Die unglaubliche Reise der Lillian Leyb - Amy Bloom

  • Die unglaubliche Reise der Lillian Leyb, Amy Bloom, Originaltitel „Away“, Übersetz. v. Adelheid Dormagen, Hoffmann und Campe, Hamburg, 2008, ISBN 978-3-455-40091-5, 19,95 €



    Zur Autorin:
    lt. Klappentext
    Amy Bloom, geboren 1953, hat bereits mehrere Romane und Erzählungen veröffentlicht. Ihr Erzählungsband Liebe ist ein seltsames Kind (Hoffmann und Campe, 1995) wurde für den National Book Award nominiert. Bei Hoffmann und Campe erschien außerdem ihr Roman Das Mädchen im Pelzmantel (1998). Bloom schreibt unter anderem für den New Yorker, The New York Times, The Atlantic Monthly und Vogue. Sie lehrt Creative Writing an der Yale University.


    Meine Meinung:
    Als ich “Die unglaubliche Reise der Lillian Leyb” von Amy Bloom zuschlug, hätte ich zunächst ohne Einschränkung der New York Times, die das im amerikanischen Original unter dem Titel „Away“ erschienene Buch als großartige Literatur einstuft, zugestimmt. Amy Bloom hüllt die Leser mit ihrer eigenartig nüchternen und dennoch poetischen Sprache förmlich ein und so konnte ich mich kaum von ihrem Buch trennen, bevor ich es nicht zu Ende gelesen hatte.


    Die junge Jüdin Lillian Leyb erlebt, wie ihre Eltern und ihr Mann bei einem Progrom ermordet werden. Ihre Tochter Sophie kann flüchten, nach Augenzeugenberichten gilt sie aber ebenfalls als tot. Lillian verlässt gebrochen ihre russische Heimat und gehört zu den vielen Immigranten, die 1920 New York erreichen. Aber auch dort ist ein Neuanfang mehr als schwierig. Ihr starker Überlebenswille, ihre Zähigkeit, aber auch durch Ausweglosigkeit geborener Frechheit verhelfen ihr zu einer Stelle als Näherin. Bald hat sie zwei vermögende Liebhaber und ihr gesellschaftlicher Aufstieg scheint abgesichert. Als eines Tages eine Verwandte vor Lillians Tür steht und behauptet, dass Lillians Tochter lebe und nach Sibirien gebracht worden sei, erwacht Lillian aus der Leere, in der sie erstarrt ist. Ein Ziel vor Augen und von Hoffnung getrieben, begibt sie sich auf eine Reise quer durch Nordamerika, um nach Sibirien zu gelangen und Sophie zu finden.


    Amy Bloom erzählt Lillians tragikkomische Geschichte im Präsens in einer literarischen, poetischen Sprache, die von trockenem Humor durchsetzt ist. Perspektivenwechsel bewirken, dass neben Lillian auch andere wesentliche Personen wie z. B. ihre Liebhaber beleuchtet werden. Alle tragenden Figuren haben eins gemeinsam: sie sind auf tragische Weise in einer inneren Leere erstarrt, sind nicht mehr lebendig. Die Distanz, die Amy Bloom durch ihren Sprachstil aufbaut, intensiviert diesen Eindruck der Kälte und des Gefangenseins in einem todesartigen Zustand.


    Obwohl mich Amy Blooms Roman sofort gefangen genommen hat und ich ihn mit großem Interesse und Vergnügen gelesen habe, bleiben aber auch einige Kritikpunkte. Einige Figuren sind, ohne dies als Stilmittel einzusetzen, sehr klischeehaft ausgestaltet. Die Erlebnisse, die Lillian Leyb auf ihrer Reise durch Amerika hat, ist eine Aneinanderreihung grausamen und brutalen Verhaltens in unteren Schichten, was in Summe gesehen nicht unbedingt glaubwürdig ist. Damit erfüllt Amy Bloom sicher nicht unbedingt, die Erwartungen und Ansprüche von Freunden zeitgenössischer Literatur. Trotz dieser Mängel hat mir jedoch Amy Blooms Roman sehr gut gefallen.


    8 von 10 Punkten

  • Die unglaubliche Reise der Lillian Leyb – Amy Bloom


    Handlung laut Rückseite:
    Die Jüdin Lillian Leyb ist eine Überlebenskünstlerin. Nach einem schrecklichen Pogrom in ihrer russischen Heimat, bei dem ihre Familie ausgelöscht wird, wagt sie 1924 in New York einen Neuanfang. Der scheint ihr auch zu gelingen, bis sie erfährt, dass ihre tot geglaubte Tochter nach Sibirien verschleppt wurde. Hals über Kopf begibt sich Lilian auf eine tollkühne Odyssee durch Kanada und Alaska in Richtung Sibirien, um sie zu finden.


    Zur Autorin:
    Siehe Autorin-Homepage: www.amybloom.com (in Englisch)


    Zur Übersetzerin:
    Adelheid Dormagen hat u.a. Elizabeth von Arnim, Jane Bowles, Doris Lessing und Michael Oondatje sowie weitere Romane von Amy Bloom übersetzt. Ich persönlich habe den Eindruck, dass sie bei "Die unglaubliche Reise der Lillian Leyb" außergewöhnlich gute Arbeit abgeliefert hat, soweit das durch ein englisches sample chapter zu beurteilen ist.


    Meine Meinung:
    Obwohl der Roman eigentlich alles hat, damit er mir gefallen müsste, hat er bei mir anfangs nicht so richtig gezündet. Das liegt zu einem Teil an dem Stil, der mir zu spröde scheint. Aber das ist Geschmackssache und änderte sich später weitgehend.
    Gut gefallen hat mir, wie die Autorin die Zeiten 1924 bis 1926 in Amerika vermittelt.
    Lillians Reise geht von New York über Seattle nach Vancouver in Kanada und Dawson in Alaska. Im Buch ist auch eine schöne Karte des Reisewegs enthalten.


    Lillian ist eine gelungene Protagonistin. Mutig und durchsetzungskräftig, dabei realistisch und als alleinreisende Frau von den Schwierigkeiten der damaligen Zeit begleitet. Es ist aber nicht ganz so einfach, bei ihrem Schicksal, und der Nüchternheit, mit der die Autorin ihre Erlebnisse beschreibt, leicht Zugang zu ihr zu finden. Psychologisch offenbart sich der Charakter nicht sofort, das macht sie eigentlich auch interessant.
    Ihre Suche nach der in Sibirien verloren gegangenen Tochter ist doch absolut hoffnungslos. Oder vielleicht doch nicht?


    Erst als ihre Reise ab New York beginnt, gefällt mir der Roman besser. Allerdings ist der deutsche Titel des Buches unzureichend, denn die Reise Lillians ist weniger unglaublich, als vielmehr schwierig und anstrengend. Als ihr in Seattle alles Geld gestohlen wird, kommt sie bei der Prostituierten Gumdrops unter. Schon bald gibt es Streit mit dem Zuhälter Snooky Salt. Es hat mich gewundert, dass Lillian in ihren Notlagen immer das Glück hatte, auf hilfreiche Personen zu treffen, die ihr uneigennützig helfen. Erst Gumdrops, später auf einer Arbeitsfarm die Chinesin Chinky Chang.
    Auch danach macht Lillian so einiges durch und gerade in Alaska sind die Lebensbedingungen drastisch und hart. Aber einmal wird auch sie ein Schutzengel, als sie in der Einsamkeit und Kälte Alaskas verlassene Kinder trifft. Die Naturbeschreibungen sind schön atmosphärisch und gerade bei aufgedrehter Heizung angenehm zu lesen.


    Das Ende ist sehr überzeugend und jetzt hatte mich der Roman doch so richtig gepackt.
    Ich werde mir gleich noch ein Buch der Autorin zulegen.

  • Amy Bloom
    "Die unglaubliche Reise der Lillian Leyb"
    Verlag Hoffmann und Campe
    ISBN 978-3-455-40091-5


    Über den Inhalt:
    Als junge Frau muss Lillian Leyb mit ansehen, wie man ihre Eltern und ihren Mann bei einem Pogrom ermordet. Ihre kleine Tochter Sophie ist verschwunden und gilt ebenfalls als tot. Lillian verlässt daraufhin ihren russischen Heimatort und erreicht 1920 mit vielen anderen Immigranten New York. Sie hat einen ausgeprägten Überlebenswillen und setzt sich in den Kopf, es zu schaffen in diesem großen, neuen, verheißungsvollen Land. Bald hat sie nicht nur eine Arbeit als Näherin, sondern auch zwei vermögende Liebhaber. Ihr gesellschaftlicher Aufstieg scheint unaufhaltsam - bis eines Tages eine Verwandte vor ihrer Tür steht und behauptet, Lillians Tochter lebe und sei möglicherweise nach Sibirien gebracht worden. Nun gibt es für Lillian kein Halten mehr. Von der Hoffnung getrieben, begibt sie sich auf eine tollkühne, scheinbar aussichtslose Odyssee quer durch Nordamerika, um nach Sibirien - und zu Sophie - zu gelangen.


    Über die Autorin:
    Amy Bloom, geboren 1953, hat bereits mehrere Romane und Erzählungen veröffentlicht. Ihr Erzählungsband "Liebe ist ein seltsames Kind" (Hoffmann und Campe, 1995) wurde für den National Book Award nominiert. Bei Hoffmann und Campe erschien außerdem ihr Roman "Das Mädchen im Pelzmantel" (1998). Bloom schreibt unter anderem für den New Yorker, The New York Times, The Atlantic Monthly und Vogue. Sie lehrt Creative Writing an der Yale University.


    Meine Meinung:
    Mir hat dieser Roman sehr, sehr gut gefallen! Ich muss gestehen, dass ich anfangs noch etwas skeptisch war, ob mir die Sprache liegen würde, zumal ich im Moment schon häufiger mal ein Buch abbreche, weil ich keine Geduld dafür habe. Amy Bloom schreibt zum einen in der Gegenwartsform, was mir irgendwie nicht so leicht fällt wie die Vergangenheit, zum anderen baut sie häufig recht lange Sätze. Hat man sich daran aber erstmal gewöhnt, liest sich dieses Buch sehr flüssig und leicht und macht ganz schnell süchtig. Mir ging es schon nach kurzer Zeit so, dass ich ohne nachzudenken Seite für Seite umgeblättert habe, um die Geschichte Lillians mitzuverfolgen. Besonders gefallen hat mir dabei, wie detailliert Amy Bloom die Menschen beschreibt, die Lillian auf ihrem Weg begleiten. Verschiedene Personen gehen scheinbar immer ein Stückchen mit ihr und bleiben dann wieder mit ihrer Geschichte zurück, damit Lillian vorankommt und den nächsten Menschen begegnen kann.
    Wirklich ein sehr interessanter, schöner Roman in einer etwas anspruchsvolleren Sprache, der mich von seinem Stil her, wollte ich Paralleleln ziehen, etwas an Andrea Levy "Eine englische Art von Glück" erinnert hat.

  • Zitat

    Original von Giulietta777
    Wirklich ein sehr interessanter, schöner Roman in einer etwas anspruchsvolleren Sprache, der mich von seinem Stil her, wollte ich Paralleleln ziehen, etwas an Andrea Levy "Eine englische Art von Glück" erinnert hat.


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