Bei einem Brand starben 9 Menschen.In Ludwigshafen findet kein Fasching mehr statt: Richtig?

  • Zitat

    licht: Was hier nur aber geheuchelte Betroffenheitsdemonstration sein soll, erschliesst sich mir immer noch nicht


    Ich denke, der Konformitäts-Zwang ist ungeheuerlich giganto-saurisch-riesig: Auf jedem Narrenkäppi lastet die Hypothek, sich ungebührlich/unschicklick verhalten zu haben, angesichts der grausamen Wirklichkeit da draußen.

    Zitat

    bea: Ohne respektlos zu sein: Dann müsste man angesichts des Klimawandels auf Veranstaltungen mit CO2-Stinkern (Traktoren etc) verzichten...


    Genau!
    Warum sperren wir nicht nach jeder Massenkarambolage die gottverdammten Autobahnen?
    Das gäbe unmittelbar Sinn.


    Weniger Sinn ergibt es, nach der o.g. Massenkarambolage, das Essen von Sahnetorten zu verbieten, oder Hip-Hop-Musik, oder eine Würstelparty im Kindergarten!


    Eine noch andere Sache ist es, wenn die Regierung der Türkei, eines nicht ganz unbedeutenden Landes wie ich meine, lautstark vermutet, es könnte sich um ein "zweites Solingen" handeln.


    Die vorauseilende Absage öffentlicher Veranstaltungen war insofern dringend geboten.


    Zitat

    Tom: Dann gibt es da noch das Argument, der Verzicht wäre ein Ausdruck des Respekts vor den Verstorbenen und ihren Angehörigen. Mit Verlaub. Würde man das ernst meinen (und nehmen), dann käme man aus dem Verzicht nicht mehr heraus. Nie mehr. Siehe Eingangsposting


    Ich finde Deine Schreibe einfach gigantisch. Die Charakterisierung eines Sachverhaltes exakt auf den Punkt in 25 Wörtern.

  • Humpenflug : ;-)


    Ein wenig anders - aber das entzieht sich meiner Kenntnis - wäre der Sachverhalt natürlich, wenn der geplante Faschingsumzug am ausgebrannten Haus vorbeiführen würde. Andererseits, um beim Autobahnbeispiel zu bleiben: Jeder von uns benutzt wahrscheinlich häufiger als ihm selbst lieb ist Straßenabschnitte, auf denen Menschen auf sehr tragische Weise ums Leben gekommen sind. Vielleicht nur Stunden vorher. Der gesellschaftliche Kollateralschaden wird hingenommen. Anders wäre das Leben auch kaum zu bewältigen. Die Hersteller von Papiertaschentüchern würden ansonsten mehr Umsatz machen als die gesamte KFZ-Branche.


    Der Hintergedanke bei solchen Aktionen wie der Faschingsabsage ist ja auch eine antizipierte Reaktion der mittelbar Betroffenen (vermutlich, ohne sie je gefragt zu haben): Wie kann man ausgelassen feiern, während wir trauern? Diese Frage läßt sich leicht variieren und auf tausende Alltagssituationen übertragen, und die Antwort lautet: Weil man sonst durchdrehen würde.

  • Ob man trauert hängt nicht mit Entfernung in Kilometern zusammen sondern mit dem persönlichen Bezug, den ich zu den Opfern habe. Der kann gegeben sein, wenn ich jemanden persönlich kenne, aber auch, wenn ich mich diesen Menschen, warum auch immer, verbunden fühle. Vielleicht weil man die gleiche Herkunft hat, weil man selbst kleine Kinder hat oder was auch immer.
    Ich glaube aber, dass die Absage der Feierlichkeiten ein Politikum ist und gar nicht anders möglich war. Und das ist auch richtig so.

  • Zitat

    Original von Tom
    Humpenflug : ;-)


    Ein wenig anders - aber das entzieht sich meiner Kenntnis - wäre der Sachverhalt natürlich, wenn der geplante Faschingsumzug am ausgebrannten Haus vorbeiführen würde. [/I].


    Der Faschingsumzug war gerade vorbei, danach ist der Brand ausgebrochen, deswegen war die Feuerwehr ja auch so schnell da.


    Liebe Grüße


    Beatrice

  • Zitat

    Original von Humpenflug
    Ich denke, der Konformitäts-Zwang ist ungeheuerlich giganto-saurisch-riesig: Auf jedem Narrenkäppi lastet die Hypothek, sich ungebührlich/unschicklick verhalten zu haben, angesichts der grausamen Wirklichkeit da draußen.


    Verzeih, wer zwingt denn hier wen zur Trauer oder zu irgendeiner anderen Reaktion? Ich finde es umgekehrt sehr befremdlich, dass nun jeder, der sich betroffen fühlt als potentieller Heuchler dastehen könnte und sich dafür rechtfertigen muss, dass ihm dieses Geschehen nahe geht und womöglich ein anderes nicht. Ich frage mich, wie man darüber auch nur im entferntesten urteilen mag.
    Ja, solches Verhalten ist irrational - und ja, man könnte und müsste, wäre es rational und konsequent, gar nicht mehr feiern angesichts dessen, was täglich durch die Nachrichten geht. Aber es geht hier auch um Gefühle und Empfindungen. Es gibt Menschen, die sind dafür empfänglich und es gibt Menschen, bei denen die Reizschwelle deutlich anders gelagert ist - das ist doch aber normal und völlig OK. Dass da nun Heuchelei vorgeworfen wird, empfinde ich als völlig unnötige Beschimpfung derer, denen (warum auch immer) ein solches Geschehen nahe geht.


    Ich finde es richtig, dass die Verantwortlichen so viel Taktgefühl hatten, in Ludwigshafen die offiziellen Feierlichkeiten auszusetzen. Ich finde, das gebietet der Respekt (und, sicher in diesem Fall auch die politische Klugheit, wie sich mittlerweile leider herausstellt.) Es ist vielleicht auch wert, den Unterschied zwischen offiziellen und individuellen Handlungen zu beachten.


  • In den Nachrichten wurde behauptet, dass die Feuerwehr zu lange gebraucht hätte. Also stimmt das gar nicht? (Etwas anders konnte ich mir auch nicht denken)

  • Nein, das stimmt nicht. Es hieß, zwischen Meldung des Brandes und Eintreffen der Feuerwehr lagen gerade mal ZWEI Minuten. Kürzer kann es eigentlich NICHT dauern, außer der Brand bricht IN der Feuerwache aus.


    Die Feuerwehr war wegen des Faschingsumzugs sozusagen bereits vor Ort.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Genau das dachte ich mir bereits. Konnte mir nicht vorstellen das die Feuerwehr 20 Minuten gebraucht haben soll.
    Und was da nun in Ludwigshafen passiert dazu schweige ich lieber. :-(

  • Zitat

    Original von hestia2312
    Der Faschingsumzug war gerade vorbei, danach ist der Brand ausgebrochen, deswegen war die Feuerwehr ja auch so schnell da.


    Liebe Grüße


    Beatrice


    In den Nachrichten wurde behauptet, dass die Feuerwehr zu lange gebraucht hätte. Also stimmt das gar nicht? (Etwas anders konnte ich mir auch nicht denken)[/quote]


    @ hestia2312


    Batcat hat recht, die Feuerwehr braucht nur 2 Minuten.

  • --------------------------------------------------------------------------------


    Genau.
    Deshalb befasse ich mich mit dem Einflussfeld von Sprache und Wirklichkeit.


    Richtig passend zitiere ich aus einer Veröffentlichung des Bundespräsidenten (eine [URL=http://eng.bundespraesident.de/Reden-und-Interviews/Reden-Roman-Herzog-,11072.11988/Rede-von-Bundespraesident-Roma.htm?global.back=/Reden-und-Interviews/-%2C11072%2C1/Reden-Roman-Herzog.htm%3Flink%3Dbpr_liste]Rede von Roman Herzog 1999 [/URL]zur Walser-Bubis-Debatte um Für und Wider eines zentralen Holocaust-Mahnmals): ".... business as usual: Schon nach kurzer Zeit fielen Teile der allgemeinen Debatte wieder in die alten Muster gegenseitiger Beschuldigung zurück: als stünden hier die ewigen Verdränger oder gar Leugner, dort die ewigen Beschuldiger, ja Selbstbeschuldiger. Solche Art der Auseinandersetzung ist unsinnig und fruchtlos. Der Holocaust ist das allerletzte, was wir solchen primitiven Denkschablonen oder - sagen wir es deutlich: - was wir der political correctness überlassen dürfen"

  • Die ARD hat den für gestern Abend ursprünglich angesetzten "Tatort" abgesetzt und eine ältere Folge wiederholt. Die für gestern geplante Folge wird nun im April gesendet. Es ging um Morde unter türkischen Geschäftsleuten. Bis auf diesen Zusammenhang gab es keine Verbindung zu den realen Geschehnissen in Ludwigshafen.


    :pille

  • Ich habe mal in Ludwigshafen gewohnt. Lebe jetzt 400 km weit weg, kenne aber das Haus, das Viertel und die Gegend vom täglichen vorbeigehen.
    Und sogar ich war betroffen.


    Wie ja schon geschrieben wurde: Fasching ist in Ludwigshafen eigentlich nur am Sonntag zum Umzug eine große Sache, ansonsten feiern die Vereine und in den Stadtteilen.
    Wenn die nun ihre Veranstaltungen absagen, ist es ihr Ausdruck von Trauer und Betroffenheit.
    Das ist nicht aufgebauscht oder gibt kein falsches Signal.
    Man muß nicht auf Teufel komm raus feiern, nur weil der Termin im Kalender steht!
    Die Ludwigshafener, die feiern wollen, haben es nicht weit bis nach Mannheim um dort ihre Feierlaune auszuleben.


    Und was den Tatort angeht: vielleicht überreagiert. Ich kenne den Tatort logischerweise noch nicht. Aber wenn die, die die Story kennen, meinen, ist es doch auch nicht tragisch, wenn er um einige Wochen verschoben wird.
    Man muß auch nicht mit Gewalt Menschen vor den Kopf stoßen.


    Wie war das vor zwei Jahren nach dem Tsunami. Da gab es auch Aufregung: die einen regten sich auf, wenn Julis Song "Die perfekte Welle" im Radio lief, weil es Erinnerungen weckte. Die anderen regten sich darüber auf, daß Radiosender sich entschieden den Song erst mal nicht zu spielen. Lustigerweise gar nicht aufgeregt hat sich die Band Juli.
    Also: solange die Tatort-Beteiligten hier nicht in helle Aufregung ausbrechen....

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Hallo, Janda.


    Es geht letztlich (wieder) um eine Form von Appeasement. Das ist den Äußerungen der beteiligten Lokalpolitiker, aber auch - leider - denjenigen der Bundespolitiker deutlich zu entnehmen. Obwohl meiner Kenntnis nach noch keine Hinweise auf die Unglücksursache (und damit mögliche Täter, sofern es überhaupt eine Tat gab) gefunden sind, hat das "Solingen!"-Geschrei aus der Türkei die erwünschten Reaktionen bewirkt. Man geht vorsorglich in die Defensive und läßt sogar anlaßgemäß originelle Bevormundungen über sich ergehen (türkische Schulen). Nicht nur das. Erdogan hat heute gesagt, "Assimilation sei ... ein Verbrechen gegen die Menschheit". Heißa. Wir sind die Borg. Von Integration oder Migration redet sowieso immer nur eine Seite. Und die auch bestenfalls halbherzig.


    So wird das nie funktionieren.

  • Zitat

    Original von Tom
    Es geht letztlich (wieder) um eine Form von Appeasement. Das ist den Äußerungen der beteiligten Lokalpolitiker, aber auch - leider - denjenigen der Bundespolitiker deutlich zu entnehmen. Obwohl meiner Kenntnis nach noch keine Hinweise auf die Unglücksursache (und damit mögliche Täter, sofern es überhaupt eine Tat gab) gefunden sind, hat das "Solingen!"-Geschrei aus der Türkei die erwünschten Reaktionen bewirkt. Man geht vorsorglich in die Defensive und läßt sogar anlaßgemäß originelle Bevormundungen über sich ergehen (türkische Schulen). Nicht nur das. Erdogan hat heute gesagt, "Assimilation sei ... ein Verbrechen gegen die Menschheit". Heißa. Wir sind die Borg. Von Integration oder Migration redet sowieso immer nur eine Seite. Und die auch bestenfalls halbherzig.


    So wird das nie funktionieren.


    Für seine Rede hat Erdogan aber auch von seinen anwesenden Landsleuten in der Kölnarena einiges an Kritik geerntet. Zumindest wurden da heute durchaus kritische Stimmen von integrationswilligen türkischen Mitbürgern geäußert.


    Das hat für mich gar nichts damit zu tun, wie man Trauer usw. zeigt und wie man mit einem solchen Trauma umgeht.


    Anders gesagt: wenn in dem Haus nur deutsche verbrannt wären, glaubst du Karneval wäre da munter vor der Tür gefeiert worden? Oder glaubst du, daß ein Tatort oder anderer Film, wo es um Brandopfer z.b. geht, wäre dann gezeigt worden.
    Mein Beispiel mit dem Song " Die perferkte Welle" sollte eigentlich genau das sagen.


    Der Verzicht auf Karneval hat für mich nichts mit der Nationalität der Umgekommenen zu tun, sondern ist ein Ausdruck von Betroffenheit.
    Und zum Tatort kann man wohl nur etwas sagen, wenn man den Tatort an sich kennt. Und darum äußere ich mich dazu dann erst im April.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Zitat

    In Ludwigshafen findet kein Fasching mehr statt: Richtig?


    Ich denke, das gilt doch nur für das Jahr 2008? Das finde ich verständlich.


    Nicht aber, dass nun der Fasching in LU für alle Zeiten abgeschafft werden soll. Das fände ich stark übertrieben.

    Man sollte nichts auf morgen verschieben, wenn man es genausogut auch übermorgen erledigen kann. (Mark Twain)