Als ich ein kleiner Junge war - Erich Kästner

  • Auch große Männer waren irgendwann mal kleine Jungen. Das ist im Normalfall so selbstverständlich wie uninteressant. Eigentlich mag das kaum einer lesen. Anders ist es bei großen Männern, die außer groß auch berühmt geworden sind. Da wird es schon spannender. "Hat der etwa auch Dummheiten gemacht und wurde ausgeschimpft von seiner Mutter?", könnte jemand fragen um am Ende festzustellen, daß auch berühmte Menschen im Herzen ganz normale Menschen sind.


    Nun, von Dummheiten lesen wir in dieser kleinen Autobiographie nichts, jedenfalls von keiner, die Erich Kästner angestellt hat. Er wollte seiner Mutter nie auch nur den kleinsten Kummer bereiten, denn er hatte sie sehr lieb und sie war sehr stolz auf den kleinen Erich und mühte sich nach Leibeskräften, damit der einzige Sohn eine ordentliche Bildung bekam. Da konnte er sie nicht enttäuschen.


    Kästners kleines Büchlein beschreibt die Geschichten seiner Kinder- und Jugendjahre. Er nimmt uns mit in die kleine Welt Dresdens vor der Zerstörung und er erzählt uns von dem Leben einfacher Menschen zu dieser Zeit. Wir erleben kein junges Genie, keinen Überflieger, keinen Haudrauf - aber bei aller Liebe auch kein Muttersöhnchen.


    Die Sprache des Büchleins besticht durch ihren liebevollen augenzwinkernden Erzählton, der einfach aber beiweitem nicht billig ist.


    Ein wunderbares Buch für alle Kästner-Fans, ein genauso wundervolles Buch für alle, die schöne Erzählungen lieben.


    Einziges Manko der TB-Ausgabe: es gibt keine Illustrationen.
    Trotzdem: Beste Empfehlung

  • Dieses Buch von Kästner habe ich vor einigen Jahrzehnten gelesen....vor einigen Jahren dann seine Tagebuchnotizen NOTABENE....
    ...und inzwischen sind noch zwei Biografien über ihn dazugekommen.


    Käster muss schon eine Art Musterknabe gewesen sein....und auch sein weiteres Leben war er eher ein stiller, zurückgezogener Mensch.
    Was viele wohl nicht wissen... in seinem letzten Lebensjahrzehnt war er sehr stark dem Alkohol verfallen.

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Zitat

    Original von Joan


    Was viele wohl nicht wissen... in seinem letzten Lebensjahrzehnt war er sehr stark dem Alkohol verfallen.


    Und warum muß man das wissen?




    @licht


    wie schön, daß Du das vorgestellt hast. Für mich sagt die Auswahl der Erinnerungen und die Art, wie Kästner sie erzählt, mindestens genausoviel über ihn aus, wie das, was er erzählt. Gerade wenn man sich für ihn persönlich interessiert, bietet das kleine Buch faszinierende Lektüre.


    Ich mag ihn als Autor ja nicht besonders, aber das Buch steht bei mir im Regal, allerdings in einer alten Ausgabe und mit Zeichnungen.
    Wirklich schade, daß die fehlen.


    Ich könnte das Buch wirklich mal wieder vorziehen ...



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @Licht
    Herzlichen Dank für diese Buchvorstellung. Leider habe ich zwischenzeitlich das Gefühl, dass Erich Kästner langsam aus dem literarischen Gedächtnis verschwindet; seine Präsenz im literarischen Leben, wenigstens ist das mein Eindruck, wird immer schwächer. Dabei ist doch gerade Erich Kästner mit seinen Werken fast zeitlos und es ist traurig, dass er, wenn man ihn denn erwähnt, fast ausschließlich über seine, wenn auch großartigen Kinderbücher, definiert.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von magali


    Und warum muß man das wissen?


    Die Frage ist berechtigt....man muss es so wie es dasteht, nicht wissen. Manchmal mache ich mir beim Schreiben zuviele Gedanken und vergesse dann darüber, dass ich sie dazu schreiben sollte.
    Edit: schon wieder was vergessen. :rolleyes
    Ich habe mir dabei auch überlegt, ob diese Probleme auch damit zusammenhängen könnten, dass er eben kaum einmal über sich selber sprach...über seine Befindlichkeiten, auch nicht über das was er miterlebt hat während der Nazizeit.


    Und diese Alkoholprobleme haben ihre Wurzeln wohl in der langen Bedrohung durch die Nazis. Er ist ja die ganzen Jahre in Deutschland geblieben, wenn ich mich jetzt noch recht erinnere, vor allem, weil er seine Mutter nicht alleine lassen wollte.
    Er hat also diese ganze Zeit hautnah miterlebt. Im Laufe dieser Jahren hat er fast alle seine Freunde verloren....sei es, dass sie Deutschland verlassen haben, oder dass sie sonstwie spurlos verschwanden, vom einen oder anderen wusste er aber, dass die Nazis dahinter steckten.
    Es wurde immer einsamer um ihn. Er durfte nicht veröffentlichen....soviel ich weiss, hat er das dann unter verschiedenen Pseudonymen trotzdem riskiert.....er wurde auch das eine und anderemal von der Gestapo verhaftet, vor allzu Schlimmem hat ihn wohl seine grosse Beliebtheit bewahrt.


    Ich merke, ich muss unbedingt mal wieder in diese Biografien reingucken....

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Joan ()

  • @ voltaire, also ich tue viel, um auch seinem lyrischen Schaffen immer wieder Gehör zu geben - gerade auch die wirklich böse (kirchen-)kritischen. Ich finde seine Gedichte großartig in jeder Hinsicht.

  • Das ist halt schon auch eine hohe Kunst, bissig und gesellschaftskritisch zu sein ohne dabei zu verletzen.....und ich finde, diese Kunst beherrschte Kästner meisterhaft.
    Das setzt vielleicht voraus, dass man die Menschen grundsätzlich recht gern haben muss.... denke ich mal.

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Kästner ist einfach nicht wegzudenken! Weder als Kinderbuchautor, noch als Mahner in der Erwachsenenliteratur! Auch sehr zu empfehlen:


    Inhalt:


    Eine »eiskalte Komödie« (Hermann Kesten) über das Spiel der Macht. »Sagen Sie, der wievielte Abklatsch unsres "großen Staatsmannes" bin ich eigentlich? Der dritte oder der vierte?«.
    Vier anonyme Drahtzieher präsentieren dem Volk einen Diktator, der in Wahrheit nichts anderes ist als ein von ihnen gelenktes Werkzeug. Um nicht etwa durch Attentate oder plötzlich auftretende Launen ihrer menschlichen Marionette in Verlegenheit zu geraten, gründen sie eine Schule, in der entsprechender Ersatz und Nachwuchs gedrillt wird. So kann - vom Volk unbemerkt -ein Diktator gegen den nächsten ausgetauscht werden, sobald er die Erwartungen seiner Hintermänner nicht mehr erfüllt. Unter den »Austauschdiktatoren« befindet sich allerdings ein getarnter Freiheitskämpfer. Eines Tages ist die Reihe an ihm, den Posten des Führers zu übernehmen.

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Ein wunderbar geschriebenes Buch über Kästners Kindheit.
    Im Zentrum steht seine Mutter und die besondere Mutter-Sohn- Beziehung.


    Ich fand es ergreifend, lustig, ernst und tief berührend zugleich.


    Besonders das Kapitel in dem Kästner über die Depressionen und Selbstmordabsichten seiner Mutter schreibt, und wie er damit als kleiner Junge umging, gehen unter die Haut.


    Ein schönes, schnell zu lesendes Biographiebüchlein, das sowohl für Erwachsene als auch für ältere Kinder gleichermaßen geeignet ist.


    Von mir bekommt es 8 Punkte. :wave

  • Titel: Als ich ein kleiner Junge war
    Autor: Erich Kästner
    Verlag: dtv
    Erschienen als TB: Mai 2003
    Seitenzahl: 207
    ISBN-10: 3423130865
    ISBN-13: 978-3423130868
    Preis: 7.90 EUR


    Erich Kästner wurde 1899 in Dresden geboren. Er starb 1974 in München. Nach dem Ersten Weltkrieg studierte er Germanistik, Geschichte und Philosophie. Während der Nazizeit hatte er Publikationsverbot und schrieb vor allen Dingen Drehbücher unter anderen Namen.


    In diesem Buch spricht Erich Kästner über seine Kindheit. In erster Linie wendet er sich dabei an Kinder, vergisst aber eben auch die „Nichtkinder“ nicht. Es ist immer wieder ein Erlebnis etwas von Erich Kästner zu lesen. Man sieht ihn förmlich vor sich, schaut in sein freundliches Gesicht in welchem sich immer ein kleiner Schalk aufzuhalten scheint. Vieles ist mit dem typischen „Kästnerschen Augenzwinkern“ geschrieben, aber es gibt auch Passagen die durch Ernsthaftigkeit und Nachdenklichkeit dominiert werden. Gefühlvoll und ohne falsche Sentimentalität beschreibt Erich Kästner zum Beispiel seine Mutter und setzt ihr ein wirklich sehr gefühlvolles literarisches Denkmal. Liebevoller kann man wohl kaum die eigene Mutter beschreiben.


    Dieses Buch hebt sich wohltuend aus der Vielzahl von selbstgerechten und „sich-selbst-auf-einen-Sockel-stellen“ – Erinnerungsbüchern hervor. Kästner beschreibt die Dinge offensichtlich wie sie wirklich waren, dichtet nichts hinzu und lässt auch nur das weg, was weggelassen werden kann. So erfährt der Leser doch sehr viel Wissenswertes über eine behütete Kindheit in den letzten Jahren des deutschen Kaiserreiches.


    Hätte es Erich Kästner nicht gegeben – man hätte ihn wohl erfinden müssen. Sein leiser und feiner Humor sucht Seinesgleichen. Ein scharfer Beobachter, der aber nicht scharf sondern eher treffend formulierte. Ein wundervolles, wirklich sehr lesenswertes Buch.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich hatte als Kind die Kassette und habe sie geliebt, das Teil ist ein wirkliches Schätzchen.
    Man versteht sogar, wie es zu dem doch eher schwierigen Verhältnis zwischen Kästner und seiner Mutter kam, dass sein ganzes Leben lang anhalten sollte.


    Ich hab hier mal die CD verlinkt, die Kassette ist irgendwie vom Weltmarkt verschwunden :grin

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Als ich ein kleiner Junge war – Erich Kästner


    Atrium-Verlag, 2011
    189 Seiten


    Mein Eindruck:
    Erfreulich, dass dieses Buch aus den fünfziger Jahren dieses Jahr (2011) wieder eine Neuausgabe erhalten hat. Der Atrium-Verlag hat eine schöne und gut lesbare Version zu bieten, in dem Erich Kästner auf seine gewohnte Art von seiner Kindheit in Dresden erzählt. Er beginnt dabei mit seinen Eltern, wie seine Mutter noch ein kleines Kind war, wie sie mit 16 in Stellung ging und später Emil Kästner heiratete. 1899 wurde Erich geboren.
    Das stark autobiographische Element prägt das Buch und hebt es von den Romanen ab.
    Auffällig ist, dass der Ton des Buches sich in erster Linie an Kinder wendet. Es ist ein altmodischer Ton, aber passend weil er von einer untergegangenen Zeit berichtet.
    Es ist ein wenig überraschend, wie harmlos und alltäglich die Schilderungen des Schülers Kästner sind, der anfangs den Wunsch hatte, Lehrer zu werden. Es ist eine normale, kleinbürgerliche Kindheit, bei dem am auffälligsten noch ist, dass Erich ein Einzelkind ist. Manche der Anekdoten haben guten Unterhaltungswert, als Zeitdokument gewinnt der Text außerdem Bedeutung.
    Ein ganz großes Buch ist es aber imho leider auch nicht!

  • In diesem Buch beschreibt Erich Kästner seinen Weg nach dem Krieg. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Stimmt, als ich letztes Jahr nach Dresden fuhr, gehörte zu meiner persönlichen Reisevorbereitung auch Kästners "Kleinen Jungen" zu lesen, sowie Luiselotte Enderles Buch (rororo) über ihren langjährigen Lebensgefährten. Da ich beide Bücher bisher nicht gelesen hatte, war die Reise doch ein passender Anlass!

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Vermute ich auch, schreibe aber gern mal die Daten meines Büchleins auf: Erich Kästner von Luiselotte Enderle, rororo monographien, 1. Auflage (1-25.000) Sept. 1966, habe selbst aus der 5. Auflage (39.-42.000/Juni 1979) 680-ISBN 3 499 50120 1.
    Mein Büchlein habe ich für 30 Cent beim Bücherflohmarkt gekauft. Viel Erfolg!

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Gucci ()