• Das Zeitalter des Mobilfunks ging bereits ins zweite Jahrzehnt, als auch ich den fabelhaften Einfall hatte, mein einfaches mobiles Funkgerät gegen ein günstigeres derselben Firma wechseln zu wollen. Hervorragender Einfall, dachte ich bei mir, hatte aber keine Ahnung, dass ich mich damit auf feindliches Gebiet wagte. Die so genannten „Handy-Anbieter“ sind zur Zeit zwar schnell im Anwerben neuer Kunden, auch das Abwerben bei anderen Anbietern funktioniert tadellos, bei der Betreuung bestehender Kundschaft gibt es allerdings noch einiges an Schwierigkeiten.


    Darum jetzt, das Tagebuch eines Bittstellers (gekürzte Fassung):


    Montag 10.32:
    Betreten des Shops des Anbieters und Vortragen des Wunsches meinen bestehenden „oberflächlichen“ Vertrags in einen „offiziellen“ mit monatlicher Abrechnung zu ändern.
    „Kein Problem, mein Herr“, sagt der äußerst nette Angestellte der äußerst netten Telekommunikationsgesellschaft und ruft erst mal meine Daten im Computer ab.
    „Losungswort?“ werde ich gefragt, kann mich aber nicht erinnern, jemals ein Losungswort ausgegeben zu haben. Darauf weise ich den netten Herrn hin, der macht aber darauf aufmerksam, dass er da sehr wohl ein Codewort im Computer hätte.
    „Könnte ich das dann auch wissen“, frage ich vorsichtig.
    „Tut mir leid, mein Herr, das sollten Sie schon selbst wissen...“
    Ich überlege, und sein höfliches – in wochenlangen Schulungen geübtes – Lächeln macht mich zusätzlich nervös. Zum Glück bin ich kein besonders phantasievoller Mensch und denke, dass das Zauberwort vielleicht dasselbe sein könnte, welches ich auch für meine Bankverbindungen verwende.
    „Hokuspokus vielleicht?“ frage ich vorsichtig.
    „Gewonnen!“
    Na, damit wäre diese Schlacht geschlagen.
    „Welches unserer Angebote wollen Sie nutzen?“
    Gute Frage. Welches Angebot will ich nutzen?“
    „Welches Angebot haben Sie zu machen?“
    Er knallt mir eine Broschüre vor die Nase, die an Unfang Krieg und Frieden nahe kommt.
    „Gibt’s da eine Leseecke?“
    „Sie brauchen nicht alles durchzublättern.“
    „Hab ich auch nicht vor.“
    „Sehr schön. Wir haben hier eine schöne Sache. Das Freizeit-Package mit Internet-Zugang, achtunddreißig SMS-Minuten pro Monat, Gipfelstürmer-Bonus und – falls Sie einen Partner haben – Ehe-Zusatzleistungen...“
    „Bin solo...“
    „Dann empfehle ich ihnen den Normal-Grundtarif ohne Zusatzkosten, dafür mit Mitleids- und Alleinsteherpartnervermittlungshilfe...“
    „Hört sich gut an.“
    „...und eine Stunde Sex-Hotline gratis.“
    „Super, gekauft.“
    „Schön, mein Herr, wollen Sie ein neues Handy?“
    „Kann ich mir das leisten?“
    „Aber mein Herr, natürlich können Sie sich das leisten. Wir erhöhen ihre Grundgebühr geringfügig, damit bekommen Sie von mir das neue Nokia ATC mit unbegrenztem Speicherplatz, Weckruf auch nachts und hundertachtundneunzig eingespeicherten Melodien...“
    „Quasi schon eine Juke-Box...“
    Die Krawatte des netten Verkäufers erzittert, weil er sich ein gequältes Lächeln abringt. Humor dürfte in den Seminaren kein Prüfungsfach sein.
    „Ähh..., ja.“
    „Nehm’ ich, klar.“
    „Sehr gut, der Herr, dann können wir ja den Vertrag machen.“
    „Eines noch, meine alte Rufnummer möchte ich behalten...“
    „Kein Problem!“
    „Und die Umstellung geht doch promt?“
    „Dauert nur Minuten. Und das Freischalten kostet Sie gar nichts.“
    „Ich erwarte nämlich in den nächsten Tagen einige wichtige Anrufe.“
    „Kein Problem, mein Herr, wie gesagt, alles eine Sache von Minuten.“
    „Gut.“
    Der Vertrag ist nach Vorlage des Reisepasses, eines Leumundzeugnis meines Arbeitgebers und einem Kontoauszug nur noch Formsache. Innerhalb von Minuten ist alles vollbracht und bereits um 15.48 bin ich stolzer Besitzer eines Nokia ATC mit allerhand Schnickschnack, den ich nie begreifen werde. Der Verkäufer verabschiedet mich mit seinem schönsten einstudierten Lächeln, und versichert, dass ich in den nächsten Minuten freigeschaltet werde. Das finde ich gut, denn am Abend will ich unbedingt in meiner Stammkneipe mit meinem Nokia ATC auftrumpfen.


    Montag 21.13:
    In meiner Stammkneipe sind schon drei meiner allerbesten Freunde Besitzer eines Nokia ATC, und alle haben ein Problem: Sie können nicht telefonieren. Die armen Schweine. Sind noch nicht freigeschaltet. Stolz wähle ich Südamerika an und höre nur ein schrilles Pfeifen. Auch auf mich hat man vergessen. Zum Glück gibt es eine 24 Stunden-Serviceline meines Anbieters. Ich wähle und das Pfeifen nervt. Zum Glück steht nur zehn Gehminuten entfernt eine Telefonzelle, ich werfe die Münzen ein und wähle die 24 Stunden-Serviceline, die zur Zeit nur leider nicht besetzt ist. Das Tonband und Kool and the gang – die da so zur Auflockerung laufen – klären mich auf. „Serviceline ab acht Uhr früh!“ Wahrscheinlich 24 Stunden die Woche. Insgesamt! Beschließe, mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, morgen ist auch noch ein Tag. Mein Nokia ATC in der Tasche bleibt stumm. Hoffentlich will mich niemand erreichen.


    Dienstag 09.34:
    Mache mich auf den Weg zur Telefonzelle. Gute Nachricht: Es gibt die Serviceline. Nach achtzehn Minuten Warteschleife kann ich bei Kool and the gang bereits mitsingen und werde von einer netten Stimme überrascht:
    „Mobilfunk-Serviceline – Sie sprechen mit Frau Rottensteininger – was kann ich für Sie tun?“
    „Ähh...“
    Das war mir jetzt zu schnell, was will ich eigentlich?
    „Ruf Sie später noch mal an.“


    Dienstag 11.28:
    Mir ist wieder eingefallen, was ich will. Freischalten! Nicht vergessen ... Freischalten! Diesmal nur zwölf Minuten Warteschleife.
    „Mobilfunk-Serviceline – Sie sprechen mit Frau Danzinger – was kann ich für Sie tun?“
    Diesmal überrascht mich das nicht.
    „Freischalten!“
    „Gerne, mein Herr, Ihre Rufnummer bitte?“
    Verdammt!
    „Ruf später noch mal an.“


    Dienstag 13.01
    Habe mir zuhause meine Rufnummer aufgeschrieben und trotte wieder zur Telefonzelle. Leider geht mir nach sieben Minuten Warteschleife das Kleingeld aus und ich muss wechseln. Abermals Warteschleife und ich beginne Kool and the gang zu hassen.
    „MobilfunkservicelineSiesprechenmitFrauWanzingerwaskannichfürSietun?“
    „Freischalten!“
    „Gerne mein Herr, Ihre Rufnummer bitte!“
    „Siebenzwölfdreiundzwanzigachtzehn.“
    „Danke, mein Herr, das Codewort bräuchte ich noch.“
    Das Codewort, das Codewort, da war doch was, gestern hab ich es noch gewusst, was war das noch gleich..., irgendwas mit Zauberei.
    „Habakuck“, sage ich.
    „Tut mir leid, mein Herr!“


    Dienstag 17.34:
    Habe mein Codewort eruiert und gespeichert.
    „MobilfunkservicelineSiesprechen...“
    „Freischalten – Siebenzwölfdreiundzwanzigachtzehn – Codewort Hokuspokus!“
    „Könnten Sie das wiederholen, mein Herr!“
    Ich wiederhole und werfe Münzen nach.
    „Ja, mein Herr, da gibt es ein paar technische Probleme. Bis morgen früh können Sie ganz bestimmt telefonieren. Wir haben alles eingegeben. Den Rest übernimmt der Computer.“
    „Könnten Sie mich nicht vorreihen.“
    „Tut mir leid, technisch nicht möglich, aber bis morgen früh ist alles freigeschaltet, machen Sie sich keine Sorgen.“
    „Danke schön!“
    „Gerne.“
    Befriedigt, mich durchgesetzt zu haben, begebe ich mich nach Hause. Na, mit mir können die das nicht machen.


    Mittwoch 08.54:
    Heute kann ich telefonieren. Denke ich. Den Weg zur Telefonzelle schaffe ich in zehn Minuten.
    „Mobilfunkserviceline...“
    „Ich bin nicht freigeschaltet“, flehe ich.
    „Wann haben Sie sich denn angemeldet?“
    „Welchen Tag haben wir?“
    „Mittwoch!“
    „Dann Montag.“
    „Ja, das Freischalten kann bis zu achtundvierzig Stunden dauern.“
    „Das ist aber neu?“
    „Durchaus nicht, mein Herr.“
    „Ich erwarte einige dringende Anrufe.“
    „Tja mein Herr, ich werde versuchen, Sie vorzureihen.“
    „Dachte, das wäre technisch nicht möglich.“
    „Aber selbstverständlich ist das möglich. Schließlich sind wir sehr stolz auf unser Kundenservice. Bis heute Mittag sind Sie freigeschaltet.“


    Donnerstag 14.32:
    Habe den Vormittag damit verbracht, einen Antrag zu stellen, die Telefonzelle direkt vor mein Haus zu versetzen. Man verspricht, zu sehen, was man da tun kann.
    „Mobilfunkservice...“
    „Ich hab keine Lust mehr zu warten.“
    „Ihre Rufnummer bitte!“
    „Hab ich vergessen und ihr könnt mich am Arsch lecken.“
    „Aber mein Herr, geringfügige technische Probleme. Sind Sie der Hokuspokus?“
    „Ich glaube...“
    „Nun, mein Herr, in manchen Fällen dauert die Freischaltung bis zu zweiundsiebzig Stunden.“
    „Was Sie nicht sagen...“
    „Der technische Dienst arbeitet auf Hochtouren.“
    „Das tun Kool and the gang auch.“
    „Ha, ein toller Witz mein Herr, ganz hervorragend, den werde ich mir merken.“
    Humor ist die Sache der Telekommunikationsbranche nicht, sagte ich das schon.


    Wenn mich in den nächsten Wochen jemand erreichen will, soll er die Serviceline der Mobilfunkfirma meines Vertrauens anwählen. Ihr seid dann bei Frau Rottensteininger, Danzinger, Wanzinger, Hohensalzer oder bei Fräulein Gingling. Besonders ans Herz gewachsen ist mir auch Frau Konrad. Sie informierte mich, dass in einigen wenigen Fällen das Freischalten aus technischen Gründen erst nach einem halben Jahr möglich wäre. Kunden, die so lange durchhalten, bekämen dann aber einen Super-Extra-Treuebonus gutgeschrieben. Ich liebe die Frauen der Serviceline. Lauter nette Damen mit eigenem Humor. Nächste Woche habe ich ein Date mit Fräulein Gruber. Mein Nokia ATC habe ich im Garten vergraben. Besichtigung des Grabsteins von Mo-Fr 8-18 Uhr. Anmeldungen unter meiner Serviceline.

  • :rofl :rofl :rofl


    Sehr schön...erinnert mich an unsere Versuche, bei Microsoft VISTA authentifizieren zu lassen... :grin


    Magst Du unseren Gedenkstein besichtigen?...Kann aber durchaus ein 3/4 Jahr dauern nach Antragstellung :wave