Kurzbeschreibung:
In den 50 Jahren, die seit dem Beginn der Europäischen Integration vergangen sind, hat die Kraft der früheren Visionen nachgelassen. Das große Friedensprojekt der Gründer ist für die heutigen Europäer bereits eine Selbstverständlichkeit. Europas Gesellschaft ist älter geworden und will Ruhe, Sicherheit und Wohlstand. Das Nein der Franzosen und Holländer im Mai/Juni 2005 zum mühsam ausgehandelten europäischen Verfassungsentwurf und das Scheitern der Verhandlungen über das 7-jährige EU-Budget 2007 - 2013 im Juni 2005 hat die EU in eine tiefe Krise gestürzt.
Das Buch legt dar, wie die österreichische Ratspräsidentschaft 2006 das EU-Schiff nach der Lähmung wegen des gescheiterten Verfassungsvertrages wieder flott machen konnte und was der Vertrag von Lissabon für die Zukunft Europas bedeutet. Es gewährt einen offenen Blick hinter den Vorhang der komplexen Brüsseler Entscheidungsmaschinerie und zeigt, weshalb der Traum der Gründerväter von den Vereinigten Staaten von Europa nicht realisierbar ist und wie die weitere Entwicklung der Europäischen Union tatsächlich sein wird. Interviews mit Heinz Fischer, Wolfgang Schüssel, Angela Merkel, Javier Solana, Benito Ferrero-Waldner, Hans-Gert Pöttering, Martin Bartenstein, Sergej Lawrow, Günther Verheugen, Ursula Plassnik, Hubert Gorbach und Janez Jansa beleuchten die Erfolge und Misserfolge des österreichischen EU-Vorsitzes aus unterschiedlicher Perspektive.
Über die Autoren:
Gregor Woschnagg, geboren 1939 in Bern, von 1999 bis 2007 Ständiger Vertreter Österreichs bei der EU
Werner Mück, Geschäftsführer TW1, Journalist, zuletzt Chefredakteur der TV-Information des ORF
Alfred Payrleitner, geboren 1935 in Wien, freier Publizist
Eigene Meinung:
Der Titel dieses Buches hat mich neugierig gemacht, obwohl mich der Untertitel „Österreichs EU Vorsitz und die Zukunft Europas“ wieder etwas abgeschreckt hat, da man dabei eine leichte Beweihräucherung der österreichischen Präsidentschaft vermuten musste, was dann zwar auch in leichten Zügen tatsächlich der Fall war, aber in einem durchaus sehr erträglichen Maß.
Etwas undurchsichtiger ist dabei schon die Verfasserschaft dieses Buches. Auf dem Cover wird mit drei Autoren geworben, die sicher aufgrund ihrer Vita Zugkraft für dieses Buch haben könnten. Vor allem von einem ehemaligen Beamten, der in Brüssel gearbeitet hat, erwartet man sich sehr viel Insiderwisssen über die EU. Verwunderlich wird es dann aber, dass die einzelnen Abschnitte oft mit Autoren überschrieben werden, wovon nur Payrleitner auch das Cover ziert. Das Vorwort von Wolfgang Schüssel und die Tatsache, dass seine ehemalige Pressesprecherin Heidi Glück als Projektleiterin aufgeführt wird, lässt auch eine gewisse Einflussnahme von dieser Seite vermuten. Eine besser Offenlegung wäre hier sicher wünschenswert gewesen.
Inhaltlich kann das Buch seinen Anspruch – Hinter die Kulissen der EU zu blicken – nur bedingt erfüllen. Am Anfang wird die Entwicklung der EU bis zu ihrem heutigen Stand skizziert und dabei findet auch eine kritische Würdigung statt. Danach wird ein großes Kapitel vor allem dem System des Rates und der Vorsitzführung gewidmet. Dabei handelt es sich um ein sehr wertvolles Kapitel, da dabei wirklich die Entscheidungsprozesse innerhalb der EU anschaulich dargestellt werden.
Den größten Teil nimmt allerdings eine Bilanz der Präsidentschaft Österreichs ein, wobei die wichtigsten Politikfelder abgegrast werden und diese auch in die bisherige Entwicklung eingebettet werden. Schade ist hier, dass der Anspruch Hinter die Kulissen zu blicken hier gar nicht erfüllt wird. In ähnlicher Weise - vielleicht nicht so gut komprimiert – würde man sich hier auch schnell im Internet informieren können.
Auch ein Kapitel über den Vertrag von Lissabon fasst die wichtigsten Neuerungen zusammen und bietet einen guten Überblick, darüber, wobei diese leider ohne kritische Würdigung präsentiert wird.
Aufgelockert wird das Buch durch Kurzinterviews mit verschiedenen Personen. Diese haben im Regelfall eine Länge von zwei bis drei Seiten und bleiben leider auch meistens sehr unergiebig. Über Abläufe in der EU wird eher wenig vermittelt. Fragen beziehen sich auf die Ratspräsidentschaft Österreichs, Türkei, Verfassung, „polnischer Ungeist“. Keine wirklich überraschenden Aussagen sind daher auch zu erwarten.
Aufgrund der verschiedenen Autoren an diesem Buch schwanken die Texte auch stark. Generell waren sie mir vor allem im Bereich über die Politikfelder oft zu detailliert und haben zu wenig die allgemeinen Linien herausgestellt. Manche Texte waren auch recht technisch, obwohl der Großteil auch ohne Vorwissen sicher gut verständlich ist. Manche eher unbekannteren Bereiche wurden dann oft verkürzt gebracht und da hätte ich mir oft mehr gewünscht, anstatt einen „Tatenbericht der Präsidentschaft“ zu lesen.
Ich vergebe daher nur 6 Punkte.