Die Affäre Calas – Helene Luise Köppel

  • Aufbau Verlag, Roman, Taschenbuch, 439 Seiten
    Dezember 2007


    Handlung:
    Als ihre Lieblingstante in Toulouse stirbt, erbt die junge Nürnberger Anwältin Sandrine Feuerbach außer zwei Anwesen in Südfrankreich auch ein Geheimnis: Sandrine ist eine echte Calas, und damit wird die grausame "Affäre Calas" zu einem Teil ihrer Familiengeschichte. 1761 war der älteste Sohn der Hugenottenfamilie unter rätselhaften Umständen ums Leben gekommen. Die mysteriöse Bruderschaft der Weißen Büßer beschuldigte den Vater, ihn ermordet zu haben, weil er zum katholischen Glauben konvertieren wollte. Obwohl es keine Beweise gab, wurde der Vater hingerichtet. Voltaire klagte den Fall als Justizverbrechen an, aber das Geschehen wurde nie aufgeklärt.
    Kaum hat Sandrine mit Hilfe ihres Jugendfreundes Henri begonnen den alten Vorgängen nachzuforschen, verschwindet Henri spurlos. Sie selbst wird in ihrem Haus überfallen. Erst Monate später kann sie, von einer Freundin begleitet, die Suche nach Henri aufnehmen. Alle Spuren führen zu noch heute einflussreichen Geheimbruderschaften, die bereits beim Fall Calas nicht vor Mord zurückschreckten.
    Die historischen Hintergründe dieses packenden Geschehens sind von Helene Luise Köppel akribisch recherchiert und bestechend miteinander verflochten.



    Zur Autorin:
    Helene Luise Köppel, 1948 geboren, lebt in Schweinfurt. Ihre Romane "Die Ketzerin vom Montségur" (2002), "Die Erbin des Grals" (2003) und "Das Gold von Carcassonne" (2005) handeln vom dramatischen Schicksal der Katharer und den Mythen um den Heiligen Gral.


    Siehe auch Büchereulen-Autorenprofil
    Köppel, Helene Luise


    Meine Meinung:
    Die Geschichte wird spannend und interessant eingeleitet, so dass man schnell von dem Thema und der suggestiven Sprache der Autorin gefesselt ist. Wie alle Romane Helene Luise Köppels handelt auch dieser überwiegend in Südfrankreich.


    Als die Rechtsanwältin Sandrine Feuerbach nach dem Tod ihrer Tante eine große Erbschaft macht, erfährt sie in einem Brief ihrer Tante auch, dass sie von der Familie Calas abstammt, die im 18.Jahrhundert die Affäre Calas, einem bekannten Justizskandal, erlebte.
    Jean Calas, ein strenggläubiger Hugenotte wurde der Mord an seinem Sohn vorgeworfen, der zum Katholischen Glauben konvertierten wollte. Calas wurde hingerichtet. Ein Justizirrtum mit fanatischem Hintergrund, der mit der Dreyfus-Affäre vergleichbar ist. Der französische Philosoph Voltaire rehabilitierte Jean Calas posthum schon im Jahr 1765.


    Sandrine erhält einige sehr alte Briefe. Sie beginnt in Südfrankreich zusammen mit einem alten Freund Henry, eine Recherche über die Hintergründe, in die auch ein Geheimbund, die weißen Büßer von Toulouse verwickelt ist.
    Sandrine, die in Scheidung von ihrem Mann Sam lebt, verliebt sich in Henry.
    Im Museum in Toulouse sehen sie Gemälde des Malers Nicolas Tournier, der ein Schüler Caravaggios war. Aus der Symbolsprache des Malers erkennen sie in den Gemälden Die Grablegung, Christus abgestiegen vom Kreuz (eigentlich gehört auch noch das Gemälde Die Kreuzigung Christi dazu) Zusammenhänge zwischen der Bruderschaft der Büßer von Toulouse und dem Calas-Fall und der Gegenwart
    Je mehr sie erfahren, desto mehr geraten sie in Gefahr.


    Der historische Anteil, der zum Beispiel durch alte Briefe aus dem 18.Jahrhundert und Recherchen der Protagonistin vermittelt wird, ist sehr wichtig für den Roman.
    Mir gefällt, wie gut die einzelnen Elemente aus Thriller, Mystery und historischen Anteil ineinander greifen. Die Autorin schafft es aus dem Mix ein ganze, etwas Eigenständiges zu formen.


    Viele Szenen besitzen eine große Authentizität, zum Beispiel die stundenlange Bahnfahrt Sandrines nach Toulouse, ein Handlungsstrang im ersten Teil des Buches, der immer gleich nach einem Voltaire-Zitat jedem Kapitel folgt.


    Eindringliche Atmosphäre und Stimmungen, aber auch Detailreichtum machen die Wirkung des Romans aus.


    Ein hilfreiches Personenverzeichnis, interessante Erklärungen und Quellenangaben schließen das faszinierende Buch ab, von dem ich mich nur schwer losreißen konnte.


    Ich möchte den vielschichtigen Roman allen am Thema interessierten empfehlen, für Leser, die außerdem von Südfrankreich fasziniert sind, ist er ein Muss!

  • Danke für die schöne Rezi, Herr Palomar, das Buch landet auf jeden Fall auf der Wunschliste, hört sich nähmlich, sehr interessant.

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • Ich möchte mich an dieser Stelle auch persönlich für diese gute Rezension bedanken!


    Vielleicht kurz zur Entstehungsgeschichte des Romans :bruell


    Die Affäre Calas" hat mich über lange Jahre begleitet. Angefangen 2003 mit der Entdeckung einer der alten Schutz- und Denkschriften Voltaires aus dem Jahr 1761 ("Authentische Briefe, welche das traurige ´Schiksal` der ´reformirten` Famille Calas zu Toulouse nach der Wahrheit vor Augen legen), habe ich mir ein Jahr später, als das grobe Konzept stand, den Karfreitags-Sanch-Umzug in Collioure (Roussillon) angesehen, um ihn in den Roman einzubauen.

    Im Herbst desselben Jahres fuhr ich mit dem Zug nach Toulouse, wobei die Zugfahrt Teil des Romans wurde. Im dortigen Musée des Augustins machte man mich auf die Symbolsprache des Malers Nicolas Tournier aufmerksam, der zu seiner Zeit für die Büßer von Toulouse gearbeitet hatte.

    Nach meiner Heimkehr entdeckte ich auf einem meiner Fotos (das Portalwappen der Schwarzen Büßer von Toulouse über dem Eingang des Museums) eine geheimnisvolle Inschrift, die mit bloßem Auge nicht sichtbar war; 2005 und 2006 gab es weitere merkwürdige Entdeckungen auf Reisen nach Limoux und Collioure, die ebenfalls Eingang in den Roman fanden.

    Herzliche Grüße - und viel Freude beim Lesen
    Helene Luise Köppel


    Homepage: www.koeppel-sw.de

  • Hallo Helene Luise, :wave
    schön, dass du auch im Forum bist. :-]


    Diese Entstehungsgeschichte ist sehr interessant.
    Noch ein paar Fragen zu den Details.


    Sind von Voltaire viele Originalschriften und Briefe erhalten? Wo findet man so etwas? Ganz großartig fand ich die vielen (oft verblüffendenden, hellsichtigen) Voltaire-Zitate in deinem Roman.


    Die Zugfahrt nach Toulouse begleitet den Leser den ganzen ersten Teil des Buches und verbindet im Roman sehr geschickt zwei Handlungs- und Zeitebenene und man spürt beim lesen deutlcih die Authentizität. Hast du die Zugfahrt aus Recherchegründen unternommen, war also geplant, dass sie Teil des Romans wird? Wie lange dauerte die Fahrt?


    Deine Entdeckung der Inschrift über dem Eingangsmuseum: War dem Museum diese Inschrift bekannt? Hat sie für die Forschung auch eine Bedeutung?


    Entschuldige bitte, dass ich so Neugierig bin, aber dein Roman lässt den Leser auch lange nach dem Beenden des Buches nicht so einfach los. :grin

  • Hallo, Herr Palomar,


    ich beantworte gerne "neugierige" Fragen! :-), denn ich bin selbst sehr neugierig!


    Die Voltaire-Denkschrift habe ich ganz zufällig in einem Antiquariat entdeckt. Die Geschichte aus dem 18. Jahrhundert hat mich sofort fasziniert - und in der Folge auch Voltaire selbst. Ich kann nicht sagen, ob ich alles von ihm gelesen hab in der Zeit, in der ich "Die Affäre Calas" schrieb, aber es war eine ganze Menge. Doch die Beschäftigung mit ihm hat sich in jeder Hinsicht gelohnt. Nicht nur, dass ich diese Zitate fand und viel gelernt und erfahren habe, ich entdeckte auch etliche versteckte und offene Hinweise auf den Fall Calas, z.B. in seinem Philosophischen Wörterbuch unter dem Titel "Verbrecherisch".


    Die Zugfahrt nach Toulouse unternahm ich tatsächlich, um dort zu recherchieren. Per Mail hatte man mir eine private Führung im Musée des Augustins zugesagt. Ich war drei Tage dort. Das Haus der Familie Calas existiert noch, es gibt Straßen, die nach den Büßern benannt sind, usw.
    Dass die Zugfahrt von Schweinfurt aus ganze 18 Stunden dauerte, war natürlich weniger angenehm. Aber mit Voltaire im Handgepäck und einem Notizblock, um alles Interessante sofort zu notieren, verging die Zeit recht schnell.


    Die von mir entdeckte lateinische Inschrift war der Museumsleitung nicht bekannt gewesen, man versprach Nachforschungen einzuleiten; es gibt nämlich noch eine weitere Inschrift auf der gegenüberliegenden Seite, die selbst in der Vergrößerung kaum zu lesen und vom Inhalt her sehr merkwürdig ist.
    Ob sie für die Forschung eine Bedeutung hat, wird sich noch herausstellen.


    Herzlichst
    Helene

  • Lieber Bouquineur,


    man kann sie wild durcheinander lesen, kein Problem, jede Geschichte ist eigenständig.
    Allerdings entdeckt der Leser mitunter Orte, die er aus einem Roman bereits kennt, z.B. Rennes-le-Chateau, das im Mittelalter noch Rhedae hieß.


    Wenn man sich jedoch näher mit den Katharern befassen möchte, sollte man mit "Die Ketzerin vom Montségur" beginnen. Die Geschichte beginnt 1209 mit dem Kreuzzug gegen die Katharer und endet 1244 mit dem Fall des Montségur.


    "Das Gold von Carcassonne" spielt in der Spätzeit des Katharismus, als die Ketzerei noch einmal aufblühte, also um 1300.


    "Die Erbin des Grals" ist thematisch völlig eigenständig (19. Jh), und "Die Affäre Calas" ebenfalls (18. Jh).


    Viel Spaß!


    Helene Luise Köppel

  • :lesend Ich möchte euch heute sehr herzlich zu meiner nächsten Lesung einladen (vielleicht wohnt ja jemand im unterfränkischen Raum und hat Interesse):


    "Die Affäre Calas", Thriller


    :bruell Lesung am Mittwoch, 13. Februar 2008, 19.30 Uhr
    (mit Powerpoint-Präsentation)


    Vogel-Buchhandlung Schweinfurt
    Am Roßmarkt


    Karten zu 7.-- und 4.-- Euro
    Vorverkauf unter 09721/71600
    Mail: www.vogel-buchhandlung.de


    Am Schluss gibt es schöne Buchzeichen und natürlich signierte Bücher! :-)


    Herzlichst
    Helene Luise Köppel

  • Hallo,


    bin neu hier und gerade in der Abteilung Thriller gelandet.


    Zu meiner Überraschung habe ich hier neben einigen anderen, mir bekannten Romanen auch „Die Affäre Calas“ von Helene L. Köppel entdeckt, die ich mir im Januar als Reiselektüre mit nach Ägypten genommen und nicht mehr aus der Hand gelegt habe. Zwei, auf den ersten Blick weit auseinander liegende dramatische Ereignisse prallen in diesem Thriller mit aller Wucht aufeinander. Einer der spannendsten Romane, die ich in den letzten Jahren gelesen habe!


    Er schwingt noch immer nach. Muss ich ein zweites Mal lesen!


    :bruell
    Leserättin

  • Hallo Leserättin,


    hat mich sehr gefreut, dass mein Thriller "Die Affäre Calas" in Ägpyten dabei war, und dass er Ihnen so gut gefallen hat, dass Sie ihn noch ein zweites Mal lesen wollen.
    Ähnliches - dass der Roman den Leser nicht so leicht los lässt -, hat ja auch Herr Palomar geschrieben.


    Ein jedes Leser-Lob erfreut das Autorenherz! :lesend


    Deshalb: Dankeschön und herzliche Grüße :wave


    Helene Luise Köppel

  • Schöne Osterfeiertage auch allen "Büchereulen-Thriller-Fans" und als "Osterei" eine kleine Leseprobe aus: "Die Affäre Calas":


    :lesend


    ... Mittlerweile war es ein Uhr geworden, und ich war zu müde, um hinauf ins Schlafzimmer zu gehen. Henri war noch immer nicht zurückgekommen, oder er hatte sich ins Haus geschlichen. Ich legte mich auf das Sofa, wickelte mich in eine Decke und löschte das Licht. Die Pendeluhr tickte laut in der Stille … Ich weiß nicht, woran es lag, dass mir die Szene mit dem parkenden Wagen nicht aus dem Kopf gehen wollte. Vielleicht war es ein Freund von Henri gewesen, der ihm eine wichtige Nachricht in den Briefkasten gesteckt hatte?
    Nach einer Weile schaltete ich die Stehlampe wieder ein. Ich stand auf, legte mir die Decke um die Schultern und eilte hinaus ins Treppenhaus. Dort nahm ich den Postkastenschlüssel vom Brett und schaltete die Außenlampe an, bevor ich die Tür öffnete. Erschrocken wich ich zurück. Mir wurde beinahe schwindlig: Vor mir - auf dem Fußabstreifer - lag ein toter schwarzer Hund.
    Schweratmend lehnte ich am Türrahmen und begann fieberhaft nachzudenken. Wem galt dieser Anschlag? Henri? Wollte ihm jemand Angst einjagen? Handelte es sich um eine Drohung? … Eine schwarze Katze bedeutete Pech. Doch welche Symbolik besaß ein toter schwarzer Hund vor der Haustür? Verrat? Satanische Messen fielen mir ein, die Mafia, sowie sämtliche Krimis, die ich je gelesen hatte.
    Ich holte tief Luft, um nicht vollends in Panik zu geraten. Bei dem Hund handelte es sich um einen noch jungen Zwergschnauzer. Als ich mich bückte, sah ich, dass das arme Tier erdrosselt worden war, wobei sich der grüne Draht, der mehrfach um seinen Hals geschlungen war, tief in sein Fleisch geschnitten hatte. Welch ein Unmensch hatte das getan und aus welchem Grund?
    Wütend stand ich auf und sah mich um. Auf der Straße war alles ruhig. Nirgendwo brannte mehr Licht in den Häusern. Sollte ich die Polizei rufen? Entschlossen zählte ich bis zehn, packte das Tier an den Hinterläufen und zog es die Stufen hinab. Ich zerrte den Kadaver hinter den großen Forsythienbusch im Vorgarten und hoffte nur, Henri würde wissen, was zu tun war, wenn ich es ihm morgen erzählte.
    Der Briefkasten war leer. Keine Erklärung, auch kein Drohbrief …
    Es dauerte lange, bis ich einschlief. Drei Stunden später wachte ich wieder auf, lauschte auf den Viertelstundenschlag der Standuhr im Salon und machte mir bis zum ersten kalten Licht des Morgengrauens Sorgen um meinen Freund, obwohl mich sein Privatleben weiß Gott nichts anging.


    Spannendes Lesevergnügen
    wünscht


    Helene Luise Köppel

  • Verschwörungstheorien und Rennes- le Chateau, die Katharer und Geheimbünde, die die Welt regieren- au weia, wie ausgelutscht und vorhersehbar- könnte man meinen. Hellen L. Köppel spielt aber mit den Versatzstücken Krimi, historischer Roman, Religionskonflikt und Liebesgeschichte so geschickt, dass eine lesenswerte, spannende Geschichte herauskommt, die Geschichte und Moderne verbindet, ein altes Familiengeheimnis und einen modernen Skandal, religiöse Intoleranz und Macht, Voltaire (mit Zitaten vor jedem Kapitel) und fränkische Bratwürscht.


    Lesenswert und vor allem, wer einen Südfrankreichurlaub macht und die Gegend um Toulouse und Carcassonne besucht- einpacken!

  • Meine Rezension:


    Seit Dan Brown haben es Verschwörungsthriller nicht leicht, doch mit der "Affäre Calas" hat Helene Luise Köppel einen rundum spannenden und glaubwürdigen Geheimbundthriller vorgelegt, der durch seine authentischen Figuren und dem gekonnten Mix aus Fiktion und Historie überzeugt. Basierend auf einem historischen Kriminalfall, nämlich eben jender Affäre Calas, baut die Autorin die Geschichte und mit ihr die Spannung Seite für Seite auf und gleitet dabei trotz aller Spekulationen und Vermutungen der Hauptfiguren nie ins Klischeehafte ab. Selbst die eingeflochtene Liebesgeschichte schadet dem Thriller nicht, sondern ergänzt ihn zu einem gelungenen Ganzen. Spannende Lesestunden, angestachelte Neugier und wachsende Abenteuer- und Reiselust sind die Folgen dieses Lesevergnügens. Ein großes Extra-Lob für die unglaublich passenden Voltaire-Zitate, die jedem Kapital voranstehen, für den umfangreichen Anhang, in dem viele Zusatzinformationen zu finden sind, für einige offen gebliebenen Fragen und für das konsequente, wenn auch überraschende Ende!