"Mein Leben als Show" - John O'Farrell

  • Jimmy Conway ist fünfunddreißig und lebt in einem äußerst
    langweiligen Badeort im Süden Englands. Er unterrichtet
    desinteressierte Einwanderer halbtags in ihrer neuen Heimatsprache,
    abends trifft er sich mit seinen Kumpels im Pub - das ist sein
    Tagesablauf. Als Kind träumte Conway davon, dereinst ein Showstar zu
    werden, mit fünfzehn schrieb er Briefe an sein zukünftiges Ich,
    liebenswert-naive Mahnungen davor, die Bodenhaftung nicht zu verlieren,
    wenn die Berühmtheit so groß ist, daß ein normales Leben nicht mehr
    möglich scheint.


    Am Tag vor dessen Tod begegnet Jimmy dem Comedy-Superstar Billy
    Scrivens, der seinen Wochenendsitz im besagten Kaff hat - sie treffen sich
    nur kurz, beim Jogging. Durch eine Verkettung auch durch Jimmy lancierter
    Umstände gilt er plötzlich als naher Freund des Verstorbenen Billy, wird
    zur Beerdigung eingeladen, lernt die bildschöne Witwe kennen - und eine
    Zeitungsreporterin, der er vorflunkert, selbst Comedian zu sein, einer,
    der überraschend in verschiedenen Clubs auftritt, niemals im Fernsehen,
    und eine gigantische Fangemeinde hat. Zwei Wochen später erscheint ein
    doppelseitiges Feature über Jimmy, für das er gefaktes Material vorgelegt
    hat - und die Dinge nehmen ihren Lauf. Ohne etwas zu verraten, denn das
    Buch beginnt mit dieser Szene: Jimmy wird schließlich in der Royal Albert
    Hall auftreten, vor großem Publikum und live im Fernsehen. Der Pferdefuß:
    Bis dahin hat er niemals auf einer Bühne gestanden, geschweige denn je ein
    Comedy-Programm präsentiert ...


    Das sehr liebevolle, äußerst amüsante und fein beobachtete Buch
    erzählt über Träume, die Fallstricke der Popularität, macht sich über die
    "Szene" lustig und die Mechanismen der Medienkultur. Sein tolpatschiger,
    aber gutmeinender Held erzählt brüllend komisch und findet hinreißende
    Bilder für die Geschehnisse, in die er selbst und seine Freunde geraten,
    aber es gelingt ihm nicht, all das in eine "Show" zu packen - eine Show,
    die er letztlich abliefern werden muß, vor einem Millionenpublikum, das so
    viel von Jimmy Conway gehört, ihn aber noch nie auf der Bühne gesehen
    hat. Ein fabelhafter, liebenswerter Schmöker, den man nicht mehr aus der
    Hand legt.

  • Hallo, BatCat.


    Zitat

    Das Buch hört sich liebenswert schrullig an. Muß ich mal reingucken gehen!


    Ich kann's wirklich nur empfehlen - das netteste und lustigste Buch, das ich in diesem Jahr gelesen habe, und weit komischer als z.B. "Die Bibel nach Biff".

  • Hi Tom, das Buch hört sich wirklich verdammt gut an, darf ich mal fragen, wie du zum Buch gekommen bist? Hast du es durch Zufall im Geschäft gesehen oder wurde es dir empfohlen.
    Ich hatte bis eben noch nie von dem Buch gehört, mal schauen ob ich es noch schaffe, ein Exemplar vor meinem Urlaub zu organisieren. :-)

  • Hallo, Wolke.


    Zitat

    darf ich mal fragen, wie du zum Buch gekommen bist?


    Das hat mir ein Freund empfohlen, Thomas Nicolai, bekannt auch als "Der blonde Emil" (oder auch "Patrick Schleifer"), selbst Comedian - hatte im Frühjahr auf Sat.1 eine Show mit dem Titel "Ei verbibbsch", die vermutlich im Herbst fortgesetzt wird. Natürlich: Dringende Empfehlung, wenn er mal mit seinem Programm in der Nähe ist ... :-)

  • Oh Mann. das war doch original bei unserer Grabbelaktion dabei....
    Muß ich wohl mal gucken, ob ich es noch finde....

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Sehr schön :) Wenn man auf Amazon klickt und schaut, daß William Sutcliffe, Mike Gayle, Sven Regener und Nick Hornby in der "gleichen Liga spielen" - dann ist das Buch auch was für mich... *notiert*


    Danke Tom!

  • Zitat

    Original von Lilli
    Wenn man auf Amazon klickt und schaut, daß William Sutcliffe, Mike Gayle, Sven Regener und Nick Hornby in der "gleichen Liga spielen" - dann ist das Buch auch was für mich... *notiert*


    Oh... wenn ich DAS wiederum lese, hört es sich wieder weniger nach einem Buch für mich an. Egal... ich werde da mal demnächst reinschmökern und DANN urteilen! ;-)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Hallo, Lilli.


    Zitat

    Wenn man auf Amazon klickt und schaut, daß William Sutcliffe, Mike Gayle, Sven Regener und Nick Hornby in der "gleichen Liga spielen" - dann ist das Buch auch was für mich...


    Ich wäre mit solchen Vergleichen immer ein bißchen vorsichtig. Es ist nicht so lapidar wie "SexEck" (das einzige Buch, das ich von William Sutcliffe gelesen habe), es ist nicht so episodisch und larmoyant wie "Herr Lehmann", es hat die Warmherzigkeit und die Nähe von "High Fidelity", ist aber weit, weit lustiger als alles, was Hornby je geschrieben hat. Ich würde eher mit Ben Elton vergleichen ("Seitensprünge", "Popcorn"), aber auch dieser Vergleich ist schief.

  • Tom,


    ich gebe ja auch nicht wirklich was auf solche Etiketten.


    Ich war jedenfalls heute mittag im Buchladen und habe mal reingelesen. Gleich am Anfang das mit Fermat und der Wespe fand ich irgendwie unwitzig... und das auch noch als Einstieg.


    Ich habe dann mal vorgeblättert und in der Mitte einen Abschnitt gefunden, der mich wiederum angesprochen hat.


    Ich bin noch unentschlossen. Ich werde wohl mal mit etwas mehr Zeit reinschnuppern müssen, bevor ich es mitnehme (oder auch nicht!).

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von tomliehr
    ... es hat die Warmherzigkeit und die Nähe von "High Fidelity", ist aber weit, weit lustiger als alles, was Hornby je geschrieben hat. Ich würde eher mit Ben Elton vergleichen ("Seitensprünge", "Popcorn"), aber auch dieser Vergleich ist schief.


    Ben Elton kannte ich bis jetzt noch nicht, aber ich habe mal bei Amazon reingelesen. Viel steht ja zu "Seitensprünge" und "Popcorn" nicht... so kann ich mir dahingehend gar kein Urteil erlauben.


    Im Grunde lese ich gerne Autoren, die sich in England (vornehmlich London) tummeln... das tun David Baddiel, William Sutcliffe, Mike Gayle etc. Irgendwie haben die was gemeinsam in der Art zu schreiben, was mir gefällt, daher dachte ich, daß "Mein Leben als Show" evtl. auch mein Metier ist... Egal, ich lese es... Ich sollte mir nicht schon vorher zu viele Gedanken machen... :grin


    William Sutcliffe hat unter dem Pseudonym "Sam Colman" - Das Leben live! geschrieben - wäre vielleicht auch was für dich? Dazu hatte ich früher schon mal meinen Eindruck gepostet: Schaue hier...

  • Hallo, Lilli.


    "Das Leben - live" habe ich vor drei Jahren gelesen und folgendes dazu angemerkt:


    "Sam Colman ist das Pseudonym des englischen Autors William Sutcliffe, der u.a. mit "Meine Freundin, der Guru und ich" ziemlich erfolgreich war. Ich hab's nicht gelesen - und "Das Leben - live!" auch nur gegriffen, weil der Titel dem Werbemotto meines Lieblingsradiosenders entspricht. Mit Radio hat das Buch allerdings nichts zu tun.


    Anna ist hübsch, extrem langbeinig und versucht, in einer Anwaltskanzlei unterzukommen. Miles ist hübsch, promisk und arbeitet bereits in der Anwaltskanzlei. Egg ist vermutlich eher nicht hübsch, weitgehend unentschlossen und bekommt den Job in der Anwaltskanzlei, den eigentlich Anna haben will, kündigt später wieder und kauft sich eine Imbißbude. Milly, die Freundin von Egg, arbeitet da übrigens auch schon (in der Kanzlei, nicht in der Imbißbude). Und außerdem leben alle zusammen in einer WG in Nordlondon. Hinzukommen Warren, der schwule Anwalt (wir erraten rasch, wo er arbeitet und wohnt), dessen Eltern noch nichts davon wissen (vom Schwulsein), Kira, seine Cousine (wo arbeitet sie? richtig!), die eigentlich auch ihre meiste Zeit in der WG verbringt (aber weiß, daß Warren schwul ist, während er glaubt, sie wüßte es nicht). Ferdy, mit dem Warren einen One-Night-Stand hat, und der NICHT in der Anwaltskanzlei arbeitet, aber als Kurierfahrer - die Kanzlei beliefernd. Rachel (Anwaltskanzlei), die
    das Zimmer von Warren haben will. Puh. Wen vergessen? Macht nichts.


    Das Leben ist so. Vielleicht. Nach dem Lesen fiel mir als erster Vergleich die Sitcom "Friends" ein - und, siehe da, der erste und bisher einzige Rezensent bei amazon.de ist auf die gleiche Idee gekommen. Muß also was dran sein. "Das Leben - live" ist gekennzeichnet von Situationskomik und -dramatik, Dialogen, bei denen man im Hinterkopf die eingeblendeten Lacher hört, von
    Kommen und Gehen, Zufällen und Ausfällen, einer Menge Aktion auf 300 Seiten, während eigentlich wenig Entwicklung stattfindet - eben wie bei einer Sitcom, deren Konzept ja darauf beruht, daß sich genaugenommen nichts wirklich tut, da das Zuschauer verwirren könnte, die eine der unzähligen Folgen verpaßt haben - oder merken, daß eigentlich eine Wiederholung der vorletzten Staffel läuft. Tatsächlich hat es Colman/Sutcliffe geschafft, ein Buch zu schreiben, bei dem es nahezu wurst ist, was passiert, bei
    dem dem Leser die tatsächlichen Schicksale der Protagonisten egal sind, weil die Figuren reduziert werden auf die Komik oder Tragik der Interaktion miteinander. Szenen werden aufgebaut, die Pointe wird kassiert und ab damit in die Versenkung.


    Rasant geschrieben, *sehr* witzig an einigen Stellen, leichtfüßig, teilweise sogar brillant. Aber es bleibt alles an der Oberfläche. Keine Figur hat Kontur über die Eigenschaften hinaus, die für das Zusammenspiel des Ganzen relevant sind. Auf diese Art verliert sich der Eindruck unheimlich schnell. Samstagnachmittag, sechzehn Uhr und ein paar Minuten. Die Folge "Friends" ist vorbei, und wenn mich jemand fragen würde, was da gerade passiert ist ..."

  • Hallo Tom,


    der Vergleich mit "Friends" könnte u.U. schon stimmt, aber ganz so kritisch wie Du sehe ich die Story nicht. Suttcliffe schreibt nicht unbedingt "Tiefgangliteratur" - das solte man wissen, bevor man etwas von ihm liest, aber es macht Spaß ihn zu lesen. Das war für mich wichtig.

  • Hi, Lilli.


    Aber genau das schrub ich doch auch: Es macht Spaß, zuweilen sogar recht großen, aber nach dem Lesen ist es sofort aus dem Schädel. "Das Leben - live" fand ich im Gegensatz zu "SexEck" ziemlich vergnüglich. Gebrauchsliteratur ohne den Anspruch, mehr zu sein, als es ist.

  • also.....ich hab am wochenende 'mein leben als show' auf meiner heimreise im zug ausgelesen.


    ich muss tom recht geben - das buch ist echt lesenswert. die figuren sind liebevoll gezeichnet, die story reichlich abstrus - und vor allem die gedankengänge des helden total schräg, sodass ich mich manchmal schon zusammenreissen musste, um die anderen fahrgäste nicht allzusehr zu stören.


    besonders witzig fand ich die idee, dass sich der jimmy als jugendlicher selbst briefe geschrieben hatte, die er dann als erwachsener lesen sollte...weise altkluge ratschläge an sein eigenes ich, wie man sich als reicher berühmter star benehmen sollte. :lache


    das ende fand ich dann ein bissel zu sehr 'pädagogisch wertvoll'.


    aber alles in allem sehr zu empfehlen!


    bo :-)