Bill Bryson - Reif für die Insel

  • Originaltitel: Notes from a small island


    1992 veröffentlichte Bill Bryson seine "Notes from a small island" (dt. "Reif für die Insel"). Nach einem ersten Besuch in Großbritannien 1973 ist er von der Insel und seinen Einwohnern beeindruckt. Hier lernt er auch seine Frau kennen und heiratet sie ein Jahr später. Nach 2 Jahren in Amerika ziehen beide zurück in die "alte Heimat" und bleiben knapp 20 Jahre dort, bevor sie erneut in die USA umziehen.
    Um sich gebührend von der Insel zu verabschieden, beschließt er sie acht Wochen lang zu Fuß oder per Bahn zu bereisen. "Notes from a small island" ist der Bericht über seine Erfahrungen mit der vielfältigen Landschaft und Gesellschaft.


    Nachdem ich bereits mehrere seiner Reiseberichte gelesen habe, hatte ich mich auf einen weiteren gefreut. Allerdings hat sich die Lektüre dann doch anfangs als ziemlich zäh dargestellt. Über einen Monat habe ich mal mehr und mal weniger darin gestöbert. Nach 150 Seiten (von 350) hatte er mich dann endlich und so konnte ich die letzten beiden Drittel schnell durchlesen.


    Auch wenn er über britische Gepflogenheiten lächelt,spürt man doch, dass er Land und Leute liebt (zeigt sich wohl auch daran, dass er inzwischen wieder in Großbritannien lebt). Seine Reise beginnt im Süden des Landes und umfasst dort Stationen wie Dover, Bornemouth, London, Windsor und Virginia Waters, Stonehenge und Exeter. In Virginia Waters lernte er seine Frau kennen und dementsprechend liebenswürdig schreibt er über den kleinen Ort zu Füßen von Windsor Castle. Grund genug für mich im letzten Urlaub bei meinem Schatz dorthin zu fahren. Und wir waren so froh darüber! Seine Begeisterung war nicht übertrieben! Also mein Tipp: hinfahren, selber schauen!


    Von der südlichen Westküste reist er in die Landesmitte nach Oxford zurück, um dann den Osten und Mittelengland zu besuchen. Von dort fährt er zurück Richtung Westen und Norden, um weitere Stationen wie Liverpool, Wales, Edinburgh, Glasgow und die äußersten Punkte Schottlands zu besuchen.


    Neben Beschreibungen zu den Orten hält Bill Bryson auch mit seinen Beobachtungen zur Geschichte, der Tourismusindustrie, Kultur, Infrastruktur der Bahn, politschen Kuriositäten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nicht zurück. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf lebende Personen, sondern gibt sich auch dem Lästern über einige adlige Kuriositäten der Vergangenheit hin. Besonders angetan hat es ihm W. J. C. Scott-Bentinck (1800-1879), der 5. Duke of Portland: ein Einsiedler, dessen krankhafte Neigung dazu führt,dass er sich unter seinem Anwesen ein zweites Apartment bauen lässt - inklusive Ballsaal. Wer mehr über ihn erfahren möchte, kann in der englischen Wikipedia weiterlesen: [URL=http://en.wikipedia.org/wiki/William_Cavendish-Scott-Bentinck,_5th_Duke_of_Portland]http://en.wikipedia.org/wiki/W…nck,_5th_Duke_of_Portland[/URL] . (Hier ist noch ein bedeutend neutralerer Bericht zu lesen: http://www.nottingham.ac.uk/ms…d/5th_duke_portland.phtml)


    Fazit:
    Für Englandfans ist der Reisebericht sicher informativ und amüsant, aber die Begeisterung, die ich nach "Streiflichter aus Amerika" und "Frühstück mit Känguruhs" empfunden habe, konnte hier zumindest für mich nicht aufkommen. Ich hatte mir wesentlich mehr erwartet.

  • Zitat

    Original von marilu
    Nach 150 Seiten (von 350) hatte er mich dann endlich und so konnte ich die letzten beiden Drittel schnell durchlesen.


    Oh, dann kriegt es von mir doch auch noch eine Chance, danke! Ich konnte auch nicht recht hineinfinden und war ein bisschen enttäuscht, weil ich das Australien-Buch doch auch so mochte.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Na sowas, gabs hier bisher noch gar keine Rezi zu dem Buch? Mein persönlicher Lieblings-Bryson, vermutlich auch weil es mein erster war. Ich war damals so von Großbritannien begeistert, dass meine Eltern mir das Buch schenkten und ich habe es einfach nur geliebt. Bryson spricht genau meinen Humor an und es ist schön wie er durch die Gegend rennt und die seltsamsten Begegnungen hat. :lache


    10 von 10 Punkten.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Bill Bryson bringt die Dinge humorvoll auf den Punkt. Ich finde ihn auch klasse. Nach "Notes from a small island" hat er noch "Notes from a big country" veröffentlicht. Das Buch ist eigentlich eine Zusammenstellung zahlreicher Kolumnen über Amerika.

  • Das war mein erster Bryson und ich kann mich noch genau an die Stelle erinnern, bei der ich in der Jugendherberge in Oban/Schottland fast vom Stuhl gefallen wäre. Vor Lachen. Besonders gut gefallen hat mir, dass ich viele seiner Beobachtungen bestätigen konnte. Er hat ein sehr scharfes Auge und kann seine kleinen Spitzen gut zu Papier bringen.
    Seitdem habe bis auf "Eine kurze Geschichte von fast allem", das nocht subbt, alle seine Bücher gelesen und wurde nie enttäuscht.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Es war auch MEIN erster Bryson (ein zweiter subt), und auch bei mir dauerte es etwa hundert Seiten, ehe er mich so richtig gepackt hatte, dann allerdings kam ich aus dem Lautlachen über Kichern bis Schmunzeln kaum noch heraus. Allein, wie er sich überlegt, wie Stonehenge entstanden sein könnte... Oder sinniert, wie jemand ausgerechnet auf die zum Glasherstellen erforderlichen Zutaten gekommen ist und dazu, zufälligerweise gerade sie zu vermengen... Oder dass ihn ein Döner an das Bein eines toten Mannes erinnert (daran werde ich wohl für den Rest meines Lebens denken müssen, wenn ich an einer Dönerbude vorbeikomme und dort einen schwitzenden Menschen Scheibchen vom erhitzten Block abschaben sehe*g*)... Oder wie er dazu rät, unerwünschte Werbesendungen mit Gewinnversprechen durchzureißen und im beigefügten Freiumschlag an den Absender zurückzusenden (DAS praktiziere ich allerdings ohnehin bereits seit Jahren!*g*).
    Naja, erwähnenswert sind natürlich auch seine Betrachtungen über das weibliche Wesen an sich und seine Ehefrau im Besonderen und vor allem eben die manchmal wirklich recht skurrilen Eigenheiten der Inselbewohner. Auf den letzten Seiten geht es nach Schottland und ich hoffte eigentlich, einige Worte über Glencoe zu finden, da ich das Buch von Charlotte Lyne darüber kürzlich gelesen habe. Aber vielleicht ist es ganz gut, dass es unerwähnt blieb, denn da hätte sein Ton wohl doch nicht so recht gepasst.
    Alles in allem: Eindeutige Lach... ähm... Leseempfehlung!

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)