Matt Ruff: Bad Monkeys

  • Jane Charlotte sitzt - wenn man dem Klappentext glaubt, unter Mordanklage, aber entsprechende Hinweise im Text fehlen - in einer psychiatrischen Klinik und spricht mit einem Arzt. Diesem offenbart sie nach und nach ihre Lebensgeschichte. Jane ist schon als Schülerin von einer Geheimorganisation rekrutiert worden, einem nahezu perfekt im Untergrund arbeitenden nichtstaatlichen Geheimbund, der über wahnwitzige Möglichkeiten verfügt. Die Aufgabe dieser Organisation besteht darin, das Böse zu bekämpfen, und eine Untergruppe namens "Bad Monkeys" befasst sich mit der Beseitigung von Menschen, die unrettbar an das Böse verloren sind - Kinderschänder, Massenmörder, Attentäter und dergleichen. Sie, diese unrettbar Bösen, sind die Bad Monkeys, die schlechten Affen, also jene Menschen, die philosophisch betrachtet mindestens einen entscheidenden Evolutions- oder Sozialisationsschritt ausgelassen haben. Mit hochtechnischen NT-Waffen ("natürlicher Tod") exekutiert die Sondergruppe Kindesentführer, Pädophile und Kofferbomber. Janes erstes Opfer war der Hausmeister ihrer Schule, der in seiner Freizeit Jungen entführte und strangulierte. Ihre Karriere bei den Bad Monkeys währte mehrere Jahrzehnte, mit großen Unterbrechungen, in denen es für die einsame Frau nicht immer leicht war, das Leben neben der wirklich sehr geheimen und für Außenstehende absolut unglaubwürdigen Agententätigkeit in den Griff zu bekommen.


    Ruffs neuer, recht kurzer - nur 250 Seiten umfassender - Roman entwirft eine obskure Verschwörungstheorie, der der Leser immer schwerer zu folgen in der Lage ist. Man wird mit einer Geschichte konfrontiert, die mit einer Vielzahl von Andeutungen und Querverweisen gespickt ist und die immer haarsträubender wird, während man dem durchaus intelligenten Zwiegespräch zwischen vermeintlicher Patientin und vermeintlichem Arzt folgt. Ungefähr ab der Mitte war ich nicht mehr dazu in der Lage, mir einen halbwegs befriedigenden Abschluss für das Buch vorzustellen, und mindestens in dieser Hinsicht wurde ich auch nicht enttäuscht. Im letzten Drittel war ich noch geneigt, mir das ganze als Parabel zurechtzubiegen, etwa die Namen der Organisationsmitarbeiter - sie heißen True, Love und Wise - als Metaphern für eine verlustreiche, fehlgeleitete Kindheit zu interpretieren, und den Roman als psychologische Fallstudie zu verstehen, worauf auch der Rohrschachtest auf dem Cover ein Hinweis zu sein scheint. Aber das tatsächliche Ende ist dann wieder so faktisch und mittelbar, dass ich das Buch eher ratlos zuschlug. Was ist wahr, was ist Fiktion innerhalb der Fiktion - ich weiß es nicht. Und, Schande über mich - ich will es auch eigentlich überhaupt nicht wissen.


    Um nicht falsch verstanden zu werden - "Bad Monkeys" liest sich spannend und rasant, die Dialoge sind witzig und intelligent, und auch Janes Geschichte innerhalb der Geschichte bereitet durchaus Lesespaß, aber spätestens mit dem Auftritt der "schlechten Jane" und dem Beginn des sehr irren Showdowns verliert sie den letzten Rest Bodenhaftung. Was auch immer Ruff erzählen wollte, bis zu mir ist das nicht vorgedrungen. Schade.

  • Ohh, Tom hatte das Wochenende frei :lache


    Danke, für die Rezension, das klingt doch immerhin wieder witzig und, wie es Ruffs Art nunmal ist, ungewöhnlich.
    Das keine Kernaussage existiert, ist schade, aber für mich keinesfalls ein Grund, einen Bogen um das Buch zu machen.


    interessierte Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Danke für die Rezi! :-)
    Schade, denn die Grundidee ist ja gar nicht schlecht und nach dem Klappentext hätte ich mir doch mehr von dem Buch versprochen, als es anscheinend halten kann.

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

  • Zitat

    Ohh, Tom hatte das Wochenende frei


    War aber nicht erforderlich. Das Buch hat ja nur 250 Seiten; ein durchschnittlich schneller Leser dürfte nach ein paar Stunden durch sein. Liest sich fluffig weg. Ich bin mal gespannt, was die anderen zum Ende sagen.

  • Ich habe durch und erst 2 Tage sacken lassen.


    Wie von Matt Ruff ein Buch, das anders ist als jede Erwartung aber wie immer äußerst unterhaltsam und gut lesbar.


    Über den Inhalt hat TOM ja schon geschrieben.


    Was ist das für ein Roman?


    Ein Roman der mit den Realitäten im (Philip K.) Dick’schen Stil spielt, nach dem Motto: Was ist, wenn ein Schmetterling träumt, er sei ein Mensch und der geträumte Mensch träumt er sei ein Schmetterling, de...
    Und/oder auch
    Ein Roman der die aktuelle Welle der Geheimbund/Verschwörungsthriller auf eine, nach deren Regeln sie ad absurdum führende, Spitze treibt.


    Der Roman spielt gekonnt mit verschiedenen Ebenen der Fiktion, die ihre Position immer wieder miteinander wechseln. Was dem Leser wie Realität scheint wird zur Fiktion und Fiktion zur Realität.


    Das Ende ist nach einigem Überlegen schlüssig, den das Gute kann nichts Böses tun, also ein Happyend – auch wenn dem Leser die geschilderte Realität komplett absurd vorkommt.


    Ruff greift wieder auf seine Welt voller sprühender Fantasie aus „Fool on the hill“ zu (G.A.S. habe ich noch nicht gelesen), während „Ich und die anderen“ für den Leser nachvollziehbarer ist.


    Nichts für den „eine gewohnte nachvollziehbare Handlung erwartenden Leser“, eher für DickHeads oder Tom Robbins und Robert A. Wilson geübte.


    Auf jeden Fall werden die Abstände zwischen den Ruffs kürzer
    1988 – 1997 – 2003 – 2007 (im Original)
    Dafür nehme ich gerne auch etwas weniger Seiten in Kauf.


    Ich und die anderen bekam 10 points
    Fool on the hill 10 points
    Bad Monkeys …….. 9 points



    Zitat

    Original von Tom
    Jane Charlotte sitzt - wenn man dem Klappentext glaubt, unter Mordanklage, aber entsprechende Hinweise im Text fehlen


    Nicht ganz- Fast zum Schluß ihrer Erzählung begeht Jane einen echten Mord - keinen mit Ihrer Bad Monkeys-Waffe - der zu dem Gespräch führt.


    Zitat

    Original von Tom
    Was ist wahr, was ist Fiktion innerhalb der Fiktion - ich weiß es nicht. Und, Schande über mich - ich will es auch eigentlich überhaupt nicht wissen.


    Wieso Schande - wichtig ist doch nur zu erkennen, das es diese Verschachtelungen gibt. Es zählt immer nur die gerade aktuell hervorstechendste - wie im RL

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Ich kann mich Tom nur anschließen, schade hier ist ein sehr guter Ansatz irgendwie im Sande verlaufen.


    Zunächst dachte ich wow, was für ein Buch, abgedrehte Story, witzig geschrieben, sehr spannend.
    Nach ca zwei Dritteln der Geschichte konnte ich mir keinen Schluss mehr vorstellen, der mich auch nur einigermaßen befriedigt hätte.
    Dann kam die "schlechte Jane" und das war der Anfang vom schlechten Ende.
    Von mir gibt es 7 Punkte.

  • Ich fand's gut. Auf das Ende wäre ich nie gekommen.


  • Ich bin auch neugierig -werde es demnächst bekommen. :-)

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zitat Dyke:


    Zitat

    Das Ende ist nach einigem Überlegen schlüssig, den das Gute kann nichts Böses tun, also ein Happyend – auch wenn dem Leser die geschilderte Realität komplett absurd vorkommt.


    Ich habe das Buch gerade beendet und komme tatsächlich ins grübeln :gruebel
    Aber sowas mag ich durchaus bei Büchern.



    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Titel: Bad Monkeys
    Autor: Matt Ruff
    Übersetzt von: Giovanne und Ditte Bandini
    Erschienen als TB: November 2009
    Seitenzahl: 267
    ISBN-10: 3423211792
    ISBN-13: 978-3423211796
    Preis: 8.95 EUR


    Darum geht es in diesem Buch von Matt Ruff:
    Las Vegas. Hochsicherheitsgefängnis. Psychiatrische Abteilung. Eine Mörderin legt ein Geständnis ab. Angeblich gehört sie einer mächtigen Geheimorganisation an, deren Ziel es ist, das Böse zu bekämpfen. Mittels geheimnisvoller NT-Knarren, die Herz- oder Schlaganfälle verursachen können, habe sie die Welt von Entführern, Pädophilen und Kofferbombern befreit. Eine schier unglaubliche Geschichte erzählt sie dem Gefängnispsychiater. Jedoch lässt sich einiges von Jane Charlottes Aussagen tatsächlich belegen. Aber was stimmt und was nicht? Ist sie völlig verrückt, lügt sie - oder geht da in Wirklichkeit etwas ganz anderes vor sich?


    Meine Meinung zu diesem Buch:
    Das Buch von Matt Ruff ist eine Mischung aus Science Fiction, Kriminalroman, Thriller und eben auch Gesellschaftskritik. Aus dieser Mischung hat Matt Ruff ein durchaus lesenswertes Buch gemacht. Allerdings schwächelt dieses Buch an manchen Stellen. Da flacht es ab, aber glücklicherweise immer nur für kurze Zeit. Ordentlich gelungen sind die Szenen in dem Buch, die einen leicht surrealistischen Anstrich haben. Es sind gerade diese Szenen, die das Buch aus dem literarischen Einheitsbrei etwas herausheben. Trotzdem reicht Matt Ruff nicht an seinen Roman „Ich und die anderen“ mit diesem Buch heran. Nicht einmal ansatzweise. „Bad Monkeys“ ist kein schlechtes Buch, aber es ist eben auch kein ausgesprochenes Highlight. Es fällt ab, zieht man die anderen Romane von Matt Ruff zum Vergleich heran. Matt Ruff kann sicher mehr und es ist zu hoffen, dass er mit seinem nächsten Buch wieder in Gänze zur alten Klasse zurück findet. Der Showdown am Ende des Buches wirkt zu konstruiert und gewollt und nicht alle Fäden werden entwirrt. Auch bleibt eigentlich etwas im Trüben, was Matt Ruff mit diesem Buch eigentlich sagen wollte. Aber vielleicht wollte er ja auch nur eine Geschichte schreiben, ohne Message und tieferen Sinn.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • In der ersten Hälfte des Romans war ich begeistert, erzählte Matt Ruff doch mit viel Schwung eine abgedrehte Geschichte mit phantastischen Einfällen. Danach jedoch wurde es mir zu abgedreht und fern jeglicher Realität, sodaß auch ich mich fragte, ob dies nicht etwa die Aussagen einer psychisch schwer Kranken sind, wogegen wieder das Ende spricht. Auch dieses Ende konnte mich nicht erreichen, irgendwie war mir das ein Zuviel an allem.
    Schade, Ruff schreibt rasant und hat gute Einfälle, verliert aber bei "Bad Monkeys" leider allzufrüh jegliche Realitätsnähe und Nachvollziehbarkeit.
    Aber vielleicht habe ich den Sinn der Geschichte auch ganz einfach nicht verstanden...