'Im Land der weißen Wolke' - Seiten 683 - Ende

  • Also einerseits soll die Handlung nicht vorhersehbar sein, aber andererseits die Gedankengänge nicht fehlinterpretierbar. Beides zusammen finde ich jetzt übertrieben. ;-)


    Ich sehe das anders mit Helens Berufschancen: Eine Witwe und eine geschiedene Frau (Wer hätte sie überhaupt scheiden sollen? Klar, ein Richter in Christchurch. Aber da musste sie erst mal sein, und dann musste sie ihr Seelenleben vor einem wildfremden Mann ausbreiten - "Was wollen Sie denn, gute Frau? Wie es aussieht, sorgt Ihr Mann doch für Sie, er schlägt sie nicht übermäßig, er betrügt Sie nicht ... Dass er Ihnen kein Luxusleben bietet, können Sie ihm nicht vorwerfen ..." - alles völlig unmöglich für die prüde Helen.) waren damals zwei gänzlich verschiedene Schuhe. Einer Witwe griff man unter die Arme, sie wurde bedauert, aber einer Geschiedenen hing etwas von Halbwelt an.
    Und was das Ausgebrannte angeht: Habt Ihr mal jahrelang Wasser aus einem Ziehbrunnen geholt? Den Ofen vor dem Heizen erst mal mit Holz auffüllen müssen, das dann nicht brannte, weil's feucht war? Bei Howards Arbeitsauffassung musste Helen es wahrscheinlich noch hacken ... Gemüse musste ausgebuddelt werden, Fleisch ausgenommen. Vor jedem Einkauf musste das Maultier gesattelt und über mehrere Meilen weit geritten werden. Das alles geht an die Substanz, da hat man irgendwann keine Energie mehr, sich mit einem Rundumschlag zu befreien, erst recht, wenn man auf die fünfzig zugeht und eben keine schnelle Verbesserung zu erwarten ist, sondern neue Demütigungen. Es ist schon sehr heroisch von Helen - aber sie braucht es wohl auch für ihr Selbstbewusstsein, um nicht gänzlich zu versinken - dass sie die Maorikinder unterrichtet. Aber es waren halt Maorikinder. Das wird ihr doch bei den Pakeha nicht als 'Berufserfahrung' angerechnet! Für mich war Helens Lage hoffnungslos, allenfalls hätte sie bei George unterkriechen können. Aber das hätte ihr Stolz nun erst recht nicht zugelassen.

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  • Gerade nach zwanzig Jahren unterordnen ist es schwer was neues oder anderes anzufangen. Das ist noch heute so. vor 130 Jahren war das mit Sicherheit noch um einiges schlimmer. Hellen war regelrecht von ihrem Mann gebrochen worden. Wenn man zwanzig Jahre lang eingebleut bekommt man ist zu nichts nutze, glaubt man es irgendwie und es dauert lange das Selbstvertrauen wieder aufzubauen.

  • Zitat

    Original von Sarah
    Also einerseits soll die Handlung nicht vorhersehbar sein, aber andererseits die Gedankengänge nicht fehlinterpretierbar. Beides zusammen finde ich jetzt übertrieben. ;-)


    :write Ich empfinde es wirklich nicht als schlimm, wenn ich den Handlungsverlauf nicht durchgehend schon im voraus erahnen kann, sondern auch mal falsch liege mit einer Einschätzung. Ich lasse mich eher gern überraschen.


    Zu Helens' Situation:
    Rückblickend war der Abschluss des Buches schon auf ein Happy-End ausgerichtet. Alle "Bösewichte" starben. Das mag man übertrieben und einfach finden. Mich persönlich hat es nicht gestört, auch wenn ich großes Interesse an Pauls' weiterem Werdegang im nächsten Buch gehabt hätte, daher habe ich seinen Tod noch am ehesten bedauert.


    Viele Grüße :wave Xyrion

  • Ich habe das Buch gestern noch beendet und es hat mir sehr gut gefallen. :anbet Dass Paul sterben musste, finde ich auch schade, so einen Bösewicht braucht man einfach...
    Andererseits ist Tonga ja noch da... bin gespannt, wie der sich dann entwickelt. :gruebel Und wie das Baby von Paul wird...

  • Lasst Euch überraschen, die Welt ist voller Bösewichter. Vielleicht tauchen in Band 2 ja noch ganz andere auf.


    Bei Paul war das Problem, dass ich für ihn einfach keine mit den anderen Personen kompatible Zukunft gesehen habe. Das Verhältnis zu Gwyneira war im Grunde zerrüttet, erst Recht das zu Fleur. Aber Paul hätte nun Kiward Station geerbt - ob gleich oder nach einer gewissen Zeit im Gefängnis hätte man sehen müssen, aber letztendlich wäre er mit seinen ganzen verrückten Ideen Herr über die Farm geworden. Sprich endloser Kleinkrieg mit den Maoris, mit Gwyn ... das sind Geschichten, wie sie das Leben leider täglich schreibt, aber wer will denn das lesen?


    Tonga sehe ich eigentlich nicht als Bösewicht. Er schießt ein bisschen übers Ziel hinaus mit seinem Maori-Aktionismus, aber im Grunde will er das Beste für sein Volk. Ich denke, er entwickelt sich auch noch. Gerade, in Band 3, hat er auf jeden Fall schon etwas Größe gezeigt. Und so richtig ist er da noch gar nicht in Fahrt gekommen, mal sehen, was das noch wird.
    (Ihr seht, ich kann's auch kaum erwarten, dass es weiter geht, ich falle regelmäßig durch den Bildschirm.)

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  • Ich habe mal vorsichtshalber nicht auf die Uhr geschaut, als ich heute früh das Buch zugeklappt habe.


    Mir gefällt der Schluß, ich finde es auch nicht unglücklich, dass der lang erwartete Ausbruch des ewigen Konfliktes der zwei verbitterten alten Männer zu beider Tod führte. O´Keefe- was hatte der ausser Hass und Suff für Perspektiven- und wenn Helen etwa Versuche unternommen hätte ihn zu verlassen, wie hier sehr heutig von einigen angedacht-er hätte sie wahrscheinlich totgeschlagen, man muß nur seine Reaktion auf Rubens Briefe fortdenken. Gerald- auch für ihn war es zu spät umzudenken, er stirbt mit dem Namen seiner einzigen Liebe auf den Lippen, dem Namen der Frau, die nichts als Verachtung und Wut für in übrig hat. Paul- ja Paul wäre vielleicht durch das Wunder der Liebe noch zu retten gewesen. Wie sagt seine Frau so schön- durch ein Meer von Tränen. Doch in der historischen Situation und seinem Konflikt mit Tonga ist auch sein Tod nichts als folgerichtig.


    So ein bischen erscheint mir eh, dass die Autorin die Pferde und die Hunde mehr liebt als die Menschen, die sie erschaffen hat. Friday und Cleo sind Träger der Geschichte fast mehr als manche menschliche Figur.


    Nun warten wir auf die Fortsetzung der Entwicklung in Neuseeland- mit zwei Witwen am Ende des 19. Jahrhunderts, schwere Zeit. Ich bin Neu-gierig.

  • Zitat

    Original von Xyrion
    Ich bin noch nicht durch, aber drei Passagen möchte ich schnell mal lobend erwähnen:
    1.) James McKenzies' Namensverschlüsselung im Gerichtssaal (Pua Pakupaku) :fingerhoch
    2.) James' zweiter Ausbruch um Fleisch für Friday zu stehlen :fingerhoch


    Ich bin auch noch nicht durch.
    Die gut und originell geschilderte Gerichtsverhandlung gegen James war ein Witz. Aber das Ergebnis 5 Jahre einsitzen ist nicht zum lachen.
    Komisch, dass James Ausbruch keine drastischen Strafen zur Folge hatten.
    Zum Glück folgen die Begnadigung und die Abschiebung nach Australien. Damit ist eine Wiedervereinigung zwischen Gwyn und James sehr wahrscheinlich.

  • Die Gerichtsverhandlung orientiert sich sehr an ihrem wirklichen Verlauf, besonders die Szenen mit Friday, die sehr genau überliefert sind. Geredet hat der echte James allerdings nicht so viel, er sprach wohl auch kaum Englisch, sondern verständigte sich auf Gälisch mit seinen Hunden und Schafen.


    Und ansonsten, muss ich gestehen, geht es mir wie James: Ich finde Hunde wirklich netter als den Großteil der zweibeinigen Bevölkerung.
    (Aber ich glaube, so geht es jedem, der gerade sein Haus umbaut. Man entwickelt unweigerlich Aggressionen gegen all die Handwerker und Co, die nicht auf Pfiff funktionieren.) ;-)

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  • Zitat

    Original von Sarah
    Die Gerichtsverhandlung orientiert sich sehr an ihrem wirklichen Verlauf, besonders die Szenen mit Friday, die sehr genau überliefert sind. Geredet hat der echte James allerdings nicht so viel, er sprach wohl auch kaum Englisch, sondern verständigte sich auf Gälisch mit seinen Hunden und Schafen.


    Und ansonsten, muss ich gestehen, geht es mir wie James: Ich finde Hunde wirklich netter als den Großteil der zweibeinigen Bevölkerung.
    (Aber ich glaube, so geht es jedem, der gerade sein Haus umbaut. Man entwickelt unweigerlich Aggressionen gegen all die Handwerker und Co, die nicht auf Pfiff funktionieren.) ;-)


    :wow Ich wusste gar nicht, dass die Charaktere Personen nachempfunden sind. Inwiefern gab es sie denn wirklich? Kannst du uns ein wenig über die historischen Fakten aufklären, Sarah?

  • Die letzte Nacht wurde auch bei mir wieder lang, aber ich konnte halt nicht aufhören, bevor ich durch war. :-]


    Mir gefiel das Ende sehr gut. Genauso mag ich es.
    Das mit Paul war zwar insofern schade, als dass er gerade anfing menschlich zu werden, aber die Vorstellung er hätte die Farm weitergeführt, finde ich eine furchterregende Vorstellung.



    Zu den "sich nicht befreien wollenden Frauen":
    Das finde ich völlig logisch und mich hätte es mehr verwundert, wenn sie es denn getan hätten.


    Selbst heute gelingt es ja sehr sehr vielen Frauen nicht, sich von ihren prügelnden Ehemännern zu befreien und heute hätten sie alle Möglichkeiten.
    Das liegt in dem Fall nicht an der Zeit sondern meist auch an den Frauen, die völlig down sind, depressiv, fertig und total ausgerannt und keinerlei Selbstbewußtsein haben, da der Mann es "herausgeprügelt" hat.


    Wie soll es dann in einer derartigen Zeit klappen, auch wenn die Frauen noch nicht soo am Boden sind.
    Ihnen standen ja keinerlei Möglichkeiten, außer der Daphnes offen. Und selbst die wäre für Helen, gesetz des Falles sie hätte es überhaupt in Erwägung ziehen können, nicht merh möglich gewesen aufgrund des Alters.



    Mein Fazit zu dem Buch:
    Ich habe lange nicht mehr ein derart spannendes und fesselndes Buch gelesen, das mich doch um einige Stunde Schlaf gebracht hat :-]
    Und nun warte ich sehr ungedulig auf die Fortsetzung und hoffe auch da wieder auf eine Leserunde

  • Zitat

    Original von Deichgräfin
    auch mit Tonga hätte er sich zusammenraufen können.


    Vielleicht, aber das wäre schwer geworden. Die beiden waren zu sehr Konkurrenten, schon als Kinder.

    Zitat

    Original von Bumkin
    Deichgräfin :


    Ja vielleicht wäre ja noch ein ganz verständiger Mensch aus Paul geworden.


    Mit tat es auch Leid um Paul, nachdem er durch Marama, beinahe eine Chance zum Leben bekommen hätte.



    Ich habe das Buch jetzt auch beendet. Es hat mir gut gefallen. Leider habe ich es mehrmals aufgrund der Länge unterbrechen müssen. Wenn ich am Stück lesen konnte, war ich am besten drin und konnte die Atmosphäre und die spannende Handlung am meisten genießen.


    Ich hätte mir auch noch mehr Handlung mit den Maoris und ihrer Lebensart und -kultur gewünscht. Vielleicht sogar eine weitere Hauptperson von ihnen. Marama und Tonga waren klar Nebenfiguren.


    Meine Lieblingsfiguren waren Gwyn, Daphne, Lucas und Paul. Und natürlich war James als Schafdieb auch einfach klasse.



    Zitat

    Original von Büchersally
    Für die Fortsetzung lässt es auf Spannung hoffen, wenn Marama ein Kind von Paul erwartet.


    Ja, wenn dieses Kind die Hauptperson wird, kann das sehr spannend werden, da es zwischen den Kulturen stehen wird.
    Die Frage ist noch, ob Junge oder Mädchen.

  • Hab ich das mit James nicht im Nachwort geschrieben?
    Ansonsten müsst Ihr ihn wirklich auf Englisch googlen, Deutsch erfährt man nur das Nötigste. Mich hat das Denkmal von Friday auf ihn gebracht.
    James ist allerdings die einzige, reale Person im ganzen Buch, und er ist natürlich sehr stark verfremdet. Hätte ich gewöhnlich nicht getan, gerade bei Neuseeland mit seiner sehr kurzen Geschichte. Da muss man immer damit rechnen, dass noch Nachkommen der Leute leben und verständlicherweise wütend werden. Aus diesem Grund ist auch der Name des Mannes, der James dann zur Strecke brachte, verändert, sowie der Name seiner Farm. Die Umstände der Gefangennahme sind allerdings stark an die Wirklichkeit angelehnt. Und bei James hatte ich weniger Hemmungen, weil er nun wirklich im Dunkel der Geschichte verschwand, ohne nachweisbare Spuren zu hinterlassen.

    Sarah Lark: Das Lied der Maori
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  • Ich habe das Buch gestern Abend fertig gelesen und ich bin begeistert...


    Dieser letzte Abschnitt war ja nochmal richtig voller "Action". Ich muss sagen, ich fand das Ende von Gerald und Howard passend. So haben ja lange genug ihr Unwesen getrieben.
    Dass Paul sich seiner Strafe erstmal entziehen konnte, fand ich richtig schade. Als er dann erschossen wurde, empfand ich das als Erleichterung.
    Und ich fand auch nicht, dass dadurch die Konfliktlösung elegant umgangen wurde... schließlich haben beide Familien ja jahrzehntelang mit diesen Männern gelebt und sich arrangiert - und irgendwann ist es dann eben eskaliert. :grin


    Besonders gefallen hat mir das Wiedersehen von Helen und Daphne, da musste ich schmunzeln.


    Klar haben letztlich alle Entwicklungen auf ein Happy End abgezielt, aber ich fand das schön. Einfach weil ich das Buch insgesamt nicht als schnulzig empfunden habe und ich mich deshalb gefreut habe, dass meine Lieblingsfiguren nach vielen Schicksalsschlägen doch noch ihr Glück gefunden haben!


    Ich freue mich, dass es einen 2. Teil gibt. Gibt es dazu dann auch wieder eine Leserunde?? Den 2. Teil lese ich auf jeden Fall. Was ich aber am 1. Teil klasse finde, dass er in sich rund und abgeschlossen ist und nicht lauter offene Stellen bleiben, die den Leser zum 2. Band zwingen.


    Interessant, dass es James wirklich gab! Muss ich gleich mal nachlesen.


    Vielen Dank an Sarah für die interessante Begleitung der Leserunde und auch Euch allen für's Mitlesen!

  • Zitat

    Original von Johanna
    Zu den "sich nicht befreien wollenden Frauen":
    Das finde ich völlig logisch und mich hätte es mehr verwundert, wenn sie es denn getan hätten.


    :write :write Sehe ich auch so... mich hätte es mehr gestört, wenn Helen und Gwyn plötzlich alles allein in die Hand genommen hätten und sich gegen sämtliche Gesellschaftszwänge durchgesetzt hätten... ich fand es so glaubwürdiger.