Man hat den Eindruck, jeder große amerikanische Schriftsteller kommt nicht daran vorbei, auch noch Jahre danach mindestens ein Werk in irgendeiner Form dem 11. September zu widmen.
Und jeder macht es auf unterschiedliche Art und Weise. Sie nähern sich dem Thema mehr oder weniger konkret... aus Sicht der Opfer, der Täter oder der ganz normalen New Yorker.
Don DeLillo hat einen sehr direkten Zugang gewählt. So fängt es für den Leser schon packend und gleichzeitig verstörend an. Denn wir irren mit Keith durch den Papier und Ascheregen, blutend und den Türmen entkommen durch Manhattan Richtung Süden. Wir wissen nicht, was Keith passiert ist, er ist einfach nur einer von den vielen, die irgendwie den Weg aus den Türmen geschafft haben, bevor sie in sich zusammengefallen sind. Doch auch Keith ist orientierungslos. Er hat sich auf dem Weg zu seiner Frau und seinem Sohn gemacht, der Familie, von der er seit Jahren geschieden ist. Und Lianne nimmt ihn auf. Diese Katastrophe scheint die verschüttete Ehe wieder ausgegraben zu haben.
Und doch ist das Leben nicht so wie zuvor: Keith ist in sich zurückgezogen. Durchlebt immer wieder die Moment, ohne sich genau erinnern zu können. Wie kam der Koffer, den er aus den Trümmern mitgebracht hat, in seine Hände und warum? Was geschah, bevor er auf die Straße kam? Er redet nicht darüber, daß tun alle um ihn herum dafür um so mehr. Immer wieder wird philosophiert, geredet, analysiert. Lianne mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Liebhaber, Lianne mit ihrer Alzheimer-im-Frühstadium - Gruppe, der kleine Sohn...
Und auch auf anderen Wegen nähert sich DeLillo in eingestreuten Episoden dem Grauen: da wäre der Performancekünstler, der sich in Anzug und Hemd gekleidet von Hochhäusern stürzt um dort an einem Sicherungsseil hängend, das Bild des Falling Man immer wieder in Erinnung zu rufen, daß in der New York Times nach dem 11. September abgebildet war.
Und da wäre auch noch die Täter-Ebene. In zwei, drei Episoden beschreibt DeLillo eingestreut und unvermittelt das Leben in der TerroristenWG in Deutschland, der Terrorvorbereitungen und die letzten Momente der Terroristen im Flugzeug.
Es bleiben Fragmente, alles. Es sind aneinandergehängte Episoden: vor dem 11. September, nach dem 11. September und währenddessen, in wilden Zeitsprüngen und Perspektivwechseln.
So wild, daß es für den Leser nicht einfach wird, immer zu folgen, wann, wer, was ...
Es gibt Stärken in diesem Buch: das ist Keith, Lianne und die Geschichte ihrer Beziehung, wie sie sich entwickelt. Manche Gespräche sind einfach nur bewegend zu lesen - und unglaublich treffend. Es gibt Szenen, wo man sofort die Bilder vor Augen hat, die wir am 11. September alle im Fernsehen gesehen haben.
Und es gibt unglaubliche Schwächen: dazu gehören die Episoden der Terroristen, die einfach nur trivial, klischeehaft und schlicht überflüssig sind.
Am Ende des Buches habe ich mir gewünscht, all die Einzelepisoden hätten ein Gesamtbild gegeben, die Fäden wären irgendwie zu einem Strang verwoben worden. Aber es bleibt die Aneinanderreihung von Szenen bis zum Schluß.
Dafür bleiben aber Sätze und Gedanken im Kopf hängen und es gibt Szenen und Gespräche die man wieder und wieder lesen möchte.
Es bleibt somit für mich lesenswert - auch wenn es manchmal weh tut. Oder vielleicht gerade deswegen?