Ein schönes Attentat - Assaf Gavron

  • OT: Tanin pigua



    Kurzbeschreibung:


    Eitan Einoch, ein erfolgreicher Yuppie in einer Hightech-Firma in Tel Aviv, entgeht in kurzer Abfolge drei Attentaten und wird zur nationalen Berühmtheit. Er hat überlebt, aber sein Leben ist zerstört: Er wird von den Medien vereinnahmt, verliert Job und Freundin und begibt sich auf die Suche nach den Hintergründen für die Attentate. Dabei kreuzt sein Weg den eines Palästinensers - jenes Mannes, der für die Anschläge verantwortlich ist.



    Über den Autor:


    Assaf Gavron wurde 1968 geboren, wuchs in Jerusalem auf und studierte in London und Vancouver. Er hat drei Romane und einen Band mit Erzählungen veröffentlicht und ist in Israel Bestsellerautor. Außerdem hat er u.a. Jonathan Safran Foer und J.D. Salinger ins Hebräische übersetzt, ist Sänger und Songwriter der israelischen Kultband "The Mouth and Foot" und war im Schreibteam des Computerspiels "Peacemaker", das den Nahost-Konflikt simuliert. Einer seiner Romane wird gerade verfilmt. Assaf Gavron lebt inzwischen in Tel Aviv.



    Meine Meinung:


    „Ein schönes Attentat“ ist keine leichte Lektüre, die vielen – in unseren Ohren ungewohnten – Namen fordern ebenso die Konzentration des Lesers wie der wechselnde Aufbau der Geschichte. So wird konsequent zwischen der Sicht der beiden Hauptfiguren Eitan Einoch und Fahmi Sabih gewechselt, wobei Eitan chronologisch erzählt und Fahmi parallel dazu sowohl rückblickend erzählt als auch einige kurze Zwischensequenzen aus der Gegenwart einfließen lässt. Ein solides Grundwissen über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern wird zwar nicht unbedingt vorausgesetzt, trägt aber durchaus zum Verständnis der Geschehnisse bei. Diese Geschehnisse sowie Figuren und Institutionen sind auf der einen Seite überspitzt gezeichnet (z.B. die Firma, bei der Eitan arbeitet), auf der anderen Seite erschreckend real (z.B. die Lebensbedingungen in den Siedlungen), was einen merkwürdig anmutenden Mix ergibt, der bei dem Leser eine gewisse Faszination und den Drang zum Weiterlesen, aber auch ein undefinierbares, mulmiges Gefühl verursacht.


    Gavrons klare Sprache und seine Fähigkeit bis ins Innerste seiner beiden Hauptfiguren zu blicken und es für den Leser – und nur für den Leser – nach außen zu kehren, ist beeindruckend authentisch. Ihm gelingt es, dass Verständnis, wenn nicht gar Sympathie für beide Seiten entsteht, was durchaus die Realität widerspiegelt, kommt man zu dem Schluss, dass beide, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise, Opfer sind. Opfer der Situation, in der sie leben, und aus der es kein Entrinnen gibt. Gavron will nicht politisch korrekt sein, er hält der Welt nur einen Spiegel vor und trägt so vielleicht (und hoffentlich!) zum Bewusstsein bei, welch absurde Blüten dieser Konflikt treibt und in welchem Ausmaß dieser Wahnsinn das alltägliche Leben bestimmt. Wenn das letzte Kapitel beendet ist, ist die Geschichte noch lange nicht abgeschlossen, denn sie sorgt dafür, dass die nächste Nachrichtenmeldung über einen Selbstmordattentäter im Nahen Osten wieder bewusst und mit einem anderen Gefühl als vorher wahrgenommen wird.


    Eine tragikomische Geschichte, die an vielen Stellen surreal erscheint und doch in beeindruckender Weise zeigt, in welcher Welt wir leben.



    Von mir 9 Punkte! :wave

  • Hallo Milla :wave
    Das Buch ist mir beim Randomhouse Gewinnspiel schon aufgefallen. Danke für die tolle Rezi, jetzt wandert es auch auf die WL

    Liebe Grüße,
    Ninnie



    Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.
    Sir Winston Churchill 1874-1965

  • Zitat

    Original von ninnie
    Hallo Milla :wave
    Das Buch ist mir beim Randomhouse Gewinnspiel schon aufgefallen. Danke für die tolle Rezi, jetzt wandert es auch auf die WL


    :write Dort ist es mir auch aufgefallen, allerdings war ich mir nach dem Lesen der Rezension dort nicht ganz sicher, ob es was für mich ist. Deine Rezi hat mich aber überzeugt, Milla, so dass es nun auf meine Wunschliste wandert.


    Das Gewinnspiel habe ich noch nicht mitgemacht, weil ich mich noch nicht ganz entscheiden konnte, für welches Buch ich mich entscheiden soll, die Entscheidung fällt nun noch schwerer. :lache

  • Ich habs mir gerade bei der Bücherei ausgeliehen. Ich hab über den Autor ein Portrait im Fernsehen gesehen und ich war allein schon vom Titel überrascht und deshalb habe ich es mir mal besorgt.

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  • Ich habs gestern fertig gelesen und kurz und bündig, es war echt gut!


    Die Erzählweise aus zwei Perspektiven hat mich anfangs ein wenig verwirrt, aber nach einigen Seiten hat sich das gelegt, weil die Sprache nicht kompliziert ist und die Kapitel die einzelnen Personen gut trennen.


    Das eindeutige Ende hat der Autor konsequent durchgezogen. Ich wüsste gerne, was aus dem Hauptdarsteller weiterhin wird bzw. was wurde aus dem Attentäter (obwohl ich mir das denken kann)


    Ich kann nciht beurteilen, wie realistisch das Werk ist, aber es hat gute Kritiken auch in Israel bekommen und ich denke, es zeigt beide Seiten, wenn auch der Konflikt für uns im friedlichen Europa schwer nachzuvollbar ist.


    Also von mir kommen 8 Punkte.

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  • Der Autor schafft es wirklich gut, in diesem Roman über die Lage im heutigen Israel wirklich viele Seiten zu Wort kommen zu lassen. Neben den beiden Hauptpersonen, deren Geschichte in abwechselnden Kapiteln in der Ich-Form erzählt wird, kommt die ganze Bandbreite der Bewohner von Israel und Palästina in zahlreichen Gesprächen und Beschreibungen vor. So schaffte es der Autor, ein umfangreiches Gesamtbild der Situation aus Sicht der Bevölkerung zu schaffen. Die einzigen, die praktisch nicht vorkommen, sind die Politiker.


    Ich fand "Ein schönes Attentat" einen sehr gelungenen Roman über den israelisch-palästinensischen Konflikt, auch wenn mir selbst nach Beendigung des Buches der Titel ein Rätsel bleibt.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)