Die Farben des Lebens
von: Susie Morgenstern
OT: Lettres d'amour de 0 à 10
Aus dem Französischen von: Silke Höpfl
vergriffen, ISBN: 3570209679 (156 S.)
Altersempfehlung: 10+
Susie Morgenstern (*1945, Newark/New Jersey) ist eine französische Kinder- und Jugendbuchautorin, die in den USA, Israel und Frankreich studierte und eine Doktorarbeit in Vergleichender Literaturwissenschaft (Komparatistik) schrieb. Bis auf ein Bilderbuch sind ihre Bücher auf deutsch vergriffen.
Auf der französischen Homepage Susie Morgensterns findet man zu diesem Buch den Kommentar: »C’est mon roman "gloire" puisque j’ai reçu tant et tant de prix littéraires. Ben, ça fait plaisir !« (»Das ist mein "Erfolgsroman", da ich dermaßen viele Literaturpreise dafür bekommen habe. Ja, das bereitet Freude!«)*
Die Freude, die die Literaturpreise bei Frau Morgenstern verursachen, kann ich nachvollziehen, warum sie vergeben worden, auch. Denn dieser Roman ist etwas Besonderes. Sprachlich schlicht und schnörkellos geschrieben, erzählt er die Geschichte, wie Victoire dem 10-jährigen Ernest und seiner Großmutter "die Farben des Lebens" wiedergibt.
Ernest, dessen Mutter bei seiner Geburt starb und dessen Vater daraufhin spurlos verschwand, wächst bei seiner Großmutter auf.
Sein Leben ist organisiert, jeder Tag wiederholt sich am darauffolgenden. Das Haus verlässt er nur, um in maßgeschneiderten Anzügen zur Schule zu gehen, wo er außer in persönlichen Aufsätzen exzellente Noten hat. Freundschaft und Fröhlichkeit hat er nie kennen gelernt, deshalb vermisst er sie nicht. Die Mädchen, die ihn wegen seiner Schönheit verehren, beachtet er überhaupt nicht und beäugt die Süßigkeiten und Kuchen, die sie ihm zustecken misstrauisch, da er Vergleichbares noch nie gegessen hat. Man kann Mitleid mit ihm haben, sein Leben läuft ab wie das einer Maschine, es geht nur darum zu funktionieren, es besteht nur aus Grautönen. Seine Großmutter mag ihn zwar, lebt aber schweigend in der Vergangenheit und versucht einen Brief ihres Mannes zu entziffern.
Zu leben bedeutet für Ernest irgendwann verloren zu gehen, im Krieg zu sterben wie sämtliche seiner Verwandten, oder zu verschwinden wie sein Vater. Eigentlich hat er keine Vorstellung davon.
Eines Tages taucht Victoire de Montardent auf, Schwester von zwölf Brüdern, die kurz nach der Begegnung mit Ernest, erklärt, dass sie ihn in knapp 14 Jahren heiraten wird. Wie selbstverständlich taucht sie in Ernests Leben ein, wovon dieser zuerst weniger begeistert ist, weil sein Tagesrhythmus gestört wird. Doch langsam spürt er wie viel schöner das Leben sein kann. Victoire und ihre großherzige Familie heißen ihn willkommen, Ernest fasst den Mut, sich mit dem Verschwinden seines Vaters auseinanderzusetzen, eine von den Montardents vermittelte neue Haushälterin bringt Leben in das graue Einerlei, und auch Großmutter Précieuse scheint aus der Vergangenheit und ihrem vom Überleben geprägten Leben aufzutauchen.
Wundervoll schildert das Buch diese ungewöhnliche Liebesgeschichte, führt den Leser in die graue Welt von Ernest und seiner Großmutter und ebenso in die verrückte Welt der Montardents. Etwas störend fand ich die unvermittelte Art, in die Köpfe der Charaktere zu gucken, wie sie von Susie Morgenstern genutzt wurde, auch sind die Charaktere vielleicht etwas überzeichnet. Manchmal habe ich vergessen, dass ich es mit Zehnjährigen zu tun hatte, die Reife kann man jedoch den ungewöhnlichen Leben zuschreiben und richtig falsch wirkte sie nicht. Insgesamt erzählt das Buch ruhig - trotz Victoire-bedingten lauten Stellen - eine Geschichte des Erwachens, des Erwachsenwerdens und der Liebe - eine Geschichte, die trotz ungewöhnlicher Vorgänge immer selbstverständlich wirkt.
Sie veranleitet nachzudenken, über das Leben und über den Protagonisten Ernest... Sehr schön!
*Quelle: offizielle Homepage von Susie Morgenstern, http://susie.morgenstern.free.fr/siteweb/LP.htm, Stand 23.10.2005, Zugriff 12.01.2008
Information
Bei amazon.fr ist das Buch auf französisch noch lieferbar. Link
Fazit
Ein wunderschönes, nachdenkliches Kinderbuch. Schade, dass es vergriffen ist.
9/10 Punkten
bartimaeus
[Edit: Konkretisierung der Quellenangabe bezüglich des Zitates und Verbesserung entstellender Tippfehler]