Anne Tyler - Tag der Ankunft

  • Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
    Verlag: List (2007)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3471789464
    ISBN-13: 978-3471789469
    Preis: 19,90 €


    Klappentext:
    Ein Roman über die Fähigkeit zur Toleranz und Freundschaft
    Zwei ganz verschiedene Familien, eine amerikanische und eine iranische, lernen sich auf dem Flughafen in Baltimore kennen. Hätten sie nicht beide ein koreanisches Kind adoptiert, sie wären einander wohl nie begegnet. Noch ahnen sie nicht, dass dieses Zusammentreffen sämtliche Familienmitglieder auf immer verändern wird.


    Zur Autorin:
    Anne Tyler, geboren 1941, zählt zu den renommiertesten amerikanischen Schriftstellerinnen. Für "Atemübungen" erhielt sie 1989 den Pulitzer-Preis, "Die Reisen des Mr. Leary" wurde sehr erfolgreich verfilmt. Anne Tyler lebt in Baltimore.


    Meine Meinung:
    Die Geschichte beginnt mit dem Tag der Ankunft der beiden koreanischen Mädchen auf dem Flughafen in Baltimore. Die Donaldson sind zahlreich vertreten und unübersehbar. Jeder trägt einen Button mit der Funktion: "Dad", "Mom", "Grandpa" usw. Jede Menge Kameras sind gezückt, als die Stewardess mit ihrem Baby aus dem Flugzeug kommt. Jin-Ho, einige Monate alt, wird mit großen Tra-ra empfangen. Doch noch eine zweite Familie wartet auf ihr Baby, die Yazdans. Sookie, so heißt das Mädchen, wird von ihren Adoptiveltern und Maryam, der Großmutter empfangen.


    Die Familien treffen sich immer wieder, auf Initiative der Donaldsons, um im Kontakt zu bleiben und schließlich den Jahrestag der Ankunft zu feiern, wie in den Folgejahren immer wieder. Daraus entstehen dann auch Freundschaften.


    Schön zu lesen fand ich, wie die Unterschiede beim Aufwachsen sind. Jin-Ho steckt in koreanischen Trachten, ihre Mutter Bitsy liest ihr koreanische Märchen vor, während aus Sookie ganz schnell Susie wird und ein typisches amerikanisches Leben führt, soweit die iranische Famile dieses vorlebt. Die Amerikaner sind von allem "nicht-amerikanischem" fasziniert, während die Iraner einfach nur ein normales Leben führen wollen, möglichst unauffällig. Dabei spielt auch immer wieder der Hintergrund der Yazdans eine Rolle, die selbst Immigranten sind, im Gegensatz zu den Donaldsons.


    Die Erzählung wird nicht aus dem Blickwinkel der adoptierten Kinder geschildert, das wäre auch seltsam bei Babies, die zunächst noch wenige Monate alt sind, sondern aus der Sicht der Adoptivfamilien. Nebenbei findet noch eine Liebesgeschichte statt, die aber ebenso, wie die Beziehung zwischen den Familien, von dem Gegensatz zwischen den Kulturen geprägt ist.


    Ziemlich weit hinten im Buch (Kapitel 9) passiert jedoch ein Sprung, der Punktabzug gekostet hat: Ab Kapitel 9 wird nicht mehr von Bitsy und Brad gesprochen, sondern von Jin-Hos Mutter und Jin-Hos Vater. Dieser Perspektivwechsel hat mich sehr gestört, weil dieses auch immer wieder wiederholt wird. Doch Anne Tyler wird ihren Grund gehabt haben, ich vermute, dass es daran liegt, dass Jin-Ho nämlich nun große Schwester eines chinesichen Mädchens ist.


    Es ist eine ruhige Geschichte, so wie ich es von Anne Tyler erwartet habe, aber schön zu lesen. Ich fand das Buch besonders lesenswert, weil mir, als Mensch in meinem Heimatland lebend, die Schwierigkeiten und Gedanken eines Immigranten näher gebracht wurden, die ich so noch nicht gelesen habe.


    Mir hat es aber ansonsten gut gefallen, dafür gibt es 8 Punkte.

  • Zwei Familien in Amerika holen ihre koreanischen Adoptivtöchter vom Flughafen ab. Schon auf den ersten Blick wird der Unterschied zwischen den beiden Familien klar. Die Donaldsons sind mit der Großfamilie und mehreren Kameras, das denkwürdige Ereignis festzuhalten, angereist. Jeder zufällige Reisegast wird in das Familienereignis integriert. Sie sind bunt, laut, von sich überzeugt und sehr amerikanisch. Die Yazdans, die aus dem Iran stammen, sind hingegen unscheinbar, bescheiden und leise.
    Diese zufällige Begegnung am Flughafen führt zu einer Freundschaft zwischen den beiden Familien, alljährlich wird der Ankunftstag der beiden Mädchen gefeiert. Minutiös beschreibt Tyler die Beziehungen, die kleinen Machtspielchen, Mißverständnisse, aber auch immer wieder das, was die Menschen zusammenführt.
    "Der Tag der Ankunft" ist unspektakulär. Die Personen in ihrem Roman sind vollkommen durchschnittlich, aber sie sind so echt, dass sie einem fast aus den Buchseiten entgegen springen. Alle haben sie Fehler, alle sind sie jedoch auch liebenswert. Tyler hat einen scharfen Blick für das Alltägliche des Lebens, und was daran poetisch ist. Ihr Buch bringt einen zum Nachdenken dieses Alltägliche zu schätzen.
    Das beste Buch, das ich bislang von Anne Tyler gelesen habe und eines der besten überhaupt in diesem Jahr!

  • Ich liebe Anne Tyler einfach! Mit "Dinner im Heimweg-Restaurant" fing es an, dann kam "Atemübungen", beide Bücher fand ich wunderbar. Mit "Kleine Abschiede" konnte ich nichts anfangen, z.T. war ich diesen hausbackenen Frauentyp, den die Autorin oft beschreibt, einfach satt. Als ich dann "Fast ein Heiliger" las, war ich wieder vollständig versöhnt mit ihr.


    Nun habe ich "Tag der Ankunft" gelesen und bin einfach nur überwältigt von der Menschlichkeit, die einem bei Anne Tyler immer wieder so pur entgegenweht. Obwohl das Buch nicht einmal einen richtigen Plot hat, denn es werden immer wieder verschiedene Feste, die alle Beteiligten zusammen feiern, geschildert, habe ich nie die leisteste Langeweile verspürt. Man kann regelrecht in die Köpfe der einzelnen Figuren sehen (einzig die Perspektive von Jin-Ho hat mir auch nicht besonders gefallen), ihre Missverständnisse, Vorbehalte oder ihre Wünsche und Sorgen nachempfinden und jeder einzelne wird immer nur liebenswerter, egal wie schrullig, nervtötend oder albern er oder sie manchmal sein mag.


    Ein wunderschönes, warmherziges Buch über Heimat und Fremde und vor allem über Freundschaft und Liebe hat Anne Tyler geschrieben, das ich sehr, sehr gern gelesen habe!