Es war Zeit für eine Pause. Seit drei Stunden saß ich jetzt im Auto, auf dem Weg zu einem dieser mich irgendwie nicht reizenden Forumstreffen, wo man aber als gut gedrilltes Forumsherdentier trotzdem immer wieder hinfährt.
„Krögers Gasthof“ stand auf der Holsten-Leuchtreklame über der Tür, im Fenster daneben das unvermeidliche „DIENSTAGS RUHETAG“. Ein kleiner Hinweis auf dem Speisekartenaushang informierte mich darüber, dass ich hier wie „bei Muttern essen“ könnte. Nicht gut. Wer einmal in den Kochkünsten meiner Mutter gestochert hat, der wird beim Lesen eines solchen Satzes wohl nur mit großer Mühe eine Panikattacke abwehren können.
Es war einer jener Gasthöfe, deren besonderen Charme man erst wahrnimmt, wenn man auch die menschliche Topographie der jeweiligen Dörfer in allen ihren Niederungen begreift. Aber egal, ich hatte Hunger, war durstig und wollte hier nur eine Kleinigkeit essen.
„Mahlzeit!“ Ein markiger Gruß kommt auf dem Lande immer gut.
„Moin.“
Die Gaststube war ohrenbetäubend leer.
„Ich möchte eine Kleinigkeit essen.“
„So? An wat hebbt Se denn dor dacht?“
Plattdeutsch! Das durfte jetzt nicht wahr sein. Verstehen konnte ich diese Sprache ein wenig, aber sprechen?
„Haben Sie eine Karte.“
„Jo hebbt wi.“
Wir, also der Wirt und ich, schauten uns an.
„Ob Sie mich dann mal in die Karte schauen lassen?“
„Ick künnt Se oak seggen wat wi to eeten hebbt. Hüüt givt dat nich soveel.“
„Okay, dann legen Sie mal los.“
„Wi hebbt een scheune Arfensupp, kocht up Snuten un Poten.“
„Und was haben Sie noch?“ Erbsensuppe war nun so gar nicht mein Fall. Und Schnauzen und Pfoten vom Schwein esse ich schon mal gar nicht.
„Kantüffelsalat un Frikandelle künnt Se oak hebben.“
„Gut dann nehme ich den Kartoffelsalat und eine Frikadelle.“
Er gab meine Bestellung an die Küche weiter.
„Wüllt Se oak wat do drinken? Eeen scheunet Holsten?“
Holsten knallt am dollsten, kalauerte es in meinem Kopf.
Ich bestellte ein Bier.
„Es ist aber leer bei Ihnen, heute ist ja immerhin Samstag.“
„Jo. Sünnobend wär dat jümmers nich soveel. Un Sünndach, dor kümmt se allang hier wedder vorbi, no den Kark. Dann givt een Lüdden.“
Eine Frau betrat die Gaststube, in der Hand hielt sie einen Teller beladen mit einer Riesenfrikadelle und einem halben Kubikmeter Kartoffelsalat.
„Dat weer mien Frau. För dottich Johr hebbt wi unser Plün to sommen schmieten.“
Aus seinem Blick sprach alle Liebe dieser Welt.
Ich aß, trank mein Bier – schweigend. Dann zahlte ich und ging mit dem Wissen, dass ich hier wohl nie mehr wieder hinkommen würde.