'Die Glocken von Vineta' - Seiten 167 - 274

  • Ich habe es so empfunden, daß Charlie sich bei Warti immer etwas zurückgehalten hat mit ihrer Charakterisierung. Manchmal kam er mir fast etwas zu kurz.
    Seine Taten haben für sich gesprochen. Er hilft seinem Bruder, er kümmert sich um Kasi, er liebt und akzeptiert Jakub, er liebt Natalia und ihm liegt das Wohl Vinetas am Herzen wie kaum einem anderen. Er opfert sich praktisch dafür auf. (Arbeitet Tag und Nacht.) Und dann sieht er auch noch gut aus :grin
    Aber er ist absolut kein Übermensch, hat Schwächen und Ängste wie alle anderen auch. Mir ist er sehr sympathisch. Auch im Bett mit Natalia erscheint er weder rücksichslos noch brutal.
    Ich habe ihn nicht als übermächtig empfunden. Er versucht halt, in jeder Situation sein Bestes zu geben. Und er muß ja auch Niederlagen einstecken.

  • JaneDoe :


    Zitat

    Original von JaneDoe:
    Seine Taten haben für sich gesprochen. Er hilft seinem Bruder, er kümmert sich um Kasi, er liebt und akzeptiert Jakub, er liebt Natalia und ihm liegt das Wohl Vinetas am Herzen wie kaum einem anderen. Er opfert sich praktisch dafür auf. (Arbeitet Tag und Nacht.) Und dann sieht er auch noch gut aus.


    Soweit pflichte ich Dir bei. :write
    Aber:

    Zitat

    Original von JaneDoe:
    Auch im Bett mit Natalia erscheint er weder rücksichslos noch brutal.


    Wie rücksichtsvoll ist es, mit einer Frau zu schlafen, die es nur über sich ergehen lässt und niemals ihre Zustimmung dazu gegeben hat? (auch wenn es aus Liebe zu Natalia geschieht und dem Wunsch ihr nahe zu sein?)

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • grottenolm
    Aus heutiger Sicht völlig indiskutabel, aber im Mittelalter war die Rolle und Position einer Ehefrau sicherlich eine andere. Warti hat wahrscheinlich von seiner Frau nichts anderes erwartet, er dürfte schon so erzogen worden sein. Behaupte ich jetzt mal :-)
    Er hätte sich sicher darüber gefreut, wenn Natalia Spaß am Sex gehabt hätte, aber ich glaube nicht, daß er so etwas erwartet hat.

  • JaneDoe :
    Da könnte was dran sein :grin
    Manchmal vergesse ich beim Lesen von historischen Romanen, daß die gesellschaftliche Ansicht davon, was richtig und was falsch ist, von der jeweiligen Zeit abhängt und nicht mit unseren heutigen Maßstäben gemessen werden kann.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Ja, Grottenolm, das kann ich nachvollziehen. Die Versuchung, eigene Massstaebe anzulegen, ist ja auch sehr gross.
    Tatsaechlich waere aber ein Mann, der sich mit seiner Frau ueber ihr sexuelles Erleben unterhaelt, in einem solchen Kontext hoechst unglaubhaft. Ich denke, meine sind schon hart an der Grenze.


    Desgleichen finde ich nach meinen eigenen Massstaeben wenig verstaendlich, dass Warti nicht bereit war, Bole durch Teilung des Erbes bei der Gruendung eines eigenen Geschaefts zu unterstuetzen. Aber auch das waere fuer einen Mann mit seinem Hintergrund voellig normal gewesen.


    Es ist ganz schoen schwer, sympathische Figuren (die einem ja ans Herz wachsen) nicht zu Uebermenschen aufzublasen ...


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Er ist auf eine Art hochmuetig, die ihn statt auf Beine auf Stelzen stellt. Und darauf kann man ja nicht ewig gehen.


    Nachdem ich mich ja schon darüber ausgelassen hatte, dass ich Bole mag – Warti mag ich auch. Vielleicht ist es ja gar nicht so leicht, quasi vom Glück verfolgt zu leben.


    Zitat

    Natalia ist eh nicht leicht zu fassen, sie hat ihre Geheimnisse, auch im Charakter.


    Ein schöner Gedanke.


    LG


    Kirsten

  • Durch die letzten Weihnachtsvorbereitungen kam ich garnicht so richtig zum Lesen. Aber gestern Abend habe ich dann die Kapitel 7 und 8 gelesen.


    Zitat

    Original von grottenolm
    Mir ging es auch so, daß mir Natalias Sicht der Dinge irgendwie gefehlt hat. Nachdem ich ihren Gedanken und Gefühlen im ersten Teil so nahe war, fühlte ich mich jetzt irgendwie ausgeschlossen (so ähnlich muß sich wohl auch Warti gefühlt haben). Dieses "Ausgeschlossensein" führte dann dazu, daß ich mir immer noch nicht schlüssig erklären kann, warum Natalia nach der Flut wieder zu sprechen beginnt.


    :write So geht's mir auch... das plötzliche Sprechen von Natalia bleibt mir etwas rätselhaft - auch dass es nach all den Jahren des Schweigens dann doch recht problemlos geklappt hat.


    Die Sprache finde ich weiterhin toll, liest sich wirklich anschaulich.


    Trotzdem bin ich irgendwie nicht so richtig in der Geschichte drin und muss jetzt erst mal eine Lesepause einlegen und ich hoffe, dass es mich dann nochmal packt. Sorry, Charlie! :knuddel1

  • Ja, das Zurueckfahren der Perspektive an dieser wichtigen Stelle scheint so gut wie fuer alle ein Problem zu sein - eine eindeutige Fehlentscheidung von mir.


    Ich freu mich, wenn Du's nach einer Pause noch einmal versuchst.
    Zwing Dich aber nicht!
    Schliesslich ist die Welt voll schoener Buecher, da faellt es (mir jedenfalls) einfach sehr schwer, sich durch eines zu robben, das nicht "lies mich" sagt - oft und unwiderstehlich.



    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von JaneDoe


    Jabuk ist eine meiner Lieblingsfiguren in diesem Buch. Seine Liebe zu Oda und seine Beziehung zu Warti finde ich sehr schön beschrieben. Daß er diese Vorausahnungen hat, macht mir Sorgen. Wenn man sich vorstellt, was bei dieser schrecklichen Sturmflut alles zerstört wurde ... Das Meer kann schon furchtbar grausam sein.


    :write :writeJakub gefällt mir auch sehr.

  • Gerade bin ich dabei jene Stellen noch einmal zu lesen, die ich mit Zettelchen markiert habe. An der Stelle, an der Jula ihre Tochter Lara schlägt, weil die mit Natalia schäkert, habe ich beim ersten Lesen hauptsächlich auf die beiden Frauen geachtet. Nun rückt mir plötzlich Bole stärker in den Blick, insbesondere die Art und Weise, wie er Natalia wahrnimmt: "Sein Leben lang hatte er einzig Jula geliebt, deren Duft schwach und ihm nicht einmal erinnerlich war. Natalias Duft hingegen war stark wie Wein und dunkel wie sternenlose Nächte."
    Der Gedanke, dass Boles Jula nicht mehr liebt (auf S. 262 heißt es: "Einst liebte ich dich."), beschäftigt mich. Das hat nichts Erleichterndes, Befreiendes.


    LG


    Kirsten

  • Zitat

    Original von Solas
    Der Gedanke, dass Boles Jula nicht mehr liebt (auf S. 262 heißt es: "Einst liebte ich dich."), beschäftigt mich. Das hat nichts Erleichterndes, Befreiendes.


    Empfand ich auch so. Es ist eine Feststellung, eine recht verbitterte. Er weiß, dass er nicht die Kraft hat, etwas an seinem Zustand zu ändern obwohl sie beide sehr unglücklich damit sind.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Zitat

    Original von Paradise Lost
    Er weiß, dass er nicht die Kraft hat, etwas an seinem Zustand zu ändern obwohl sie beide sehr unglücklich damit sind.


    Ja, stimmt, er wirkt zu diesem Zeitpunkt kraftlos und müde.
    Könnten die beiden überhaupt etwas an ihrem Zustand ändern? Zum glücklich sein haben sie jedenfalls beide keine großen Fähigkeiten.


    LG


    Kirsten

  • Zitat

    Original von Solas
    Könnten die beiden überhaupt etwas an ihrem Zustand ändern?


    Ich glaube, die beiden hatten nie eine reelle Chance, da die Erwartungen einfach zu unterschiedlich waren bzw. SIE liebte eigentlich einen anderen, der nicht nur äußerlich, sondern auch charakterlich komplett anders ist und ER hat in ihr ein BILD gesehen, das er verehrte, aber dem sie nie gerecht werden konnte eben aus dem genannten Grund. Vielleicht wäre ein respektvolles Miteinander möglich gewesen, doch die Verbitterungen und Enttäuschungen, aus denen dann Vorwürfe entstanden sind, saßen dafür wohl zu tief...

  • Zitat

    Vielleicht wäre ein respektvolles Miteinander möglich gewesen, doch die Verbitterungen und Enttäuschungen, aus denen dann Vorwürfe entstanden sind, saßen dafür wohl zu tief...


    Ja, das sehe ich ähnlich.
    Ich habe mich nur kurz gefragt, wie das wäre, wenn Bole Jula verlassen würde. Allerdings kann ich mir das nicht vorstellen. Eigentlich hat er sich immer sehr für das (wirtschaftliche) Wohlergehen seiner Familie eingesetzt, auch wenn das im ganzen Misserfolg möglicherweise etwas untergegangen ist.


    LG


    Kirsten

  • Zitat

    Original von Solas
    Ich habe mich nur kurz gefragt, wie das wäre, wenn Bole Jula verlassen würde.


    Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen, irgendwie war ich zu sehr davon überzeugt, dass so etwas für ihn überhaupt nicht in Frage kommt - zum einen wegen der Familie, wie du sagst, aber ich glaube auch weil er das Verhalten seiner Frau irgendwie fehlinterpretiert (nach dem Motto: weil nicht sein kann, was nicht sein darf...). Ich frage mich allerdings, wann ihm zum ersten Mal bewusst geworden ist, dass Jula vielleicht nicht die Eigenschaften besitzt, die er in sie projiziert... Ich hätte eine Idee, allerdings gehört die garantiert nicht in diesem Lese-Abschnitt ;-)

  • Zitat

    Original von milla
    Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen, irgendwie war ich zu sehr davon überzeugt, dass so etwas für ihn überhaupt nicht in Frage kommt


    Ja, das sehe ich auch so.
    Es war auch nur eine Gedankenspielerei.


    Zitat

    Ich frage mich allerdings, wann ihm zum ersten Mal bewusst geworden ist, dass Jula vielleicht nicht die Eigenschaften besitzt, die er in sie projiziert... Ich hätte eine Idee, allerdings gehört die garantiert nicht in diesem Lese-Abschnitt ;-)


    Da bin ich mal gespannt.
    Ich werde mich demnächst dann mal in weitere Abschnitte bewegen.


    LG


    Kirsten

  • Und wieder muss ich den Leserundenthread vollschreiben ;-)


    Ich habe gestern das erste mal seit langer Zeit an einem Tag mehr als 200 Seiten gelesen. Ich konnte erst aufhören, als mir beim Lesen die Augen zufielen und ich nicht mehr verstanden habe, worum es geht.
    Ich bin total gefangen in dem Buch und sehe alle Personen vor mir, sobald ich die erste Seite gelesen habe.


    Jakub ist ein toller Mensch. Meiner Meinung nach kam er im ersten Teil nicht so viel vor, dass ich mir ein Urteil bilden konnte. Ich finde es toll, dass es endlich jemanden gibt, dem Natalia vertrauen kann. Dass er genau weiss, was in ihr vorgeht finde ich bemerkenswert. Sie kommt mir so rüber, als wenn niemand erahnen könnte, was in ihrem Kopf vorgeht. Ich könnte es jedenfalls nicht.


    Warti ist eine Geschichte für sich. Ich weiss nicht so recht, was ich von ihm halten soll. Ob ich ihn jetzt mögen soll - er macht ja wirklich alles für Natalia - oder ob ich ihn verachten soll. Dass er Broni und Anya auf dem Gewissen hat sozusagen, war ja klar. Und dass er auf der Hochzeit Natalia das Schäfenband von Anya geben wollte hat mich sehr schockiert. Aber woher soll er auch wissen, dass die beiden sich kannten. Er hat ja im Hause des Bojaren Boris - soweit ich das in Erinnerung habe - keine Notiz von Natalia genommen bzw. hat sie nicht mal zu Gesicht bekommen.


    Bole ist so verhärmt! Dass er nicht mal seinem Bruder beim Abladen hilft und dass seine Kinder nicht im Takt der Musik zur Hochzeit seines Bruders tanzen dürfen ist absolut heftig. Habe ich das richtig verstanden, dass Kasi in Vineta irgendwo übernachtet und herumstreift und nicht bei Bole und Jula ist, wie die anderen Kinder? War das in dieser Zeit immer so, dass die missgebildeten Kinder auf sich gestellt waren? Oder nur, wenn die Eltern besonders enttäuscht waren?


    Na ja- ich bin jetzt gespannt, wie es mit den letzten 50 Seiten dieses Abschnitts weitergeht und würde am liebsten den ganzen Tag und die ganze Nacht mit diesem Buch verbringen.

  • Diesn Abschnitt habe ich jetzt auch beendet und würde am liebsten alles, was ich mir für heute Abend vorgenommen habe einfach absagen.... :cry


    Dass die Sturmflut Natalia zum reden bringt hätte ich niemals gedacht. Aber ich meine, mich erinnern zu können, dass das der Teil der Leseprobe war.


    Über Warti denke ich nun anders. Er ist warmherzig, aber einer der Menschen, der sich nie groß anstrengen musste um das zu bekommen, was er wollte. Vielleicht tut es ihm gut, dass er um Natalia kämpfen muss.


    Bole ist immer noch verhärmt. Ich find es total schlimm, wie er sich von Jula behandeln lässt. Das hat er nicht verdient.
    Wie Jula mit ihren Kindern umgeht finde ich auch total schrecklich.


    Oda hat gesehen, dass sie Natalia ähnlich ist. Aber warum gibt sie sich die Schuld, dass ihr Mann gestorben ist?
    Und warum glaubt sie, dass Natalia auch Warti in den Tod stürzt?


    Ich kann es kaum erwarten weiterzulesen. :lesend

  • Zitat

    Original von Booklooker
    Jakub ist ein toller Mensch. Meiner Meinung nach kam er im ersten Teil nicht so viel vor, dass ich mir ein Urteil bilden konnte. Ich finde es toll, dass es endlich jemanden gibt, dem Natalia vertrauen kann. Dass er genau weiss, was in ihr vorgeht finde ich bemerkenswert. Sie kommt mir so rüber, als wenn niemand erahnen könnte, was in ihrem Kopf vorgeht. Ich könnte es jedenfalls nicht.
    .


    So sollte sie auch wirken!
    Schwer durchschaubar, trotz ihrer Vitalitaet verschlossen, sich womoeglich zuweilen selbst fremd.
    Ich wollte, dass Jakub vieles (nicht alles) von Natalia versteht, weil ihn zum einen Menschen brennend interessieren, weil er sie staendig voll Neugier beobachtet und ihnen zuhoert - und weil die beiden etwas gemeinsam haben, etwas, das in ihrer Vergangenheit liegt.


    Ich mochte Jakub auch am liebsten von allen und freu' mich, dass er dich fuer sich gewinnen konnte.


    Alles Liebe von Charlie