Liebe hoch drei - Regina Nössler, Corinna Waffender

  • Stefanie, Viola, Petra, eine Bundestagsabgeordnete, eine Pianistin, eine Kellnerin, zwei Ältere, eine Junge, eine feste Beziehung, ein freies Teilchen, das sind die Ingredienzien, aus denen die zwei Autorinnen einen kleinen, sehr liebenswerten Roman gemischt haben.
    Daß das Ganze so gut gelang, liegt an der großen Kunstfertigkeit der beiden Autorinnen, denn so richtig neu ist nichts an dieser Geschichte. Nicht einmal, daß die Beteiligten allesamt weiblich sind.


    Stefanie steht am Ende eines anstrengenden Wahlkampfs und eigentlich auch am Ende ihrer langjährigen Beziehung mit Viola. Viola geht es kaum anders, sie fühlt sich fern von Stefanie. Aus der Liebe ist Alltag geworden, die Zeichen der Zuneigung haben sich zu Zeichen der Einengung und Bevormundung gewandelt, Gespräche sind verstummt, die Träume verschwunden. Unterschiede und Gegensätze überlagern die Gemeinsamkeiten, Das ‚Wir’ wich dem ‚Ich’. Und die Leidenschaft gar, ach, je. Eine ferne Erinnerung.


    Bei einer Wahlkampfveranstaltung in einer ‚alternativen’ Kneipe in Braunschweig treffen die beiden auf Petra, die Kellnerin. Es funkt sofort. Petra allerdings hat ihre eigenen Probleme mit der Liebe, zum Beispiel die, daß sie niemals etwas anbrennen läßt. Eine Einstellung, die nicht jeder Frau gefällt. Daher ist Petra zur Zeit quasi solo.
    Während Viola noch träumt, nimmt Stefanie ihr Liebesleben zum ersten Mal seit langem wieder selbst in die Hand. Eines Nachmittags kommt Petra nach Berlin ...


    Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus dem Blickwinkel der drei Frauen, in Monologen. Die kurzen Einzelkapitel beginnen dabei immer mit einem Wort, dessen Anfangsbuchstabe dem ersten Buchstaben des Namens der jeweiligen Erzählerin entspricht, ein technischer Kniff, der die Orientierung erleichtert und in seiner Verspieltheit zugleich den Spaß am Text steigert.
    Darüberhinaus sind die drei natürlich durch ihre Art zu sprechen ganz eindeutig charakterisiert. Nach nur wenigen Seiten gibt es gar keinen Zweifel mehr daran, wer gerade erzählt, die pingelige Viola, reich, verwöhnt, die komplexbeladene Stefanie, voller Ängste und unfähig, zu sich zu stehen oder Petra, laut, rotzig und ziemlich unglücklich.


    Manches an der Charakterisierung der drei ist ein wenig stereotyp, hin und wieder sind die Erkenntnisse zu vorhersehbar. Insgesamt aber entwickeln die drei Frauen eine Tiefe und Komplexität, die sie sehr echt wirken läßt. Die Beschreibung der Sehnsucht, der Ängste, Enttäuschungen, die spontanen Freundlichkeiten, die tödlichen Mißverständnisse, Eifersucht und Liebessehnen überzeugen. Keine der drei ist ganz sympathisch, keine ganz unsympathisch, liebenswert im einen, zum Schütteln gleich im nächsten Satz.
    Die Geschichte vibriert vor Leben und sie ist, ehe man es merkt, äußerst spannend geworden. Wer liebt wen, wer liebt wie, wer bekommt welche, diese Fragen werden im Mittelteil geradezu zum Krimi.


    Dazu kommen eine Menge witziger und zugleich sehr gescheiter Bemerkungen über das Leben an der Spitze wie an der Bar, über soziale Herkunft und den Einfluß der Elternhäuser, über echte und falsche Rücksichten und echten und falschen Verzicht. Der Roman verträgt problemlos eine zweite und dritte Lektüre, es gibt auch dann noch etwas zu entdecken, die drei Frauen haben sehr viele Facetten. Eine Bekanntschaft mit den Dreien lohnt sich.


    Überzeugender, sehr gut formulierter und insgesamt stimmiger moderner Roman über die Schwierigkeiten der Liebe.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • @ Magali


    Vielen Dank für diese interessante Rezi.


    Ich habe das Buch gestern zu Ende gelesen. Nachdem die Rezi von Magali schon sehr umfassend ist, werde ich mich daher kurz fassen.
    Mir hat das Buch nicht besonders gut gefallen und war schon drauf und dran das Buch ungelesen in die Bücherei zurück zubringen. Die Protagonisten waren, meiner Meinung nach, zu klischeehaft um wirklich glaubhaft wirken zu können. Das Ende war, für mich, nicht absehbar und daher bekommt das Buch 6/10 Punkten.

    Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht. (Abraham Lincoln, 12.02.1809 - 15.04.1865)

  • @Geli und Tjorevensmum


    es gibt Klischees, und Stereotypen und nicht wenige. Schrieb ich ja oben.
    Mich hat das Ganze dann doch bezaubert, weil es gut formuliert ist (da bin ich bestechlich) und der Mittelteil sich für mich spannend entwickelte. Die Personen sind auch konsequent gestaltet.
    Es ist durchaus rosige Lektüre. Aber gut gemacht, deshalb von mir gelobt.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich bin jedenfalls sehr angetan von diesem Buch.
    Auch gerade weil die Autorinnen so lustvoll mit den Klischees spielen.
    Das ist doch mal etwas ganz Anderes als Verharren in den Schablonen: Die beiden "stehn drüber" und für mich blitzt immer wieder durch, wieviel Spaß das Ganze ihnen gemacht haben muss.


    Ach ja, enorm wichtiger Geheimtipp :bruell
    Wer die Gelegenheit hat, Corinna Waffender und Regina Nössler bei einer Lesung aus diesem Buch zu erleben, ist selbst schuld, wenn dieses ganz exquisite Vergnügen verpasst wird.


    Ich schwör!


    Grüssli, blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Zitat

    Original von Magali:
    Manches an der Charakterisierung der drei ist ein wenig stereotyp, hin und wieder sind die Erkenntnisse zu vorhersehbar. Insgesamt aber entwickeln die drei Frauen eine Tiefe und Komplexität, die sie sehr echt wirken läßt. Die Beschreibung der Sehnsucht, der Ängste, Enttäuschungen, die spontanen Freundlichkeiten, die tödlichen Mißverständnisse, Eifersucht und Liebessehnen überzeugen. Keine der drei ist ganz sympathisch, keine ganz unsympathisch, liebenswert im einen, zum Schütteln gleich im nächsten Satz.


    Die Geschichte vibriert vor Leben und sie ist, ehe man es merkt, äußerst spannend geworden. Wer liebt wen, wer liebt wie, wer bekommt welche, diese Fragen werden im Mittelteil geradezu zum Krimi.


    Diese Meinung trifft meine voll und ganz. Man weiß (nicht nur anhand der Anfangsbuchstaben) sofort, wer spricht, da jede der drei ihre ganz eigene Art hat.


    Ich denke, dass man die Beziehung zwischen Viola und Stefanie auf jede Beziehung umsetzen kann, die in die Jahre gekommen ist und wo es knirscht, das trifft nicht nur auf eine lesbische Beziehung zu.


    Die Gedanken und die Gefühle, die besonders Viola und Stefanie rüberbringen, fand ich sehr gut geschildert, jede ist in der Situation gefangen und möchte sie doch gern, auf die ein oder andere Weise, ändern. Petra beschleunigt diesen Vorgang nur.


    Ich hab mich bei diesem Buch gut unterhalten, war schnell drin in der Geschichte und fieberte mit, wie es wohl ausgehen würde. Das Ende war glaubwürdig und hat mich zufrieden gestellt.


    Das gibt von mir 8 Punkte.