'Professor Unrat' - Kapitel 06

  • Der Kriegszustand zwischen Unrat und den 3 Verworfenen hat ein neues Stadium erreicht.
    Hier verstehe ich Heinrich Manns Beschreibung der Situation nicht ganz.
    Einerseits schreibt er, Unrat fühlt sich geradezu stark in seinem völlig einsamen Kampf gegen die Verworfenen Schüler, andererseits fürchtet er die Schüler auch, weil sie jetzt mit Unrats Besuchen bei der Künstlerin Fröhlich auch gegen ihn etwas in der Hand haben.


    Also eigentlich befinden sie sich momentan doch in einer Pattsituation, wieso fühlt Unrat dann stark?




    Die Künstlerin Fröhlich wagt sich dann mit einem ernsthaften, traurigen Lied in langem Kleid auf die Bühne. Hat sie etwa tatsächlich auch künstlerische Ambitionen? Das überrascht mich etwas.
    Klar, dass das Publikum etwas anderes erwartet. Mit einem Umschwung auf „Weil ich noch so klain und unschuldich bin“ schafft Rosa noch die Wende.


    Das hat mich an eine Szene in dem Film „Zeugin der Anklage“ erinnert, als Marlene Dietrich in der Rolle einer Sängerin in langen Hosen auftritt, obwohl auf dem Plakat nackte Beine versprochen wurden. Da gab es sogar Publikumsausschreitungen.
    Ob Billy Wilder bei der Szene von Professor Unrat beeinflusst war?
    Für ganz unmöglich halte ich das nicht!

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Der Kriegszustand zwischen Unrat und den 3 Verworfenen hat ein neues Stadium erreicht.
    Hier verstehe ich Heinrich Manns Beschreibung der Situation nicht ganz.
    Einerseits schreibt er, Unrat fühlt sich geradezu stark in seinem völlig einsamen Kampf gegen die Verworfenen Schüler, andererseits fürchtet er die Schüler auch, weil sie jetzt mit Unrats Besuchen bei der Künstlerin Fröhlich auch gegen ihn etwas in der Hand haben.


    Ich möchte hier einmal das Wort Tyrann setzen. Ein Tyrann übt willkürliche Macht gegenüber denen aus, die von ihm abhängig sind. Seine Macht ist jedoch nicht unbrechbar, je mehr er von sich preisgibt, desto angreifbarer wird er. Hier tyrannisiert der Tyrann sich selbst, da er (zumindest zu diesem Zeitpunkt des Romans) noch gegen seinen eigenen Werte- und Sittenkanon verstößt.


    Zitat

    Also eigentlich befinden sie sich momentan doch in einer Pattsituation, wieso fühlt Unrat dann stark?


    Noch ist er überlegen. Das Wort eines Lehrkörpers gegen das eines Schülers beim Direktor. Eine Mögliche Erklärung.
    Verklärter Narzismus in Folge Wahnsinns (vom Ende her gedacht) eine zweite ....




    Zitat

    Die Künstlerin Fröhlich wagt sich dann mit einem ernsthaften, traurigen Lied in langem Kleid auf die Bühne. Hat sie etwa tatsächlich auch künstlerische Ambitionen? Das überrascht mich etwas.
    Klar, dass das Publikum etwas anderes erwartet. Mit einem Umschwung auf „Weil ich noch so klain und unschuldich bin“ schafft Rosa noch die Wende.


    Was ist Kunst? Auch diese Frage stellt der Roman. Der profane Schlager "Weil ich noch so klain und unschuldig bin" gegen das Pseudo-Kunstlied, gedichtet von einem Schüler (nämlich Lohmann).
    Übrigens sollte mann den Schlager dieser Zeit und dessen poetische Rafinesse nicht unterschätzen. Die Sprache war von blühender Metaphorik und eineindeutiger Blümeranz.


    Kennt zufällig jemand den kompletten Text des Titels: "Weil ich noch so klein und unschuldig bin" (oder besitzt eine kommentierte Ausgabe)?


    Beste Grüße
    theiresias