Reno Kassmann - Lebe Deinen Traum

  • Lebe Deinen Traum - Schicksalsschläge inbegriffen



    Reno Kassmann, 54 Jahre alt, bereiste fast die Hälfte seines bisherigen Lebens die ganze Welt.
    Mit dem 1. Band seiner Trilogie (Band 2 und Band 3 sind noch nicht veröffentlicht) will er uns an seinem Leben, seinen Erfahrungen, und natürlich in erster Linie, seinen Reisen teilhaben lassen.


    Es sind vor allem die, oft Monate dauernden, Reisen, die dieses Buch prägen.
    Er berichtet von zwei Afrikareisen, in denen er jeweils mit Auto oder Motorrad die Sahara durchquerte, zwei Aufenthalten in den USA, einer achtmonatigen Tour durch Kanada und Alaska, weiteren Reisen nach Australien und Tasmanien – sowie kürzeren Trips, wiederum nach Alaska, Südamerika und quer durch Europa.


    Jeder der das Gefühl des „Fernweh“ kennt, wird dieses Buch interessiert zur Hand nehmen, so auch ich.
    Da Reno Kassmann kein „Pauschalreisender“ ist, keinen Aufenthalt im Vorfeld minutiös plant, sondern sich auch einfach oft überraschen lässt, was da auf ihn zukommt, bin ich teilweise von seinen Berichten sehr beeindruckt.
    Er sah Afrika nicht durch die Brille des Safari-Reisenden, sondern erlebte hautnah, wie dieser Kontinent, trotz seiner wunderbaren Natur, sein kann: brutal und gefährlich.
    Bei seinen Reisen durch die USA schwingt, neben der atemberaubenden Landschaft, die er dort zu sehen bekommt, die großzügige Gastfreundschaft der Bewohner dieses Landes mit.
    In Kanada und Alaska findet er Weite und Ruhe. Kontakte zur Bevölkerung sucht er in Australien vergebens, findet jedoch liebevolle Aufnahme und Interesse in Indonesien und Tasmanien.


    Dennoch konnten mich seine Reiseberichte, seine Eindrücke, nicht so recht überzeugen - der Funke sprang nicht über.
    Hier muss vielleicht erwähnt werden, dass Reno Kassmann die meisten Reisen mit dem Motorrad unternahm. Von jeher ein echter „Biker“, der ein Gefühl von Weite, Naturnähe und Fahrerlebnis vor allem auf dem Motorrad erlebt, verliert er sich über weite Teile in Beschreibungen zu diesen Themen. Zuviele Details über Motorräder, deren Reparatur und Wartung, Ersatzteilbeschaffung, Straßenzustandsberichte mit dementsprechendem Fahrverhalten stören das Bild.
    Des Weiteren fehlen mir vor allem Informationen über die bereisten Länder, z.B. ein kurzer geschichtlicher Abriss, die aktuelle politische Lage, kulturelle Besonderheiten. Leider werden sexuelle Abenteuer auf den Reisen weit detailierter beschrieben als z.B. der Besuch einer Kultstätte.
    Ein bisschen, so muss ich es leider sagen, fehlt mir das Feingefühl in den Reisebeschreibungen, die Faszination außerhalb des Fahrgefühls auf schwierigen Wegstrecken, das Kennenlernen der Menschen an diesen Orten. Hier spricht der Verfasser leider zuviel von sich selbst, anstatt uns an dem Gesehenen teilhaben zu lassen.
    Kartenmaterial wäre zudem äußerst hilfreich gewesen.


    Reno Kassmanns Buch berichtet aber nicht nur von seinen Reisen. In Einschüben, stilistisch sehr schön gemacht, erfahren wir mehr aus seinem Leben. Kurze Szenen aus seiner Kindheit und Jugend in Ostfriesland, der Ausbildung und seiner Entscheidung, nur selbständig zu arbeiten, seinen Freundinnen, seinen sexuellen Affären; wir lesen von Motorrad-Treffen, wilden Festen, seiner Heirat und vielem mehr.


    Ja, er ist sicher ein Individualist, kann sich ein Leben in geplanter Struktur für sich nicht vorstellen. Aber auch hier fehlt mir oft die Tiefe in den Erzählungen. Lustige Anekdoten wechseln mit entscheidenden Stationen in seinem Leben. Aber bei nahezu allem bleibt die emotionale Wahrnehmung aussen vor.


    Das gesamte Buch ist leicht und flüssig zu lesen, sehr angenehm, wenn man sich nicht davor scheut, dass er Dinge auch beim Namen nennt. Seine Sprache ist einfach, oft derb, aber direkt.


    Reno Kassmanns Leben ist interessant, spannend – er hat es für sich gewählt und ist zufrieden damit, seinen Mut finde ich bemerkenswert.
    Aber für mich ist mit Teil 1 der Trilogie auch schon schluss, ich werde die folgenden Bände nicht mehr lesen.
    Dennoch denke ich, dass wahre Motorradfreunde und sonstige Individualisten, die das Leben weniger intellektuell angehen, sicherlich ihre Freude damit haben werden.

  • Eine wirklich sehr nette Rezension.
    Ich selbst war leider wirklich sehr enttäuscht von diesem Buch. Nach der Kurzbeschreibung des Autors selbst habe ich mit einer mehr oder weniger tiefgründigen Darstellung der unterschiedlichen Menschen, ihrer Denk- und Lebensweisen o. Ä., eventuell sogar vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Kulturen gerechnet, doch was mich erwartete war eine oberflächliche Erzählung verschiedener Reisen, hervorgehoben dabei einige für einen Leser mit diesen Erwartungen schier bedeutungslose Situationen.
    Die Beschreibung des Autors, er wäre losgezogen, die Menschen in der Welt kennenzulernen und die Aussage, er wäre in einer Zeit groß geworden, in der man sein Wort noch zu halten hatte, finden sich in keinster Weise in diesem Buch wieder.
    Auch für mich ist nach diesem ersten Band der angedrohten Trilogie Schluss.

  • Ja, Reno Kassmann ist sicherlich ein Individualist; ein Individualist, der ein Buch über sein Leben, seine Person, seine Ansichten und Erfahrungen geschrieben hat, wobei die gewählte Sprache – dem sei zugestimmt – einfach, oft derb und direkt ist.
    Doch ist sein Buch m. E. durch und durch geprägt von emotional, individueller Wahrnehmung – zwischen den Zeilen.


    Nelly vertritt die Ansicht, dieses Buch würde denen, die das Leben weniger intellektuell (als sie) angingen, sicherlich Freude bereiten, sie selbst aber konnten die Reiseberichte nicht überzeugen, ihr fehlte Kartenmaterial, Erörterungen über u. a. Kultstätten-Besuche usw. Ich denke, damit wurde der Mangel des "überspringenden Funkens" in seinem Ursprung von ihr selbst benannt. Intellektualität.
    Ich selbst habe mit Auszeichnung ein WiWi-Studium abgeschlossen, bin Steuerberaterin, wodurch ich im umgangssprachlichen Sinn schon als intellektuell gelte – was auch immer das sein mag. Zudem zählen zu meinen bevorzugten Autoren neben T. Mann, F. Dostojewski, S. Lenz u. a. M. Köhlmeyer, P. Hoeg und neuerdings auch G. Carofiglio; ich habe in meiner Freizeit Schiller, mit Begeisterung Sartre, Freud u. a. gelesen, auf meinem Nachttisch liegt bisweilen der Gracian – und zwischendurch begeistert mich z. B. Marshall Thomas "Das geheime Leben der Hunde", Zirngibls "Kalte Schnauzen, kalte Hände (…)" … und Kassmanns "Lebe deinen Traum (…)" – denn genau das macht Intellektualität - dem Wortstamm nach - aus, das Verstehen. Das Verstehen der Intension des Verfassers. Kassmann schreibt über sein Leben in der Sprache, in der es gelebt wurde, er beschreibt Situationen, wie er sie empfand, gekennzeichnet durch die Details, die er hervorhebt. Ihm geht es keineswegs darum, einen Reisebericht zu verfassen, Besuche von Kultstätten zu vertiefen o. Ä. – er schreibt über sein Leben, seine Erfahrungen und seine Emotionen, die nicht immer offen benannt, jedoch zwischen den Zeilen stets gegenwärtig sind.
    Ja, mir hat dieses Buch durchaus Freude bereitet, ich nahm gern teil an den Reisen, den Erfahrungen, den Exzessen und den Emotionen; … dahingestellt sei nun, ob es an mangelnder oder eher an vorhandener Intellektualität lag.