"Die Biene und der Kurt" von Robert Seethaler

  • Auf dieses Buch bin nur durch den Thread hier gekommen und gut, daß gleich ein rechtes Geschrei gemacht wurde darum, denn sonst wäre es mir nicht im Sinn geblieben und mir wär etwas Außergewöhnliches entgangen, beim Lesen - und beim Schreiben, denn ich merke eben, daß ich im Moment just so formuliere wie der Herr Autor.
    :grin


    Es ist eine tolle Geschichte, ein tolles setting, auch wenn alles altbekannt ist. Jugendliche Ausreißerin, ältlicher Tingeltangel- Rock 'n Roll-Held, Verfolgungsjagd, Träume, Liebe, Schäume und Schluß. Roadmovie.


    Es ist spannend und schön und es ist vor allem schrecklich traurig. Es ist ein Buch, bei dessen Lektüre man glücklich lächelt, während einem die Tränen in den Augen stehen, weil das Leben so schlimm ist.
    Das Häßliche und das Schöne liegen ganz dicht nebeneinander, sagt uns der Autor, Liebe und Leid wechseln sich im Sekundentakt ab.


    Die Handlung ist ziemlich verrückt, wäre es nicht so bestechend formuliert und rasant dargeboten, würde man dem Autor kein Wort glauben. Die Wendungen und Zufälle sind einfach abseitig, aber so ist auch das Leben, also stimmt es doch. :gruebel
    Grotesk und einzigartig schön, schrecklich und liebevoll, dreckig und zärtlich. Illusion und Entzauberung von einem Satz auf den nächsten.


    Gekämpft habe ich vor allem mit der Erzählhaltung, wir haben nämlich einen allwissenden, kommentierenden Erzähler. Wie er es fertigbringt, daß sich die dadurch entstehende Distanz zu den Figuren im Lauf der Seiten verflüchtigt, bis man sie eigentlich nur noch in den Arm nehmen und drücken möchte, ist hohe Schreibkunst. Aber anstrengend zu lesen.


    Die Sprache ist wunderbar, poetisch, drastisch, sperrig und einschmeichelnd zugleich.


    Zur Illustration eine meiner Lieblingsstellen:


    Eine Perle liegt da. So matt-silbrig schimmernd, so dunkel regenbogenfarbig glänzend liegt die da in der Nacht, wie auf schwarzem Samt. So schaut das aus. Der Samt ist eine Pfütze, das Regenbogenschimmern ist Schmieröl, und die Perle ist der Mond, der sich spiegelt im öligen Wasser. So ist das.


    So ist das. Poesie und Prosaisches dicht beieinander. Es tut der Schönheit keinen Abbruch. Daß es danach recht gewalttätig weitergeht, auch nicht.


    Fast still ist es. Nur so ein leises Wummern. Sonst nichts. Aber jetzt kracht es. Es wird hell und das Wummern laut. Die Mondperle zittert und zerfällt, rinnt und purzelt auseinander. Zerschlagen wird die. Und zwar von Kurts Gesicht. Das klatscht nämlich mitten hinein in die Pfütze ...


    So traurig die Geschichte im Grund ist, so beruhigend ist die Stimmung, die sie austrahlt. Versöhnlich. Menschen und das Leben. Es gehört halt zusammen. So ist das.


    Leseempfehlung, aber einen langen Atem sollte man mitbringen.
    Den braucht man fürs Leben ja auch.


    ;-)


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus