Blue Tit - Wolfgang Müller

  • Da habe ich es doch glatt versäumt, eines der Highlights meiner Bibliothek vorzustellen:


    Wolfgang Müller: Blue tit - das deutsch-isländische Blaumeisenbuch
    thýsk-islenska blámeisubókin


    Kurzbeschreibung von amazon
    Es begann eigentlich alles mit einem Artikel in der Berliner "die tageszeitung". Ein Berliner Künstler züchtet Blaumeisen vor seinem Fenster in Kreuzberg und verkauft sie an italienische Feinkostgeschäfte. Die Umweltbehörde schaltet sich ein, Müller dementiert und stellt klar, daß Meisen ganz anders leben. Die Spur führt nach Island, wo es gar keine Meisen gibt... Das zweisprachige Lexikon: Elfen und die Elfenbeauftragte von Reykjavik, Windharfen, nordische Orchideen, Falkpläne mit kleinen Fehlern, Gebärdensprache, Sex, Flechtenhandel, Besuch beim Staatspräsidenten, orchis militaris in der Mark Brandenburg, der Transvestitenclub von Island, Neidschuhe, die F.D.P. als ready made - Úlfur Hró ólfsson in Berlin, Kassel und Hamburg, Angst haben vor..., Island auf bayrischem Globus vergessen und die Abschaffung des Buchstabens Z...


    Der Autor
    Wolfgang Müller, geboren 1957, bildender Künstler, Musiker und Schriftsteller, war schon als Kind fasziniert von den isländischen Vulkanen, die er daheim in der niedersächsischen Industriestadt Wolfsburg im Bücherschrank der Eltern in "Alle Wunder dieser Welt" abgebildet sah. Seit Anfang der 80er Jahre wohnt er in Berlin und war Mitglied der Gruppe "Die Tödliche Doris". Zu Beginn der 90er Jahre besuchte er zum ersten Mal Island. Von nun an kehrt er jedes Jahr für einige Monate auf die Insel zurück. Ein elementarer Gedanke seines zweisprachigen Werkes nahm dort Gestalt an: ein isländischer Transvestit ist genauso ein Teil der Natur wie die seltene Schnee-Eule oder eine nordische Orchidee.


    Meine Meinung
    Die Einordnung fällt schwer, genaugenommen ist dieses Buch eine wunderbares Sammelsurium, das sämtliche Vorstellungen, die Deutsche von Island haben, über den Haufen wirft.


    Aber von vorn: Während des Besuchs einer Amerikanerin kommt das Gespräch auf Blaumeisen, englisch blue tit und die Erkenntnis, dass dieses Wort vom altisländischen " tittr " (= kleiner Vogel) kommt. Das veranlasst Wolfgang Müller dazu, seine erste Islandreise zu unternehmen. Dem folgen viele weitere, und in diesem Buch gewährt uns Müller nun Einblicke in dieses Land, wie sie in keinem Reiseführer stehen.
    Von A wie Aeolsharfe über O wie Orchidee bis zum Z (in welchem Kapitel die Frage behandelt wird, warum im isländischen Alphabet das Z gestrichen wurde, aber "Pizza" (2z!) eines der wenigen ausländischen Worte ist, das Eingang ins Isländische gefunden hat) führt Wolfgang Müller uns völlig neue Aspekte Islands und der Isländer vor:
    Wir lernen den einzigen Transvestiten Islands (T) ebenso kennen wie die Neidstange aus der Egills-Saga (offensichtlich fiel ihm bei N nix besseres ein).
    Naturwissenschaftliche Ausführungen informieren uns über Walfischpenise , Rentierflechten, Riesenalkbälge und, natürlich, immer wieder Meisen.
    Natürlich werden auch Elfen und Zwerge ausführlich behandelt, was zum Beispiel zu der Erkenntnis führt, dass Elfen nicht sprechen, sondern singen!

    Und dann ist das ganze auch noch deutsch-isländisch, weshalb man in diesem Buch so wunderschöne Worte wie fuglaspá (Vogelweissagung), brönusjódsslódum (Helmknabenkraut) oder steypireydarredur (Blauwalpenis) lernen kann

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ich muß mal nachfragen (mit schwacher Stimme):


    Ist das ein Reiseführer der anderen Art? Ein Roman? Ein Lexikon?
    Klingt höchst attraktiv. Irgendwie. Nicht, daß ich Island auf dem Programm hätte, aber ...


    Die Neidstange hat mich erheitert. Etwas Aktuelleres ist ihm nicht eingefallen? Sag bloß nicht, daß sowas in Island heute noch gang und gäbe wäre.
    :wow



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich muss präzisieren:
    Nein, kein Reiseführer, auch wenn ausgewählte Orte vorgestellt werden, etwa unter F die Insel Flatey oder unter T (Tierpräparate) das einzige Säugetierpenismuseum der Welt.
    Lexikon schon eher, allerdings wird man Worte, die zumindest den meisten Deutschen bei Island einfallen, vergeblich suchen; Feuer und Eis etwa, Vulkan und Gletscher, usw. Auch Fisch taucht nur am Rande auf.
    Manche Einträge sind tatsächlich lexikalisch, andere kurze Abhandlung, etwa die Erläuterungen zum Sozialverhalten der Blaumeisen. Der Abschnitt über die (eigentlich nicht existierende) isländische Eisenbahn kommt als Romanfragment daher, während der Meise Yvonne (Y) ein Gedicht gewidmet wird.


    Und eine Kreuzspinne (K) namens John-Joan Hekla Rosa darf auch mitspielen :grin

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Das war der Trick bei der Sache :grin.
    Wer guckt sich schon einen Thread mit dem Titel "Das deutsch-isländische Blaumeisenbuch" an...
    Falls Bedarf besteht, ändere ich natürlich den Titel :kiss


    edit: vielleicht sollte ich erwähnen, dass das Buch streckenweise eine klitzekeines bisschen pornographisch ist. Immerhin nimmt (S) Sexualität (Kynferdismál) 15 Seiten ein, auch wenn es auch hier hauptsächlich um Blaumeisen und schwule isländische Schlagersänger geht.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von DraperDoyle ()

  • Wieso machst Du dauernd Gerichte mit Kohl, die nicht klappen? Erst ist das Rotkraut, nun das Weißkraut.
    Fernet Branca? Iiiiiiiiiih. Nie.
    Okay, OT, entschuldigung.



    Nee, laß den Titel. Du kannst ja nichts dafür, daß Meise so heißt wie, nun, Du weißt schon, was.
    :lache


    Ich habe es unter 'Blue Tit' bei ZVAB aufgestöbert, also.


    :wave


    magali

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    K. Kraus

  • Zu mir hat dies Buch als Wanderbuch gekommen (danke, DraperDoyle :knuddel1). Ich muss sagen, ich bin ein wenig enttäuscht, ich hätte ein etwas kurioseres Buch erwartet.


    Das Buch ist eine Sammlung lehrreicher und amüsanter Beiträge, die nicht immer viel gemein haben. Besonders gut hat mir die Erzählung über die Elfe im Blumenkasten gefallen, die zwar nicht von hoher literarischer Qualität zeugt, dafür aber einfach niedlich ist.


    Neben der Unterhaltung lernt man auch Einiges über Island, wer wusste schon das Island der erste Staat war, der die Unabhängigkeit Estlands anerkannte? Oder welche Orchideen es dort gibt?


    Vieles in dem Buch ist jedoch nur etwas für eingefleischte Island- oder Wolfgang-Müller- bzw. Úlfur-Hródólfsson-Fans. Ausufernde Interviews mit Modellbau-Rentierflechten-Vertreibern und Globusherstellern, die eine drastische Kürzung verdient hätten, einen seltsamer Beitrag über Úlfur Hró ólfsson, das schlagerhafte Lied über Meise Yvonne und die Theaterinterpretation des Thrymlieds habe ich teilweise nur noch quergelesen. Auch ist mir immer noch nicht ganz klar, wer denn nun Fred ist...


    Das Buch wirkt ein wenig arg zusammengewürfelt auf mich, in einer Mischung, die nicht immer gelungen ist. Wenigstens ist es abwechslungsreich.


    Sprachlich (ich beziehe mich nur auf den deutschen Text, ich verstehe leider kein Isländisch) empfand ich es nicht als herausragend, eher mittelmäßig.


    Fazit:
    Für Islandfans geeignetes Sammelsurium, das zwar streckenweise recht interessant ist, das man aber nicht gelesen haben muss.


    5/10 Punkten


    :wave bartimaeus

  • Also ich fand es sehr unterhaltsam und musste dauernd auf den isländischen Text linsen
    und habe ab und zu versucht ein paar Zeilen zu lesen.


    Jetzt habe ich noch mehr Lust auf Island. :brabbel


    Ich muss zugeben, dass ich die beiden Orchideenkapitel nur angelesen habe, weil sie mich nicht
    so interessiert haben. Auch in die Fussnoten habe ich nur ab und zu geguckt, es waren einfach zu viele.


    Was das Sprachliche angeht, muss ich bartimaeus recht geben und es ist tatsächlich ein Sammelsurium.
    Es hat fast ein wenig was von einer Zeitung im gebundenen Format, was wohl auch am Druck der beiden
    Sprachen in nebeneinanderliegendenSpalten liegen mag.


    Leider steht die Übersetzung nicht immer direkt neben dem deutschen Text. Ich hätte manchmal gerne die
    direkte Übersetzung eines Wortes gelesen.


    Mir hat übrigens auch "Die Elfe im Schlafsack" von ihm gefallen. In diesem ist auch die Geschichte
    von der Elfe im Blumenkasten enthalten.
    Ich habe es allerdings als etwas skuriles Buch in Erinnerung, aber das ist Blue Tit ja auch.