Bericht zur Lesung von Alban Nikolai Herbst in Heidelberg am 16.01.08.
Text von der Autorenseite:
ANH
liest
A N D E R S W E L T
THETIS. ANDERSWELT
Phantastik-Preis 1999.
BUENOS AIRES. ANDERSWELT
sowie aus dem Typoskript:
ARGO. ANDERSWELT
Weiss'sche Universitätsbuchhandlung
Universitätsplatz 8
Heidelberg
Meine Meinung:
Die gut besuchte, ca.90minütige Lesung war eine Begleitveranstaltung zur Poetikdozentur in Heidelberg.
Der Autor las aus allen 3 Teilen seiner Anderswelt-Trilogie. Der erste Band Thetis ist schon vor 10 Jahren entstanden. Das zweite Buch heißt Buenes Aires. Der dritte Band „Argo“ erscheint voraussichtlich 2009.
Die Lesung begann mit dem Vorspiel aus dem ersten Band, Thetis.
Die Hauptfigur und Erzähler heißt Hans Erich Deters und lebt wie der Autor in Berlin, er ist eine Art Alter Ego.
Eine weitere wichtige, äußerst schräge Figur ist Achilles Borkenbrod, ein Poet und Künstler der Graffiti sprüht.
Der Handlung der Bücher ist erst einmal schwer zu verstehen, da Herbst jede Menge literarischer Methoden der Verfremdung anwendet. Dafür haben die Texte eine ganz eigene Poesie.
Doch hier in der Lesung begann es mit dieser detaillierten Prosa noch ganz verständlich.
Im Vorspiel wird hauptsächlich die Stadt, diese Anderswelt, beschrieben, die auf den ersten Blick ähnlich wie Berlin scheint, schließlich existieren Brenzlauer Berg, Schönhauser Allee, Potsdamer Platz u.v.a. Hinzu kommen aber wieder Verfremdungen, exotische Stadtteile kommen hinzu. Es entsteht eine imaginäre, geheimnisvolle Stadt zwischen Realität und Phantasie.
Herbst Text demonstriert eindruckvoll wie ein komplexes world-building entsteht.
Die suggestive Sprache vermittelt diese verblüffenden Bilder geschickt beim Leser bzw. Zuhörer.
Die gelesenen Stellen sind aufregend und in einer Art Ironie sogar manchmal witzig.
Es gibt auch kleine Schockmomente, wie eine Szene mit einer Frau mit einem Nasenring, die Hans Deters regelrecht an die Kette legt!
Manche Stellen enthalten eine Sozialkritik: z.B. „Die Moderne kompostiert nicht, sie entsorgt.“ oder Stellen über die Geschichtsschuld der Stadt, die sicherheitshalber nicht abgestreift wird.
Dann folgte ein Ausschnitt aus der Mitte des zweiten Buches, Buenes Aires, in dem wir auch Borkenbrod wieder begegnen. Ein noch komplexer wirkender Stil ist im Vergleich zu Thetis zu bemerken.
Abschließend folgte aus dem noch unveröffentlichten Manuskript „Argo“ der Anfang.
Hier spricht ein Kollektiv, dass aus einer Kameraperspektive die teilweise apokalyptische, zerstörte Anderswelt betrachtet. Der Stil hat sich wieder verändert. Es ist weniger ironisch, die fragmentarischen Satzfetzen sind impulshafter. Es entsteht noch einmal eine ganz andere Wirkung rauschhafter Bilder, sogar Geräusche und zeigt den Reichtum von Alban Nikolai Herbst Sprache.
Beim Signieren konnte ich noch erfahren, dass sich die Sprache der einzelnen Teile in den 10 Jahren nicht grundsätzlich verändert hat, sondern dass der Autor diese unterschiedlichen Passagen absichtlich ausgewählt hat, um verschiedene Stile zu zeigen.