Die Illusion der Rückkehr - Samir El-youssef

  • Sammlung Luchterhand, November 2007, Broschiert, 192 Seiten

    Originaltitel: The Illusion of Return
    Originalverlag: Peter Halban Publishers Ltd.

    Übersetzt aus dem Englischen von Klaus Berr

    Kurzbeschreibung:
    Der bedeutende Roman des palästinensischen Autors, der in einem libanesischen Flüchtlingslager aufwuchs und seit Jahren in London im Exil lebt.
    Zwei alte Freunde treffen sich auf dem Londoner Flughafen. Der eine, Ali, ist auf dem Weg zurück von Amerika in den Libanon. Der andere, der Erzähler, hat seine Heimat ebenfalls in den 80ern verlassen und fragt sich seitdem, ob er das Richtige getan hat. Im Gespräch erinnern sie sich an jene schicksalhafte Nacht vor 17 Jahren, in der sie wie immer mit zwei Freunden um die Häuser zogen und über Gott und die Welt diskutierten, in der ihre Stadt jedoch bereits umkämpft war von Libanesen, Palästinensern, Israelis und Syrern. Und sie fragen sich, ob eine Rückkehr überhaupt möglich ist - oder nicht einfach nur eine wohlfeile Illusion.

    Zum Autor:
    Samir El-youssef ist Palästinenser, wurde 1965 im Libanon geboren und wuchs im Flüchtlingslager Rashidia auf. Er hat zwei Bände mit Kurzgeschichten auf arabisch veröffentlicht und schreibt regelmäßig für arabische und englische Zeitungen und für internationale Literaturmagazine. El-youssef lebt seit 1990 in London, wo er auch Philosophie studiert hat. Seit langem engagiert er sich für den Frieden und für das Recht auf freie Meinungsäußerung im Nahen Osten, 2005 erhielt er dafür den „Tucholsky-Preis“ des Schwedischen PEN. Zusammen mit dem israelischen Autor Etgar Keret veröffentlichte er 2006 den Band „Alles Gaza. Geteilte Geschichten“, der ein breites Medienecho fand. „Die Illusion der Rückkehr“ ist sein erster Roman.

    Meine Meinung:
    Der Beginn dieses intelligenten Romans erinnert mich aufgrund der Erzählhaltung des Exil-Palästinenser an Orhan Pamuks Meisterwerk Schnee.


    Der vermutlich autobiographisch geprägte und sprachlich geschickte Roman beginnt mit einem Anruf nach 15 Jahren Exil des namenlosen Ich-Erzählers von einem Freund, Ali, der damals als Kollaborateur für die Israelis Libanon Richtung USA verlassen hatte.
    Sie verabreden sich zu einer Unterhaltung auf dem Flughafen Heathrow, London.
    Dort werden die Geschehnisse der Vergangenheit im Libanon wieder wach und die lange verdrängten Bilder drängen sich an die Oberfläche.
    Im Mittelpunkt dieser Erinnerungen steht ein Abend im Cafe mit politischen Diskussionen, die der Ich-Erzähler, Ali und zwei weitere Freunde, Maher und George 1980 im Libanon führten. Teilweise sind diese ganz schön pseudophilosophisch. Mir gefällt wie der Autor eine Ironie einsetzt, um der Bitterkeit des Bürgerkriegs und des Exils etwas entgegenzusetzen.
    Dann gibt es aber auch die tragische Geschichte der Schwester des Erzählers, die sich das Leben nahm und die Geschichte von Alis homosexuellen Bruder Sameh, der ermordet wird, Mahers marxistische Doktrinen und Georges Philosophien von Heidegger
    Nach diesem Abend änderte sich das Leben der vier Freunde. Beschämende Kollaborationen, Verfolgung, Tod und Exil folgen.


    In der Mitte sind einige Schilderungen distanzierter, dann wirkt der Stil manchmal etwas trocken. Hier hätte ich mir gewünscht, der Autor würde etwas ausführlicher schreiben.
    Am Schluss steht die Frage ob eine Rückkehr überhaupt möglich ist, wie die Jahre im Exil verändern und ob die Menschen nicht immer nur weiterziehen, selbst wenn sie an den Ort ihrer Geburt und ihres Aufwachsens zurückkommen.
    Die Illusion der Rückkehr ist ein niveauvoller Roman der Exilliteratur, wie ich in letzter Zeit kaum noch einen gelesen habe.