OT: Upper Forth at Malory Towers 1949
Mit dem vierten Band der um diese Zeit längst fest etablierten Geschichte der ‚besten Schule der Welt’, Malory Towers/Möwenfels, rückt die eigentliche Protagonistin ganz in den Vordergrund. Darrell/Dolly muß nicht mehr nur Verantwortung für sich übernehmen, sondern ganz massiv für andere. Zum einen kommt ihre jüngere Schwester nun auch ins Internat, zum anderen wird sie head-girl, Klassensprecherin der Upper Fourth, der zweiten Hälfte der vierten Klasse. Die vierte Klasse ist auch die, an deren Ende eine wichtige Prüfung steht, der Mittleren Reife vergleichbar. Disziplin, Lernen und Vorbildsein steht auf dem Programm.
Das ist alles andere als einfach.
Zunächst muß Darrell feststellen, daß ihre kleine Schwester Felicity/Felizitas auch ihren eigenen Kopf hat. Anstatt sich von der großen Schwester mütterlich betreuen zu lassen, zieht Felicity los und schaut sich die neue Schule lieber mit ihren künftigen Klassenkameradinnen an. Darüberhinaus freundet sie sich ausgerechnet mit dem Mädchen an, das Darrell nun schon gar nicht leiden kann, Alicias /Alices aufmüpfiger Kusine June/Irmgard.
Als Darrell zur Klassensprecherin ernannt wird - die Ernennung liegt bei den Lehrerinnen, nicht bei den Schülerinnen - ist sie überglücklich. Alles wird sie zum Besseren wenden, sie wird eine mustergültige Klasse aus der Vierten machen und eine mustergültige Klassensprecherin sein.
Bloß mit der Durchsetzung ihrer neuen Führungsposition hapert es von Anfang gewaltig. Der größte Störungsfaktor dabei ist Alicia, die das Amt selbst gern übernommen ätte und Darrell behindert, wo sie nur kann. Da Darrell nicht gerade die Ruhe in Person ist, funkt es nur zu bald.
Aber auch mit den anderen Mädchen kommt Darrell nicht gut zurecht. Felicity, wie oben gesagt, braucht sie nicht wirklich, June - eine Erstkläßlerin! - widersetzt sich offen und ist auch mit Strafen nicht kleinzukriegen. Belinda/Britta, das Zeichentalent, fertigt aus lauter Spottlust Karikaturen ihrer Mitschülerinnen an, die ebenso lustig wie ärgerlich sind, je nachdem, wen es trifft.
Die Neue, die Honourable Clarissa, ist extrem schüchtern und durch Darrells direkte Art gar nicht aufzutauen. Im Gegenteil, Darrell treibt sie mit ihren Bemühungen nur noch schneller zu Gwendolyn, die mit Clarissa nur zusammensein will, weil sie mit der Freundschaft mit einer Adligen angeben möchte.
Schwierig ist auch ein anderer Neuzugang, das Zwillingspaar Ruth und Connie. Connie ist laut und beherrschend, Ruth ein reiner Schatten. Und Darrell bei weitem zu ungeduldig, damit zurande zu kommen.
Schlechte Laune, Kleingezänk und Kabbeleien breiten sich aus, dazu wächst der Druck durch die bevorstehende Prüfung. Als sich die Möglichkeit eines Mitternachtsfestes bietet, ist Darrell in echter Bedrängnis. Als Klassensprecherin muß sie es verbieten, als Darrell würde sie gern eins feiern. Zudem wäre es eine Gelegenheit, zu beweisen, daß sie bei weitem nicht die Spielverderberin ist, für die Alicia sie hält. So stimmt sie zu und das Unglück nimmt seinen Lauf.
Alicia, immer noch verärgert, gelingt es auf raffinierte Weise, Darrells Gewissenskonflikt zu steigern. Ohne ihr Zutun mischt sich aber auch ihre kleine Kusine ein, die ihrerseits mit Alicia ein Hühnchen zu rupfen hat. Drei Tage später hat Malory Towers einen Skandal: Darrell ist amtsenthoben. Die Stimmung im Gemeinschaftsraum ist auf dem Tiefpunkt.
Und das alles noch vor der Prüfung.
Die bringt nicht nur Noten - und Leistungsdruck, sondern tatsächlich eine recht gruselige Entwicklung im Verhältnis der Zwillinge Ruth und Connie. Sicher ist das alles eher skizzenhaft - es handelt sich um ein eher einfach gebautes Mädchenbuch - , aber hier sind Ansätze zu einer wirklich weitergehenden Geschichte, die allein durch die Andeutungen schon erschreckende Tiefe gewinnt.
Tiefe hat auch der Handlungsteil, der der verwöhnten Gwendolyn gilt. Sie denkt sich etwas recht Perfides aus, um von der Prüfung befreit zuwerden, sie täuscht eine schwere Krankheit vor.
Nein, die Mädchen sind nicht besonders sympathisch in diesem Band, auch nicht die, die wir inzwischen gut kennengelernt haben und mögen. Es ist ein echtes Verdienst dieses vierten Bands, die Protagonistinnen einmal von ihrer schlechten Seite zu zeigen und zwar konsequent.
Tatsächlich handelt das Buch von Machtbeziehungen im Verhältnis der Mädchen untereinander. Wer beherrscht wen, wer beeinflußt wen und wie setzt man sich durch, welche Auswirkungen hat die Ausübung von Macht auf die andere und auf eine selbst. Eine interessante Studie, selbst auf diesem engen Raum.
Am Ende löst sich einiges auf, Darrell wird wieder Klassensprecherin und Felicity findet eine andere Freundin. Das Problem der Zwillinge wurde gelöst, zunächst einmal, heil ist die Welt nicht. Das müssen auch Alicia und Gwendolyn erfahren. Es ist eben alles nicht mehr so einfach, wenn man fünfzehn ist.