“Mythos ist die Epiphanie des Göttlichen im Sprachzentrum des menschlichen Hirns.“
(Karl Kerényi, Seite 187)
206 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Originaltitel: AnnaIn w grobowcach [wiata
Aus dem Polnischen von: Eshter Kinsky
Verlag: Berlin Verlag, Berlin, 1. Auflage 2007
ISBN-13: 978-3-8270-0727-8
Kurzinhalt / Klappentext (aus dem Klappentext sowie dem Buch selbst von mir zusammengestellt)
„Mit dieser Geschichte habe ich auf einen der ältesten Mythen der Menschheit zurückgegriffen. Die Heldin ist die sumerische Göttin Inanna, Tochter des Mondgottes und der Mondgöttin, Herrscherin über die Stadt Uruk, die Göttin von Liebe und Krieg,“ schreibt die Autorin zu ihrem Buch. Inanna auf ihrer Reise in die Unterwelt und wieder zurück: das ist die älteste der uns bekannten Erzählungen über eine Gottheit, die regelmäßig stirbt, doch nach gewisser Zeit wieder ins Leben zurückkehrt. Hier mit modernen Elementen und Bildern versehen nacherzählt.
Ich habe lange überlegt, in welche Rubrik dieses Buch gehört. „Religion“ ist es eigentlich nicht, „Esoterik“ auf gar keinen Fall, „Belletristik“ aber m. E. auch nicht, dazu ist es zu schwere Kost. Drum habe ich es unter „Zeitgenössisches“ gestellt. Wenn das nicht richtig sein sollte, bitte verschieben. Wenngleich ich nicht wüßte wohin.
Über die Autorin
Olga Tokarczuk wurde 1962 in Sulechów geboren. Sie studierte Psychologie in Warschau. Ihr Romandebüt "Prodróž ludzi ksiegi" ("Die Reise der Buchmenschen") erschien 1993 und wurde von der Gesellschaft der polnischen Buchverlage als bestes Prosadebüt der Jahre 1992 und 1993 ausgezeichnet. 1995 erschien der Roman "E. E.". Ihr dritter Roman "Ur und andere Zeiten" ("Prawiek i inne czasy", 1996) wurde für den NIKE Literaturpreis nominiert. Olga Tocarczuk wohnt heute in einem kleinen Ort bei Nowa Ruda, nahe der polnisch-tschechischen Grenze. Dort führt sie auch ihren eigenen kleinen Verlag „Ruta“. (Quelle: Verlagsangabe sowie Wikipedia)
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Meine Meinung
Ich, SiCollier, ich jeder, der erzählt, ich will versuchen, ein Buch vorzustellen, das sich nur schwer vorstellen, und noch schwerer einordnen läßt. Ein Buch, das zwar rasch durchgelesen (186 Seiten Text sowie dankenswerterweise rund 20 Seiten Nachwort und Erklärungen), jedoch sicher keine leichte Kost für so nebenbei ist. Seit einiger Zeit taucht das Thema „Inanna“ immer mal wieder im Forum der Joseph-Campbell-Foundation (< Klick > zum Thread, da kein Bücherforum, ist das keine „Konkurrenz“ zur Büchereule, weshalb der Link kein Problem sein sollte) auf, wo ich auch das erste Mal davon gehört habe. Jetzt wollte mich mich näher damit befassen, und habe von meinen derzeit drei Büchern dazu mit diesem begonnen, weil es umfangmäßig das kleinste ist. Ob es zum Themeneinstieg für gänzlich Unbedarfte das geeignetste ist, bin ich mir nicht so ganz sicher.
Die Sprache besteht meist aus kurzen Sätzen, ist nüchtern, distanziert. Kühl wie die Welt, die sie beschreibt. Eine teilweise seltsame Welt, wie einem düsteren Science Fiction Film entlehnt. Ein Mythos der Sumerer, erzählt mit der Sprache und den Bildern unserer, vielleicht sogar einer zukünftigen Zeit. Eine ungewohnte, eine kraftvolle, auf jeden Fall eine eindrucksvolle und einprägsame Verbindung.
Das Buch wird aus mehreren Sichtweisen erzählt. Da ist einmal Nina Szubur, die Freundin und Dienerin AnnaIns, Inannas. Sie erzählt den größten Teil dessen, was außerhalb der Katakomben, im Leben, passiert. Da ist Neti, der Pförtner der Katakomben, der von dem berichtet, was in diesen - im Reich der Toten - geschieht. Und da ist Anna Geszti, Gesztianna, die Schwester des Gärtners, des Geliebten Inannas, die Traumdeuterin, die auch ihren Teil beisteuert.
Den Mythos interpretieren heißt, auf dem Weg von Analyse, Assoziation und Amplifikation zu seiner Bedeutung vozustoßen, ihn aus der einen Sprache in die andere zu übersetzen. Den Mythos interpretieren heißt in diesem Sinne soviel wie sich selbst verstehen. (Seite 206)
Manchmal hatte ich das Gefühl, daß Erzählung und Interpretation ineinander verwoben sind, eine Einheit bilden, und den Weg zu sich selbst in Metaphern beschreiben, die sich nicht leicht, und schon gar nicht beim ersten Lesedurchgang erschließen. Als ob ein Mythos aus der Vergangenheit in die Sprache unserer Zeit übersetzt worden wäre. Aber selbst dann will er erarbeitet sein, erklärt seine Bedeutung nicht mal so nebenbei, spricht Schichten an, die uns heutigen nicht mehr unbedingt gegenwärtig sind, bisweilen sogar verleugnet werden.
Es erscheint paradox, daß ausgerechnet im Sand des Irak - eines Landes, das Schauplatz so vieler Aspekte des aggressiven Triumphes patriarchalischer Macht geworden ist, wie Diskriminierung, Unterdrückung, Konfrontation, Domination - nach mehreren Jahrtausenden zu Beginn eines neuen Millenniums die mythologische Gestalt einer vielgesichtigen weiblichen Gottheit für uns wiederentdeckt wird. (Seite 203)
Im umfangreichen Nachwort gibt die Autorin viele Erläuterungen zur Textüberlieferung, zum Inhalt des Mythos, wie er auf uns überkommen ist, zu ihrem eigenen Herangehen an den Stoff. Diesen Teil habe ich zuerst gelesen, und war auch dankbar dafür.
Wie ich das Buch punktemäßig bewerten soll, weiß ich noch nicht. Dazu brauche ich noch etwas Abstand. Ich habe das Gefühl, mir hat jemand eine gleichnishafte Geschichte erzählt, in der eine tiefere und für mich wesentliche Bedeutung versteckt ist. Aber in Bildern, die sich mir als Rätsel darstellen und selbst erst entschlüsselt und in mein Leben übertragen werden müssen. So, wie es wohl bei den meisten Mythen der Fall ist.
Ich, SiCollier, ich jeder, der erzählt, ich habe versucht, etwas zu erklären, was kaum zu erklären ist. Der Weg zum Verständnis seiner selbst ist lang und beschwerlich; vielleicht ist hier, in diesem Buch, ein Einstieg, eine Hilfe gegeben.
Kurzfassung:
Einer der ältesten Mythen erzählt in den verstörenden Bildern unserer Tage. Eine starke und gelungene Kombination.
ASIN/ISBN: 3827007275 |