Hans Peter Röntgen: Vier Seiten für ein Halleluja - Ein Schreibratgeber der etwas anderen Art

  • Der ungarische Schriftsteller Ferenc Molnár sagte: Manch einer verdankt seinen Erfolg den Ratschlägen, die er von anderen nicht angenommen hat. Das sehe ich prinzipiell ähnlich. Schreibratgeber, insbesondere solche, die Patentrezepte für den Erfolg zu liefern behaupten, habe ich immer gemieden. Was mir tatsächlich geholfen hat, um die eigenen Schwächen zu erkennen und meine Texte, meinen Stil und dramaturgische Komponenten zu verbessern, war die konkrete Arbeit am Text, gemeinsam mit anderen Autoren. Genau dieses Prinzip hat Hans Peter Röntgen seinem Buch "Vier Seiten für ein Halleluja" zugrunde gelegt.


    19 angehende Schriftsteller haben Romananfänge zur Verfügung gestellt, jene (ersten) vier Seiten, anhand derer Redakteure und Lektoren entscheiden, ob sie dem Projekt mehr Aufmerksamkeit widmen. Röntgen hat diese Texte durchgearbeitet, analysiert, kritisiert und verbessert. Ja, tatsächlich verbessert. Anhand der Textproben von durchaus unterschiedlicher Qualität - manchmal springen die Fehler nachgerade ins Auge, manchmal meint man, einen Text vor sich zu haben, der eigentlich recht okay ist - zeigt der Autor, der auch Textworkshops und Seminare anbietet, welche Kardinalfehler gemacht werden, vom Infodumping über perspektivische Probleme bis hin zum verdammten 'Deus ex machina', aber auch, welche geringfügigen Fehlentscheidungen später zur Katastrophe führen können. Jede Text steht mehr oder weniger exemplarisch für ein Problemfeld, manchmal für mehrere gleichzeitig. Diese erläutert Röntgen parallel zur Arbeit am Text, liefert schließlich noch Beispiele und anschauliche Übungen. Der Leser erlebt mit, wie sich der Text verändert, hin zum Besseren. Dies geschieht auf einleuchtende Weise, humorvoll und keineswegs oberlehrerhaft. Auch Hans Peter Röntgen weiß, dass es keinen Königsweg gibt, aber es geht in erster Linie um das Erkennen der Schwächen, und nicht um Leitlinien á la "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt". Insofern ist "Vier Seiten für ein Halleluja" auch kein Schreibratgeber, obwohl das Wort im Subtitel auftaucht, sondern eine lehrreiche und sehr nachvollziehbare Fallstudie, die durchaus geeignet sein dürfte, einen spürbaren Fortschritt auf der Lernkurve zu machen.


    Wer nicht die Möglichkeit hat, sich mit erfahrenen Autoren über seine Projekte auszutauschen, sollte dieses Buch aufmerksam lesen und versuchen, die Erkenntnisse auf die eigene Arbeit zu übertragen. Das dürfte weitaus hilfreicher sein als das Abarbeiten vermeintlich erfolgversprechender Kochrezepte. Ich wünschte, es hätte dieses Buch schon gegeben, als ich mit dem Schreiben begonnen habe. Es hätte mir viel Mühe erspart.

  • Nein, ich will weder eine berühmte Schriftstellerin werden, noch quellen meine Schubladen über vor unveröffentlichten Manuskripten.


    Trotzdem habe ich dieses Buch mit viel Genuss gelesen, gerade weil es sich dabei nicht um eine Anleitung zur literarischen Textkritik handelt, sondern anhand kurzer Texte, die in erster Linie unterhalten sollen, aufzeigt, wann und warum eine Geschichte gefällt oder eben nicht. Dabei geht es nicht in erster Linie um die Story als solche, ob die originell, logisch und vernünftig geplottet ist, sondern um das grundlegende Handwerkszeug: Sprache, Perspektiven, Stil.


    Dabei hat Röntgen mir so einige Male die Augen geöffnet: plötzlich wurde klar, warum ein Text irgendwie nicht rund war, warum mich manche Geschichten trotz interessanten Themas nur gelangweilt haben, was genau mich eigentlich an einer bestimmten Sprache störte.


    Gerade für Leute wie mich, die mit Romanen ausschließlich aus der Leserperspektive zu tun haben und die sich mit Textanalyse zum letzten Mal im Deutschgrundkurs vor zwanzig Jahren beschäftigt haben, ist dieses Buch ein interessanter Blick auf "die andere Seite".

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Vor einer Woche habe ich mir diesen Ratgeber gekauft und bin sehr zufrieden.


    Für's Schreiben interessiere ich mich schon lange und wollte mal wissen, wie man es anstellt, dass die Texte nicht öde und lang werden.
    Ein Profi bin ich nicht und werde es wohl auch nie sein, aber ich sehe einiges klarer und verstehe jetzt ein bisschen mehr von diesem umfangreichen, bemerkenswerten Handwerk.


    Ich find es toll, ein Buch gefunden zu haben, dass einen nicht einfach mit Regeln zukleistert sondern an Beispielen verschiedenes erläutert und Klarheit schafft (und das so, dass sogar ich das versteh' ;-)).
    Beim Lesen der Beispieltexte hab ich nicht immer gleich gesehen, wo es harkt, aber nach den Erläuterungen und Übungen hat's immer 'Klick' gemacht.
    Das hat mir viel Freude bereitet.



    Klare 10 Punkte von mir. :schuechtern

    Viele Grüße
    Inks



    bokmal.gif


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  • Tom hat mit seinem Eingangsposting völlig recht. Die Anschaffung hat sich wirklich gelohnt.
    In einem Rutsch durchgelesen. Jetzt gehe ich noch durch den Text und markiere die wichtigsten Aussagen dieses außergewöhnlichen Ratgebers, vor allem die vier oder fünf, die sich direkt auf meine nach wie vor vorhandenen Schwächen beziehen. Und mein neues Manuskript überarbeite ich auch noch einmal (das ist dann das zwanzigste Mal oder so ...), indem ich es konkret auf die Fehler und Ungeschicklichkeiten überprüfe, die hier eindrucksvoll offengelegt werden.


    Danke nochmals für diesen Buchtip! :wave

  • "Vier Seiten für ein Halleluja" - Hans Peter Roentgen


    Mit seinem Schreibratgeber der etwas anderen Art legt Hans Peter Roentgen eine wertvolle Hilfestellung für angehende Schriftsteller, gestandene Autoren und Leser, die Texte beurteilen möchten, vor.
    Anhand von achtzehn eingesandten und überarbeitungsbedürftigen Textbeispielen bespricht der Autor, der seit über zwanzig Jahren Schreibseminare erteilt,
    kenntnisreich unterschiedliche Fragen des Schreibens. Hans Peter Roentgen beleuchtet den Beispieltext, greift sich einen Punkt heraus und
    erläutert in lockerem, zuweilen saloppem Tonfall zunächst einen Aspekt, um im Anschluss an seine theoretischen Ausführungen Verbesserungsvorschläge
    zu unterbreiten.
    Die Überlegungen enden zumeist mit einem Merksatz und einer Übungsaufgabe.


    Wer sich mit dem Schreiben bereits beschäftigt hat, dem dürften Punkte wie Figurenentwicklung, Dialoggestaltung, Perspektive u.a. hinreichend bekannt sein
    und wenig Neues bieten.
    Für diese Ratsuchenden bietet "Vier Seiten für ein Halleluja" eine hervorragende Wiederholung; für Neulinge dagegen einen beispielhaften Einblick in die Schreibarbeit. Hans Peter Roentgen stellt jedoch bereits im Vorwort klar,
    was sein Ratgeber nicht kann: Er bietet keine todsichere Methode und auch keine Garantie dafür, einen erfolgreichen Roman zu schreiben.


    So lehrreich die Erläuterungen in diesem Buch, so fragwürdig sind dennoch Merksätze und Methoden, die zwar Vorschlagscharakter aber keine Allgemeingültigkeit haben dürften. Beispielsweise schlägt der Autor vor,
    zwölf Szenarien zu entwickeln, um daraus eine Lösung für eine Szene zu finden.
    Ein starres Festhalten an der Zahl zwölf sollte deshalb nicht zwangsläufig zum Misserfolg eines Textes führen.
    Ebenso zweifelhaft ist der abschließende Merksatz unter dem ersten Kapitel:
    "Spannende Dialoge sind in einer Kunstsprache geschrieben. Und sie sind selten grammatikalisch korrekt."
    Was der Autor unter Kunstsprache versteht, erschließt sich aus dem vorhergehenden Text kaum und was die seltene grammatikalische Korrektheit betrifft, so bleibt der fromme Wunsch mit diesem Ratgeber zu beginnen und ihm in einer Neuauflage ein Korrektorat zukommen zu lassen, um die nicht wenigen orthografischen und grammatikalischen Fehler zu berichtigen.


    Hans Peter Roentgen hat mit "Vier Seiten für ein Halleluja" einen klugen und hilfreichen Schreibratgeber vorgelegt, der sowohl einen geeigneten Einstieg in die Materie bietet als auch ein nützliches Nachschlagewerk darstellt,
    jedoch eigene Überlegungen und Anstrengungen erfordert und mit Einschränkungen empfohlen werden kann.

  • Sowohl als auch gelesen und sie sind in der Tat ein Fundus. Ich habe viel Spass dabei gehabt, keine Minute Lageweile und gelernt: Eine Menge :anbet

    "Reading is food for thought, and anything to do with food must be good." Snoopy


    :lesend : Vladimir Vertlib: Spiegel im fremden Wort
    :lesend : Ingeborg Bachmann: Malina
    :lesend : Michael Stavaric: Königreich der Schatten