Der 30.01.08, ein Mittwoch, versprach ein ziemlich unspektakulärer Tag zu werden. Normal in die Arbeit und danach nichts geplant. Das änderte sich um Punkt 12:00 Uhr mittags. Ein Anruf meiner Mutter (die seit kurzem unter dem Nick „Schnuckerle“ auch hier im Forum aktiv ist) verkündete mir, dass am selben Tag um 20:00 Uhr in Erlangen eine Lesung von Sebastian Fitzek stattfinden würde, sie hätte eine Benachrichtigung über seinen Newsletter-Service erhalten. Was macht also der eingefleischte Fitzek-Leser? Richtig, lässt den gemütlichen Abend auf der Couch natürlich sausen und erkundigt sich, ob es noch Karten gibt. Es wurde uns versichert, es wären noch genügend vorhanden und so fanden wir uns um 19:15 Uhr vor der Thalia-Buchhandlung, die der Ort des Geschehens sein würde, ein. Dummerweise hatten wir übersehen, dass erst ab 19:40 Uhr Einlass war und so standen wir eine viertel Stunde zitternd im Nieselregen bis man Mitleid mit uns hatte und uns doch um halb schon einließ.
In der noch fast leeren Buchhandlung sicherten wir uns gleich mal die besten Plätze direkt vorm Lesepult und kamen mit den anderen Zuhörern ins Gespräch. Eine Dame mittleren Alters hinter uns erkundigte sich, ob es denn stimme, dass heute zwei Leute lesen würden. Etwas verwirrt verneinten wir und die Dame meinte, sie hätte ein Bild in der Zeitung gesehen von einem Mann und ein anderes Bild vom Autor und dachte diese beiden würden kommen. Irgendwann entdeckte ich bei einem Blick nach links Sebastian vor dem Fenster im Gespräch mit einem Herrn. Ich deutete in seine Richtung und sagte zu der Dame „Das ist er.“ Sie machte große Augen. „DER? Aber in der Zeitung war doch ein ganz anderer abgebildet.“ Sie war sichtlich etwas ratlos. Offenbar ging es auch anderen so, die die Abbildung in der Zeitung gesehen hatten (ich selbst habe dieses bewusste Bild nicht gesehen, gehe aber mittlerweile davon aus, dass es sich um das Porträt auf der Rückklappe von „Das Kind“ handelt).
Ich bin mir nicht sicher, ob Sebastian die Diskussionen mitbekam oder ob seine Lesungen generell damit beginnen, auf jeden Fall war sein erstes Thema „Hat jemand schon mal von mir ein Foto gesehen?“ was mit einigem Gelächter beantwortet wurde. Sebastian klärte auf, warum sein Verlag es gut fand ein neues „Psychothriller-Autor“-Foto von ihm zu machen (nämlich weil der Spiegel ihn einmal als „postpubertären Harry Potter“ beschrieben hatte) und erzählte etwas zum Making-Of des Fotos in einem Abrisshaus in München. Eine wirklich unterhaltsame Geschichte. Was muss ein Künstler doch manchmal leiden. Aber es stimmt schon, Sebastian sieht wirklich eher aus wie der nette Student von nebenan, nicht wie der Autor von Büchern wie „Die Therapie“, „Amokspiel“ oder zuletzt eben „Das Kind“. Auf die Frage, ob jemand von uns gerne wie ein Psychothriller-Autor aussähe, mussten wir zugestehen, dass das wohl nicht sehr angenehm wäre und Sebastian stimmte dem zu.
Dann erzählte er uns etwas zu seinem Werdegang. Vom sezieren von Hunden (bei einer angestrebten Laufbahn zum Tierarzt, ging 3 Monate), über ein angefangenes Jurastudium auf dem Weg zum Bandmanager und einem Mitleidspraktikum beim Radio (nachdem er dort als Comedyautor für lächerlich befunden wurde), das sich zu seinem immer noch aktuellen Beruf entwickelte, bis hin zu den ersten Manuskriptanfängen von „Die Therapie“ (Er saß beim Arzt im Wartezimmer und seine Freundin war schon sehr lange im Behandlungsraum. Zitat: „Die Frage war also: Was wäre, wenn meine Freundin nie wieder aus diesem Behandlungszimmer herauskäme? Das war jetzt kein Wunschdenken.“) und die Unterstützung durch seine leider schon verstorbene Mutter.
Als er auf seinen Literaturagenten stieß, der schon für Michael Ende gearbeitet hatte, ging es aufwärts. Ohne diesen Herrn, würde die Therapie vielleicht heute noch auf einer Insel an der Ostküste der USA spielen. Nach siebenmal umschreiben war das Manuskript soweit, dass es einem Verlag präsentiert werden konnte.
Warum mussten es denn jetzt eigentlich unbedingt Psychothriller sein? Sebastian führt das auf stark verhaltensauffällige Leute aus seinem Umfeld zurück und nannte uns zwei Beispiele aus seinem beruflichen Alltag: Zum einen sein Chefredakteur, der aufgrund eines Kontrollticks jeden morgen alles was explodieren könnte in seiner Wohnung fotografiert, um tagsüber während der Arbeit anhand des Bildes mit Zeitstempel kontrollieren zu können, ob er die Geräte wirklich ausgeschalten hat. Zum anderen seinen guten Freund Andreas „Fruti“ Frutinger, der den Lesern von „Amokspiel“ als Diesel bekannt sein dürfte, und der gerne mal kleine Praktikanten schockt, indem er z.B. mit Händen und Füssen an die Tür des Chefs knallte, davonrannte und die Praktikantin alleine dort stehen lies (ich hab ihn schon im Buch geliebt :lache). Ein weiteres Beispiel war ein eigenes Erlebnis mit einem Taxifahrer, der Sebastian mit den Worten „Ich hab ein menschliches Problem“ im total verriegelten Taxi mitten in einer Berliner Fußgängerzone abstellte, während Touristenströme sich um ihn herumwanden. Auch hier kamen Sebastian Ideen, die er allerdings, bis jetzt, noch nicht in einem Roman umgesetzt hat (aber mich hat’s entfernt an seinen „Mord“ aus dem Killerclub erinnert).
Alles in allem hat Sebastian erst mal eine halbe Stunde erzählt, bevor er zum Lesen kam (und was mich anging, hätte er ruhig noch weitererzählen können, ich kannte das Buch ja schon. :lache). Ehe er mit dem Buch begann, schilderte er noch die Idee aus der heraus „Das Kind“ entstand, das hat er hier in der Leserunde ja auch schon getan. Gelesen wurden bei diesem ersten Abschnitt die Kapitel 1 und 2. Zwischen den Kapiteln trank Sebastian einen Schluck Wasser, in dieser Zeit war es so still, dass man die sprichwörtliche Stecknadel hätte fallen hören können. Niemand hustete, flüsterte oder raschelte mit etwas. Alle warteten ganz gebannt, dass es weiterging. Sebastian schaffte es, durch seine Art zu lesen eine sehr spannende Atmosphäre aufzubauen.
Für die Leute die Sebastians Bücher noch nicht kannten (und das schienen mir an diesem Abend doch einige zu sein), gab er noch den Hinweis, dass sie keine Angst haben müssten, dass Außerirdische auftauchen würden die Simon entführt hatten und ihm das alles eingeredet hätten, sondern dass er immer versuche, eine möglichst realistische Erklärung für alles zu liefern. Er erzählte allerdings auch noch einmal von seinen Recherchen zu den auch im Buch genannten Fällen von möglichen Reinkarnationen in Indien.
Sebastian stellte den Zuhörern anschließend eine vom FBI verwendete Frage die eine fast 100-prozentige Trefferquote aufweist, mit der man herausfinden könne, ob jemand Anlagen zum Serienmörder hat. Ich werde die Frage hier auch einmal stellen, wer eine Antwort hat und wissen möchte, ob er irgendwann mal jemanden umbringt, bitte PN an mich, ich poste die „gefährliche“ Antwort nicht offen hier. Die Frage lautete also:
Auf der Beerdigung ihrer Mutter sieht eine Frau einen fremden Mann, den sie sehr attraktiv findet. Bevor sie ihn nach der Beerdigung jedoch ansprechen kann, ist er weg. Eine Woche später bringt dieselbe Frau ihre Schwester um. Wieso?
Der zweite Leseabschnitt begann in Robert Sterns Villa, als er die vermeintliche Tierdoku-DVD einlegt und endete, gemeinerweise für alle die das Buch noch nicht kannten, als das Bild auf eine Aufnahme mit dem Datum des Geburtstags seines Sohnes wechselt. Ich kann mich wirklich nur dem Vorschlag, der in der Leserunde gemacht wurde anschließen, Sebastian sollte ruhig mal seine Romane selbst fürs Hörbuch lesen, er macht das sehr professionell und mit ausgeprägter aber nicht übertriebener Betonung.
Bei der abschließenden Fragerunde gab Sebastian noch Auskunft über die verkauften Filmrechte für seine Bücher, wie lange er für seine Bücher braucht (in der Regel 1 Jahr), über die Thriller die er so liest und von denen er jetzt 15 auf seiner HP vorgestellt hat, über das Eigenleben seiner Figuren (eigentlich wollte er das Cola Light Lemon in Amokspiel ersetzen, weil er das überhaupt nicht mag, aber Ira war dagegen), seine Rest-Tätigkeit beim Radiosender (im Augenblick 2 Tage in der Woche), über das Verhältnis der Erstauflage der Therapie (4000) zu Buchläden in Deutschland (etwa 5000) und wo man dann wohl ein 75%-Buch kaufen konnte, und über die Entstehungsgeschichte des „Killerclubs“ (das war meine Frage :-]).
Zum Ausklang konnten sich alle Anwesenden ihre Bücher noch von Sebastian „verschandeln“ (O-Ton) lassen. Da ich ja das Glück hatte, „Das Kind“ beim Weihnachtsrätsel der Büchereule zu gewinnen, hab ich also meine beiden anderen Bücher signieren lassen.
Zusammenfassend kann ich einfach nur sagen, es war ein wunderschöner Abend. Sebastian ist ein sehr gewitzter, sprachgewandter und sympathischer Unterhalter der auf alle die dort anwesend waren großen Eindruck gemacht hat, auch auf die, die vorher noch nie etwas von ihm gehört hatten. Professionell aber nicht abgebrüht, mit viel Spaß an der Sache, das war der Eindruck, den ich gewonnen habe. Ich freue mich schon sehr auf das Erscheinen von „Der Seelenbrecher“ im Oktober und hoffe natürlich, dass Sebastian wieder auf eine Lesung hier in der Nähe kommen wird.
P.S.: Beschwerden über eine zu ausschweifende Schilderung gehen bitte an Sebastian Fitzek, der einfach so viele positive Eindrücke hinterlassen hat und an beowulf, der mich angewiesen hat hier ALLES aufzuschreiben.