    In einer wunderschönen Sprache führt Lilli Thal den Leser durch eine verwunschene Welt. Die Atmosphäre der Geschichte wird sehr greifbar und intensiv, so wird man bald von der Geschichte gefangen genommen und durchlebt die Ängste und Sorgen von Vialla und Romaro sehr nah mit.
    Doch was als phantasievolles Jugendbuch beginnt, entwickelt sich bald zu einem verstörenden Horror-Trip.
    Nicht, dass die Qualität des Buches nachlässt - im Gegenteil. Aber ich denke, dass mich die Geschichte als Teenager sehr verschreckt hätte. Daher ist dieser Roman wohl - trotz der Altersempfehlung - eher für ältere Leser gedacht.
    Ohne spoilern zu wollen: Es geht in Sachen Sex und Gewalt sehr explizit zur Sache! ... So explizit, dass ich es stellenweise schon etwas schwer verdaulich fand. Mitreißend, aber doch auch erschreckend. Dennoch gleitet die Geschichte nie ins Pornografische ab und bedient auch nicht das Splatter-Horror-Genre.


    Ich empfehle dieses Buch älteren Lesern, die gerne anspruchsvolle Romantik-Thriller mit Fantasy-Elementen mögen und nicht allzu zart besaitet sind.

  • Es wundert mich, dass dieses Buch anscheinend bislang von keinen anderen Büchereulen gelesen wurde. Es wurde in der Presse extrem positiv bewertet und schon mehrfach auf Bestenlisten angegeben.


    Gerade, weil ich dem Inhalt sehr kontrovers gegenüberstehe, würde es mich interessieren, wie andere dieses Buch sehen.


    So positiv ich das Buch auch sehe (wirklich gelungener Stil, dichte Atmosphäre) so problematisch ist es für jüngere Leser. Ich kann daher die Empfehlungen der Rezensenten nicht 100% unterstützen. Wie gesagt, mich hätte das Buch mit 12 oder 13 Jahren total verstört. Wahrscheinlich hätte ich es nicht zu Ende gelesen.


    Ein weiterer Punkt der mich stört ist, dass es scheinbar ganz und gar nicht okay ist, wenn in einem Jugendbuch jemand ein Glas Wein (oder sonst ein alkoholisches Getränk) zu sich nimmt, dass ein Buch jedoch gelobt wird, dass zu Beschreibungen grenzhafter Brutalität neigt. Ich sehe da manchmal so eine Doppelmoral bei der kontroverse Elemente mal toleriert werden und dann wieder nicht. Letzteres besonders in Hinsicht darauf, ob ein Text als literarisch wertvoll angesehen wird, oder nicht. In anderen Worten: Ein literarisch wertvoller Text darf sich mehr herausnehmen, als ein reiner Unterhaltungstext. Oder?

  • Bücherkäfer du machst mich immer neugieriger :lache Ich werd es mir auf jeden Fall besorgen, sobald meine Finanzen es zu lassen.

    Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat. - Marie von Ebner-Eschenbach

  • Ui, das hab ich noch herumfliegen, Leseexemplar, was mich nicht so wirklich
    angesprochen hat. Ich lese es mal an und wenn es mir nicht gefällt, gebe ich
    es gegen Porto gern weiter (am besten innerhalb Österreichs, denn nach D
    ist das österreichische Porto soooooo teuer :( )


    Aber erst mal muss ich umziehen und die 40 Bücherkisten ausräumen, bevor
    es wieder ans Tageslicht kommt... :rolleyes


    Schöne Grüße
    Zimtpferd

  • achja, noch was, ich denke, ich weiß, wieso es kaum wer gelesen hat. Wir hatten
    es in unserer Buchhandlung auch nicht da. Bekamen zwar ein Leseexemplar aber
    es wollte keiner haben. (v. ca 40 Buchhändlern...). Ich hab es dann mit nach
    Hause genommen, weil ich mir dachte, kann ja doch was sein, auch wenn mich
    das Cover nicht so ganz angesprochen hat - ja ich weiß, Cover kann täuschen,
    aber es war halt der Hauptgrund, dass wir nicht mal ein Exemplar bestellt hatten.
    Und auch Gerstenbergs Jugendromane waren ne Zeit lang recht schwach
    (was die Verkaufszahlen angeht!! Inhalte kenn ich ja nicht alle)


    :wave
    Zimtpferd

  • Die Erklärung ist recht interessant. Klar, wenn ein Buch nicht groß beworben wird und auch nicht gerade auf den Büchertischen ausliegt, fällt es nicht auf. Allerdings finde ich das Cover sogar recht ansprechend. Ich mag das Grün. Wobei es rein optisch nicht wie ein Jugendbuch aussieht. Ob ein Fotocover (zB. mit Seerosen oder nebeligen Wäldern) besser gewesen wäre?


    Bin jedenfalls gespannt, wie ihr das Buch findet.



    :wave

  • Hallo Bücherkäfer,


    ich denke schon, dass ein Fotocover besser gewesen wäre, aber da steckt
    echt niemand drin. Wir hatten in der Buchhandlung immer wieder Überraschungs-
    hits, wo ein völlig unscheinbares oder unserer Meinung nach "hässliches" Buch
    total viel gefragt und gekauft wurde.


    Schöne Grüße :wave

  • Vialla und Romaro
    Lilli Thal, 2007

    Gerstenberg, ISBN: 978-3836951463


    Vialla und Romaro ist ein Fantasymärchen mit Ekelelementen über die Macht der Liebe und des Blendens, das sich keinesfalls für Kinder, sondern erst ab einem gewissen Reifegrad empfehle. Eiterwunden, Gefangenschaft unter ekelhaften Bedingungen und einem dämonischen Wärter, der sich lüstern auf seine Opfer stürzt und sie per Blendwerk zur Liebe zwingt als Bedrohung für das zarte Gemüt einerseits – und kritische Anspielungen im heilen Teil der Märchenwelt, sind nicht unbedingt das, was man sich vorstellt, wenn man den Klappentext über die Macht der Liebe durchliest. Aufgrund der jugendbuch-untypischen Covergestaltung (ähnliches ist mir bisher nur bei Hanser aufgefallen), hatte ich mich schon auf etwas Interessantes eingestellt.


    Und dabei beginnt alles so harmlos... Wir befinden uns in der Welt, in der das Wort des Dorfpopen noch Gesetz ist. Die Welt ist eine Scheibe. Das Leben richtet sich nach Sinnsprüchen. Im Westen liegt das Ende der Welt, wo die Dämonen leben. Wer die vom Wald selbst mit Wegmoos gekennzeichneten erlaubten Wege verlässt, ist bald schon tot. Und wenn zwei Menschen mit 'zu ähnlichem Blut' zusammenkommen, gibt es Höllenbrut als Nachfahren.
    Es ist ein Idyll, die Menschen sind zufrieden, singen lustige Varianten unserer Volkslieder.


    So auch Vialla, die im westlichst gelegenen Dorf wohnt. Abgesehen von einem schon am Anfang deutlichen Starrsinn – ihr Name kommt von der Sturmblume, die immer nur im Sturm sich wohl fühlt – ist sie bester Dinge und fiebert schon neugierig auf ihren Brautzug hin, der sie ins Ostdorf führen wird, wo sie sich einen Jüngling erwählen kann. Genau. Romaro. Liebe auf den ersten Blick. So schön, so gut. Blöderweise erklärt Viallas Dorfpope sie für zu ähnlich.


    Und so bleibt nichts als die Flucht. Um der Liebe willen. In den Westen. Weil dort nicht die Welt zu Ende ist – sondern andere Dörfer, wie Romaro vom Querdenker-Popen Salomon weiß, der die Erde in Kugelform presst, naturwissenschaftlich interessiert und auch nicht an Dämonen glaubt.


    Nun ja, vielleicht hat sich der Pope geirrt, zumindest die Dämonen gibt es. Einen jedenfalls. Riesig, fischschuppig, bläulich, wassersüchtig, ständig auf der Suche nach menschlichen Liebesdienern. Und was am schlimmsten ist: Ausgestattet mit Zauberkräften, die Romaro vorspiegeln, der ekelhafte Weidenbaum, in den er gesperrt würde, sei ein Schloss, der Dämon selbst ein wunderhübsches Mädchens namens Apate (was mich ständig an Apathie erinnert, passt.) Vialla ist nahezu machtlos. Muss miterleben, wie der Dämon sich in der Weide mit ihrem Liebsten vergnügt – und flieht doch nicht. Versucht Romaro, der immer mehr Gesundheit einbüßt, zu helfen. Die Zauberkraft des Monsters reicht nicht auch noch für die 'Trine'. Die Macht der Liebe wird auf eine Probe gestellt.


    Und die ist einfach furchtbar spannend zu lesen, weil man immer im Wechsel die Sichtweisen des verzauberten Romaros und seiner Wahrnehmung im Schloss hat, wie er sich verirrt und den Ausgang nicht findet, wie die 'Diener' so seltsame Andeutungen über die Freiheit von sich geben und er nur Bahnhof versteht, und dann die bedauerlichen Vorgänge, wie sie wirklich stattfinden. Man kann sich herrlich darüber aufregen, wie er dem Blendwerk verfällt, alles Vorherige vergisst. Man kann ebenso stark Mitleid empfinden, wenn er sich immer mehr an der Baumwand die Haut aufreißt. Auch wenn es Zufall war, dass er als ‘Erster’ herausgegriffen wurde, erscheint er meistens als der Trottel, der auf Hilfe angewiesen ist. Vialla ist die eigentliche Heldin mit ihren Einfällen, die Romaro den Spiegel vorhält, ihn zur Besinnung zurückzubringen sucht.


    Der Dämon, das Wasserwesen, stellt für mich ein Problem dar, wenn ich versuche ihn irgendwie zu deuten... Warum macht er so etwas. Gibt es einfach das Böse, das man nicht verstehen muss? Dabei kann er durchaus auf charmant-naiv-böse Weise zum Lachen bringen. Aber was er tut, erklärt sich nicht. Animalische Bedürfnisse, denen er nachgeht?
    Liebe kann es ja nicht sein.


    Denn Liebe ist in diesem Buch das Allheilmittel für madenverseuchte Wunden, Folter und Grausamkeiten. Trotz aller ironischen Anspielungen auf die Rückständigkeit der Welt. Ein Plädoyer für die Zweisamkeit von Mann und Frau: Ist man nur bei seinem Liebsten, wird alles gut. Auch wenn man kurz vorm Abkratzen ist. Jaja, so ist das im Märchen, ebenso wie die eher traditionellen Rollenbilder von Mann und Frau, die hier allerdings nur ein klein wenig durchscheinen.


    Sprachlich ist das Buch dicht geschrieben. Lilli Thal benutzt eine moderne Sprache, die dennoch nie den Hauch von Märchenhaftigkeit verliert. Ihre Metaphern und Bilder, vor allem diejenigen aus dem Bereich der Natur und der Elemente sind außerordentlich – sie wirken aber auch besonders, da dem Wald als Schützer und Rächer sowie der See, das Wasser als Leichengarten und Dämonenjungbrunnen als Naturbestandteile zentrale Positionen einnehmen.
    Was mich immer wieder fasziniert hat, ist der Sprachgebrauch des Dämonen, wenn er die menschliche Sprache gebrauchen muss. Tollpatschig, beleidigt, bemitleidenswerte Halbsätze – weil sie das Bild komplett brechen.


    Ich bin zwar nicht von allem inhaltlichen Aussagen begeistert, das bin ich bei Märchen aber fast nie. Zu stereotyp sind sie. Aber das Buch ist nur zu Teilen Märchen, zu andern Teilen Fantasy. Spannend, vielleicht ein wenig gruselig für jüngere Leser. Und es basiert auf einer, wie ich finde, grandiosen Idee, die noch dazu ebenso genial umgesetzt wurde. Ich mochte das Buch nicht mehr weglegen und habe die Nacht durchlesen.
    Lilli Thals Erstling Mimus werde ich mir also auch bald zulegen müssen... Spannend klingt er ja auch.


    Von mir gibt es 9/10 Punkten


    :wave bartimaeus