Schrumpfende Städte / Shrinking Cities- Philip Oswalt

  • Schrumpfende Städte / Shrinking Cities
    von Philipp Oswalt (Herausgeber)


    Kurzbeschreibung


    Ob in Großbritannien oder Belgien, in Finnland, Italien, Russland, Kasachstan oder China: überall schrumpfen Städte. Während man in den urbanistischen Debatten der vergangenen Jahre das Augenmerk hauptsächlich auf das Wachstum der Megapolen richtete, bilden sich parallel dazu Zonen der Schrumpfung, die von Bevölkerungsverlusten in Millionenhöhe und hoher Arbeitslosigkeit gekennzeichnet sind. Globalisierung und der Übergang zum Postsozialismus haben diesen Prozess, der in den westlichen Industrieländern mit der Suburbanisierung bereits früher eingesetzt hat, noch beschleunigt. Ausgehend von konkreten Fallbeispielen werden hier Ursachen und Dynamik von Schrumpfungsprozessen erstmals weltweit in den Blick genommen. Manchester/Liverpool (GB), Detroit (USA), Ivanovo (RUS) und Halle/Leipzig (D) stehen dabei im Zentrum einer internationalen Untersuchung, die sich auf die Lebensbedingungen und den kulturellen Wandel in von Bevölkerungsrückgang und wirtschaftlicher Schrumpfung geprägten Stadtregionen konzentriert. Kulturelle Untersuchungen und künstlerische Beiträge sensibilisieren unsere Wahrnehmung eines hochbrisanten Phänomens, das als inneres Bild noch kaum existiert. Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes in Kooperation mit der Galerie für zeitgenössische Kunst Leipzig, der Stiftung Bauhaus Dessau und der Zeitschrift archplus.


    Meine Meinung


    Dass in Zeiten von Bevölkerungsexplosion und Megacities das Schrumpfen von Städten ein mindestens ebenso brisantes Problem darstellt, ist, (von gelegentlichen Medienberichten über den „Rückbau“ von Plattenbausiedlung in, sagen wir, Eisenhüttenstadt, mal abgesehen) im öffentlichen Diskurs bis heute noch nicht sehr präsent. Und dennoch sind Millionen Menschen von diesen Schrumpfungsprozessen betroffen, die vielleicht noch einschneidender als Wachstum auf die soziale und kulturelle Situation dieser Menschen Einfluss nimmt.
    Und obwohl die Gründe für diese Schrumpfungen in den verschiedenen Regionen sehr unterschiedlich sein können, etwa die Suburbanisierung in Detroit, der Zusammenbruch eines ganzen politischen Systems in der ehemaligen SU oder einfach der Niedergang der Industrie wie in Liverpool: Die Folgen der Bewohner sind überall ähnlich: Rückgang der öffentlichen Infrastruktur, Verfall der Immobilien, kulturelle und geistige Verarmung derer, die keine Möglichkeit haben, diese Städte zu verlassen, soziale Segregation...


    Das Buch, eigentlich der Katalog zur Ausstellung, betrachtet dieses Phänomen von den unterschiedlichste Gesichtspunkten: Statistiken zur Bevölkerungsentwicklung und Wirtschaft der betreffenden Regionen informieren kurz über die Situation, Bilderstrecken führen das, man kann es Elend nennen, vor Augen und Essays berichten über die Lebenssituation der Menschen.
    Aber auch die Bewohner kommen zu Wort. Wie bemächtigt sich die Kunst dieser neuen Situation (z.B. Platz im Überfluss) und wie wird die Schrumpfung künstlerisch reflektiert. Welche Überlebenstaktiken entwickeln die Einwohner und wo ergreifen sie die Initiative, um den Rückzug des Staates aus diesen Schrumpfungsgebieten zu kompensieren.


    Das sind nur einige der Aspekte, die in diesem Buch abgehandelt werden: spannend, überraschend, manchmal bedrückend, aber auf jeden Fall absolut lesenswert

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Das Buch hat den Fokus wohl eher auf den Großstädten, in denen sich der Bevölkerungsrückgang am ehesten durch Leerstände bemerkbar machen wird. Interessanterweise wird inzwischen zumindest in Deutschland schon wieder ein gegenläufiges Phänomen diskutiert.


    Zurück in die Stadt wird in etwa 2 - 3 Jahrzehnten ein Thema in immer mehr deutschen Mittel- und Kleinstädten. Die Prognose begründet sich vorwiegend mit dem demographischen Wandel und der abnehmenden Mobilität der Generation, die zurzeit noch in den Villengegenden der Vorstädte oder auf dem Land wohnt, oft mit nicht ausreichender Infrastruktur. Damit einher gehen Überlegungen der Stadtplaner, die die Zentren umstrukturieren müssen, um die Bedürfnisse nach wohnortnaher Versorgung und Pflege sicherzustellen. Einer der befürchteten Nebeneffekte wird sein, dass die Immobilienpreise für Häuser auf dem Land langfristig zurückgehen werden, während der Wohnbedarf in den Städten steigen und sich wandeln wird, in Richtung Mehrgenerationenhäuser und Wohngemeinschaften, in denen sich Angebot und Nachfrage im optimalen Fall ergänzen sollen.


    In der Tat ein spannendes Thema. :wave

  • Zitat

    Interessanterweise wird inzwischen zumindest in Deutschland schon wieder ein gegenläufiges Phänomen diskutiert.


    Das ist natürlich ein spannender Aspekt. Vorallem liegt dem ja ein grundlegender Wandel sozialer Aufstiegsvorstellungen zugrunde: Das Häuschen im Grünen ist nicht mehr das Ziel schlechthin, für dass man lebenslange Schulden auf sich nimmt, nur um dann, wenn die Kinder aus dem Haus sind, in einem Kaff festzuhängen, indem überhaupt nichts los ist.


    Das Buch befasst sich aber nicht nur mit Großstädten. Gerade im Osten Deutschlands sind auch Kleinstädte von massivem Leerstand betroffen und da besteht recht wenig Chancen, dass dies in irgendweinerweise aufgehalten werde kann.
    Gerade solche Härtefälle sind Thema des Buches und wie man damit umgehen muss. Weil: immerhin wohnen dort ja trotzdem noch Menschen

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Stimmt, als Geldanlage verliert das Häuschen im Grünen langfristig gesehen an Wert. Hinzu kommt eine immer größer werdende Nachfrage nach kleineren Wohnungen, da Familien mit mehr als zwei Kindern zwar noch keinen Exotenstatus haben, aber zahlenmäßig stark rückläufig sind.


    Wer trotzdem noch im ländlichen Bereich wohnen möchte, sollte entweder auf ausreichende Infrastrukturen achten, wobei man keine Garantie auf den Erhalt der Einkaufsmöglichkeiten hat, oder mit einem späteren Verkaufsverlust leben kann.
    Der Leerstand im Osten hat wahrscheinlich sehr viel mit den Abwanderungen aufgrund fehlender Arbeitsmöglichkeiten zu tun. Da tun sich die Kommunen sehr schwer und es beginnt ein harter Wettbewerb, um die Menschen wieder zurückzulocken. Auf den Internetseiten der Städte und Gemeinden finden sich wohl auch aus diesem Grund immer häufiger ganz deutliche Marketingstrategien, in denen ganz besonders mit den weichen Standortfaktoren, wie ausreichender Kinderbetreuung, breitgefächertem Schulangebot, kulturellen und sozialen Angeboten bis hin zu vergünstigten Baulandpreisen für junge Familien geworben wird. Helfen wird es nur, wenn tatsächlich ausreichende Arbeitsangebote bestehen und das ist dann die Spielwiese für die Wirtschaftsförderer, die mit ähnlichen Tricks um die Unternehmen buhlen.


    Deine Rezi hört sich auf jeden Fall interessant an, vor allem, wenn es mehr beinhaltet, als ich ursprünglich angenommen habe. Trotz des Preises werde ich mal reingucken, wenn es mir in die Finger fällt.