'Die Glocken von Vineta' - Seiten 167 - 274

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Eine schöne Szene ist, wie Warti Natalia in seine Heimat bringt und ihr voller Stolz sein Vineta zeigt und sie ihm dann die Hand auf die Lippen legt, um ihn zum Schweigen zu bringen.


    Da hab ich das erste Mal Rotz und Wasser geheult. Es war so genial vorbereitet, wie er sie auffordert, ihn zum Schweigen zu bringen, und das passiert dann auch.


    Ich fürchte, ich kann hier wenig beitragen, ich find alles genial. Und freu mich, dass das Buch hier so gut ankommt.

  • Och, Sabine, dagegen hab ich aber nun auch nichts.


    Ich freu mich, dass manche das Buch so gelesen haben - natuerlich freu ich mich darueber ganz ungemein.
    Und das macht es selbstredend wesentlich leichter und erfreulicher, sehr kritisch mit dem Buch umzugehen und es auf seine Schwaechen abzuklopfen.


    Schoen, dass Du noch auf diese Schnigge aufsteigst.


    Besonders schoenen dritten Advent wuenscht
    Charlie

  • Habs auch geschafft. :-]
    Mir gings ähnlich wie Darcy, ich fand es sehr schade, dass in diesem Abschnitt so wenig aus Natalias Sicht erzählt wurde. Vor allem warum sie plötzlich, nachdem Warti sich in der vorigen Nacht noch mit Gewalt an ihr vergangen hat (zumindest hab ich das so interpretiert), anfängt zu sprechen und ihm plötzlich vergibt. Da kam ich mir ein bisschen vor als hätte ich was überblättert oder verpasst. Wo war denn da das auslösende Erlebnis? Die Sturmflut? Hat sie ihn eine Zeit lang beim Helfen beobachtet und sich gedacht "Mei, eigentlich isser doch ein ganz Netter?" ?( Ich fands aber auf jeden Fall sehr sympathisch, dass sie ihm nicht gleich als ihrem Retter aus der Not um den Hals gefallen ist sondern sich erst mal vorkam als käme sie von einer Form der Gefangenschaft in die nächste (noch dazu wo sie denken musste, er wäre, wenn auch nur indirekt, für Bronis und Anyas Schicksal verantwortlich). Nach so traumatischen Erlebnissen und ihrer emotionalen Abstumpfung wäre das unrealistisch gewesen. Diesen Teil fand ich wirklich überzeugend geschildert.


    Gerade am Anfang dieses Abschnittes finde ich Warti mal wieder nicht so sehr sympathisch. Klar, er möchte Natalia etwas Gutes tun und das tut er auch indem er sie aus dem Haus des neuen Bojaren befreit. Aber dann sofort heiraten? Da merkt man wieder das verzogene Kind. Es macht mich glücklich, also muss es sie auch glücklich machen, recht egoistisch wie ich finde. Nicht einen Moment überlegt er sich, ob sie ihn vielleicht nicht heiraten wollen würde. Er ist doch der große Warti den jeder liebt und den die Frauen anbeten, Svantovits Geschenk an die Frauen.


    Ich frage mich warum Natalia, die doch an sich recht wehrhaft ist, alles so einfach mitmacht, wo sie sich doch wie das Schwein fühlt, das zur Schlachtbank geführt wird? Hat sie vielleicht Angst, Warti könnte sie umbringen, wenn sie ihm nicht zu Willen ist? (irgendwo denkt sie ja, er ist so groß, er könnte einen Hamel erwürgen) Und bei der Vermählungszeremonie... war denn da eine Einwilligung der Frau (und sei es nur durch ein Nicken) nicht erforderlich? War das vielleicht das "Gürten" und obwohl sie es nicht tat, ist Warti da einfach so drüber weg gegangen? Eigentlich wäre es ja nur fair gewesen, wenn Warti mit seiner Frau ebenso unglücklich geworden wäre wie Bole (aber auf der anderen Seite... ein Buch nur über unglückliche Charaktere... wir sind ja hier nicht bei Hamlet *g*)


    Bole tut mir immer noch leid. Sein Problem ist wohl, dass Jula seine Gedanken Tag und Nacht mit dem Hass auf Warti (und auch sich selbst) vergiftet. Nie kann er es ihr recht machen. Aber er kann sich auch nicht mit Warti versöhnen, da würde er, in seinen eigenen Augen, sein letztes bißchen Stolz verlieren. (ich fands ja schade, dass Jula bei der Sturmflut nicht... *gluckgluck* ihr versteht was ich meine? :grin).


    Bei Anton denke ich auch, er könnte Lenkas und Boles Sohn sein. Bole hat Lenka als Bettlerin ja damals auch fast nicht erkannt, warum sollte Warti sie erkennen, der sie ja nur ein paar mal flüchtig gesehen hat?


    Es freut mich zu lesen, dass wir wieder mehr aus Natalias Perspektive erzählt bekommen. Vielleicht klärt sich da ja auch noch, was ihr den plötzlichen Anstoß gab wieder sprechen zu können. *liest auf jeden Fall sehr gespannt weiter*

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

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    Original von Paradise Lost
    Bole tut mir immer noch leid. Sein Problem ist wohl, dass Jula seine Gedanken Tag und Nacht mit dem Hass auf Warti (und auch sich selbst) vergiftet. Nie kann er es ihr recht machen. Aber er kann sich auch nicht mit Warti versöhnen, da würde er, in seinen eigenen Augen, sein letztes bißchen Stolz verlieren.


    Ich mochte Bole in den ersten Kapiteln, aber seine Fixierung auf Jula und dann wie du erwähnt hast, ihr späterer schlechter Einfluß auf ihn samt den Lügen sind Schuld am Zerwürfnis der Brüder. Sehr schade!
    Aber musste es nicht so kommen? Bole ist der geborene Pechmann und Warti immer der erfolgreiche Siegertyp, der außerdem schon immer bevorzugt wurde. Musste Bole nicht zwangsläufig sich mit ihm entzweien?

  • Zitat

    Original von Paradise Lost
    ich fand es sehr schade, dass in diesem Abschnitt so wenig aus Natalias Sicht erzählt wurde. Vor allem warum sie plötzlich, nachdem Warti sich in der vorigen Nacht noch mit Gewalt an ihr vergangen hat (zumindest hab ich das so interpretiert), anfängt zu sprechen und ihm plötzlich vergibt. Da kam ich mir ein bisschen vor als hätte ich was überblättert oder verpasst. Wo war denn da das auslösende Erlebnis? Die Sturmflut? Hat sie ihn eine Zeit lang beim Helfen beobachtet und sich gedacht "Mei, eigentlich isser doch ein ganz Netter?" ?


    Eine meiner Lieblingsszenen. Hätte man ihren Wandel mitverfolgt, wär es nicht mehr wie aus heiterem Himmel gekommen (das gefällt mir auch an dem Buch, dass hin und wieder Sachen passieren, die sich nicht erahnen ließen, und man fühlt sich, als hätte einer unverhofft mit dem Hammer gegen den Kopp gedengelt). Hätte sie sich im Nachhinein ein paar erklärenden Gedanken gemacht, wär es nichts anderes als das gewesen: ein paar nachgeschobene Gedanken. Nach meinem Empfinden unnötig. Natalia ist eh nicht leicht zu fassen, sie hat ihre Geheimnisse, auch im Charakter.

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    Original von Paradise Lost
    Da merkt man wieder das verzogene Kind. Es macht mich glücklich, also muss es sie auch glücklich machen, recht egoistisch wie ich finde. Nicht einen Moment überlegt er sich, ob sie ihn vielleicht nicht heiraten wollen würde. Er ist doch der große Warti den jeder liebt und den die Frauen anbeten, Svantovits Geschenk an die Frauen.


    Ja, genau.
    Es freut mich sehr, dass Du das so gelesen hast.
    Er ist auf eine Art hochmuetig, die ihn statt auf Beine auf Stelzen stellt. Und darauf kann man ja nicht ewig gehen.


    Dass Bole diesen ewig ueberlegenen Bruder nicht ertragen kann, verstehe ich. Und dass er ihn auf irgendeine Weise weiterlieben muss, macht es nicht besser.


    Ja, Sabine, Natalia ist auch oft von sich selbst ueberrascht. Oder auch schockiert. Ihr fehlt eben ein Stueck von sich. Bis ganz zum Schluss.


    Alles Liebe von Charlie

  • In diesem Abschnitt sind mir Bole und Jula so richtig unangenehm geworden. Es ist ja richtig, wenn Bole sich von seinem "Überbruder" lösen will, um endlich auch ein eigenes Leben führen zu können. Leider hätte das nichts mit Ablehnung zu tun.
    Die Geschäftsbeziehungen mit Dänemark wird sicher noch eine eigene Handlung herbeiführen, die Bole in eine Zwickmühle bringen wird.


    "Endlich!" dachte ich, als Natalia anfing zu sprechen. Wenn ich mir auch gewünscht hätte, dass der Anlass ein wenig romantischer gewesen wäre.


    Die Ankunft Antons ist genauso brutal beschrieben wie der Prolog. Immerhin hat der kleine Kerl überlebt. Leid getan hat er mir besonders, als er geprügelt wurde. Es lag nahe, dass Natalia und Warti ihn in ihr Haus aufnehmen.

  • Zitat

    Original von Paradise Lost



    Gerade am Anfang dieses Abschnittes finde ich Warti mal wieder nicht so sehr sympathisch. Klar, er möchte Natalia etwas Gutes tun und das tut er auch indem er sie aus dem Haus des neuen Bojaren befreit. Aber dann sofort heiraten? Da merkt man wieder das verzogene Kind. Es macht mich glücklich, also muss es sie auch glücklich machen, recht egoistisch wie ich finde. Nicht einen Moment überlegt er sich, ob sie ihn vielleicht nicht heiraten wollen würde. Er ist doch der große Warti den jeder liebt und den die Frauen anbeten, Svantovits Geschenk an die Frauen.


    Genau das habe ich auch gedacht. Es erschien mir aber passend für das Beziehung Mann/Frau zu der Zeit. Der Mann nimmt sich halt eine Frau.
    Wobei es aber eigentlich für Warti spricht, das er sie zur Frau nimmt und sie nicht einfach als Geliebte rekrutiert. Schließlich ist sie nur eine einfache Dienstmagd. Es hat mich verwundert, das niemand auf ihre einfache Herkunft anspielte bisher.
    Und Natalia scheint es als Chance zu sehen, ihrem bisherigen Leben zu entfliehen, auch wenn es bedeutete, den vermuteten Verführer ihrer Freundinnen zu heiraten. Ein kleineres Übel gegen einen gefüllten Bauch und ein warmes Heim eingetauscht.


    Und das war auch der Punkt, als mir Natalias Sicht auf die Dinge fehlte. Auf einmal erschien sie mir als passive Person. Da sie nicht sprach, konnten wir das meiste nur aus ihren Gedanken schließen. Natalia wurde eingeführt als eine der Personen, aus deren Sicht man das Geschehen sieht. Auf einmal war es dann nicht mehr so. Das hat mich etwas irritiert. Natürlich ist es Sache des Autors, was er uns Lesern aus wessen Sicht erzählt. Ich hab mich nur gewundert, das Natalia plötzlich für uns Leser "verstummte". Die Änderung der Perspektive hat mich also etwas gestört :grin

  • Das ist mir voellig einsichtig, Darcy.


    Wie gesagt, ich dachte kurzzeitig, es sei eine gute Idee, die Natalia-Innensicht in diesem einen Teil herauszunehmen, den Leser im Dunkeln tappen zu lassen. Und als ich das revidiert hatte, habe ich die Perspektive nicht stark genug wieder hineingefahren.


    Mein Fehler.


    Der Anteil der Perspektive waechst aber wieder.


    Buechersally, ja, das habe ich mir gewuenscht, dass man einen Gleichklang aus diesen beiden brutalen Szenen lesen kann.


    Alles Liebe von Charlie

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    Original von Darcy
    Es hat mich verwundert, das niemand auf ihre einfache Herkunft anspielte bisher.


    Stand nicht irgendwo, dass es in Vineta nicht ungewöhnlich war sich eine Frau zu nehmen die weit unter dem eigenen Stand war? (war doch glaub ich bei Wartis und Boles Vater und Oda auch schon so) Dementsprechend wird da wohl auch nicht so drüber getuschelt.


    Herr Palomar
    Ja, ich denke , dass es unter diesen Umständen kommen musste. Aber auf der anderen Seite... wäre Bole mit Lenka statt mit Jula zusammengekommen wäre er vielleicht mit seinem eigenen Leben zufriedener gewesen und gar nicht auf die Idee gekommen sich ständig mit Warti zu vergleichen wodurch ja zwangsläufig Neid aufkommen musste.


    Sabine W
    Ich hab nichts gegen Überraschungen, aber wenn man schon den Grund für ihre Stummheit und die Ablehnung bzw. Gleichgültigkeit gegenüber ihrem Mann kennt, wäre es da nicht fair zu erfahren, was sie denn nun dazu bringt, das alles zu überwinden (so ein Trauma ist doch nicht einfach vom einem Moment auf den anderen weg)? Sicher ist Natalia auf ihre Art auch geheimnisvoll, aber bis jetzt konnte man doch ihre Einstellung auch immer nachvollziehen (weil man es ja aus ihrer Perspektive miterlebt hat). Auf der anderen Seite kann man in diesem Abschnitt eine evtl. Wandlung in Natalias Innerem gar nicht nachverfolgen, weil eben ihre Perspektive fehlt. Gut möglich, dass sie nach außen immer noch unbeteiligt wirkte, obwohl sie innerlich bereits anfängt das Gute an ihrer Lage zu akzeptieren und anzunehmen. :gruebel Man sieht sie ja in diesem Abschnitt hauptsächlich durch die "Augen" der anderen: Warti, Jakub, Kveta usw.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Zitat

    Original von Paradise Lost
    Man sieht sie ja in diesem Abschnitt hauptsächlich durch die "Augen" der anderen: Warti, Jakub, Kveta usw.


    Wie gesagt, ich DACHTE, genau das sei reizvoll: Sie kommt jetzt dort an und nun zeig' ich Euch mal, was die Leutchen so von ihr denken, aber was sie selbst denkt, muesst ihr erraten.
    Aus heutiger Sicht kann ich einfach nur sagen, dass das keine gute Idee war (ich leugne ueberhaupt nicht, davor gewarnt worden zu sein. Nun bin ich aber immerhin schlauer). Ich lasse den Leser damit in diesem Teil zu sehr allein.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Charlie
    Jakub, Oda und noch einer, der erst zu ihnen stoesst, waren auch meine Lieblingsfiguren, JaneDoe. Sie haben mir am meisten Spass - im Sinne des Wortes - gemacht, weshalb ich gern noch viel mehr ueber sie geschrieben habe.


    Alles Liebe von Charlie


    Oh ja! Ich hätte über diese Figuren auch noch viel mehr lesen können. Insbesondere Oda ist ja ein hochinteressanter Charakter.

  • ich bin zwar mit diesme Teil noch nicht durch, schreibe aber trotzdem schon mal was dazu da ich nicht weiß, wie ich morgen zum lesen und posten komme.


    Bei diesem abrupten Perspektivenwechsel habe ich auch erst mal gestutzt. Natalia wirkt unglaublich passiv - aber für mich hat das auch etwas von einer inneren Starre. Noch weniger fühlen als bisher, nichts denken. Sich komplett verschließen und abschotten.
    Und dieses Verschließen bricht ja in der Szene auf, als sie für die Vermählung hergerichtet wird - eine Anspielung auf Wartis Manneskraft, die Erwähnung, dass er den Stoff für das Kleid eigens für sie so hat einfärben lassen - und wir rutschen wieder in ihre Perspektive zurück.
    Finde ich so sehr konsequent geschildert.


    Ich habe mich zuerst gefragt, warum sie, die Kämpferische, das alles so über sich ergehen lässt. Aber klar: sie kann sich ausrechnen, dass sie es bei Warti allemal besser haben wird. Sie wird nie wieder Hunger leiden müssen, wie sie es schon erlebt hat.
    Und vor allem: Vineta! Die großartige, reiche Stadt, von der sie schon so viel gehört hat!
    Dazu passt für mich auch S. 193


    Hatte die Hand ausgestreckt und sie ihm auf den Mund gelegt, damit er endlich verstummte und sie in Stille betrachten ließ, was sich vor ihnen aus dem Schwarzgrün des Meeres hob. Vineta.


    Dass sie Bronis und Anyas Schicksale Warti anlastet... will sie so herausfinden, was den beiden (vor allem Anya) widerfahren ist? Plant sie gar eine Art Rache?


    Jula muss natürlich giftgrün werden vor Neid. Vier Töchter, ein mißgestalteter Sohn, Armut. Und dann komm Natalia daher, eine schöne Fremde, die nicht nur Wartis Reichtum heiratet - der sie vor allem liebt.
    Da muß ihr ja die Galle überkochen...


    Wie Natalia keine Berührungsängste Kasi gegenüber kennt - das hat mich sehr berührt. Auch ihr Umgang mit Tieren.


    Dass Bole Lenka wegschickt - da hatte ich ein ganz ungutes Gefühl. Ob sich das mal nicht noch rächen wird? :-(

  • Zitat

    Original von Paradise Lost
    Vor allem warum sie plötzlich, nachdem Warti sich in der vorigen Nacht noch mit Gewalt an ihr vergangen hat (zumindest hab ich das so interpretiert), anfängt zu sprechen und ihm plötzlich vergibt. Da kam ich mir ein bisschen vor als hätte ich was überblättert oder verpasst. Wo war denn da das auslösende Erlebnis? Die Sturmflut? Hat sie ihn eine Zeit lang beim Helfen beobachtet und sich gedacht "Mei, eigentlich isser doch ein ganz Netter?"


    Da habe ich auch gestutzt und die Stelle noch mal mit ein paar Stunden Abstand nachgelesen.
    Ich habe diese Passage so verstanden, dass er sich eben NICHT an ihr vergangen hat - obwohl er kurz davor war, es auch wollte, es hätte können. Stattdessen sich außerhalb ihres Körpers "abreagiert" hat.
    Diese Tatsache, zusammen mit dem eigenhändigen Anpacken am Deich - ich vermute mal, das lässt sie sich ihm öffnen - und wieder sprechen.


    Ich freue mich so, dass Natalia in Kveta eine Freundin gefunden hat! Und eine ganz liebenswerte noch dazu!


    So, und wenn meine Ahnungen bzgl. Archetypen und Mythen stimmen... dann ist Antons Ankunft, die Art und Weise, WIE - ein ganz gruseliges Omen..

  • Ja, das ist ein gruseliges Omen, in der Tat.


    Zu dieser Natalia-Perspektive moecht' ich noch was sagen:
    Gedacht habe ich mir, dass sie ihn in dieser Nacht als schwachen, fehlbaren Menschen sieht, der sie dringend braucht, und dass sie zu dem in Beziehung treten kann.
    Wie schon gesagt, ich fand, es sei reizvoll, ihre Innensicht auszulassen und Raum fuer Spekulationen zu geben. (Urspruenglich hatte ich die sogar aus der Hochzeitsszene lassen wollen.)


    ABER: Eine kluge Kollegin hat mir gesagt, ich sei aus der Perspektive, die die dramatischste war, in dem Moment zurueckgescheut, haette mich nicht dran getraut. Vielleicht stimmt das ja. Ich muss darueber nochmal nachdenken.
    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Nicole
    Ich habe diese Passage so verstanden, dass er sich eben NICHT an ihr vergangen hat - obwohl er kurz davor war, es auch wollte, es hätte können. Stattdessen sich außerhalb ihres Körpers "abreagiert" hat.


    Das habe ich auch so verstanden. Er hat gemerkt, was er da tut, hat aufgehört und angefangen ganz bitterlich zu weinen. Ich denke, er hat sich geschämt und Natalia hat das auch so aufgefasst. Der Starke, der Schwächen hat, die sich in dieser Situation zeigen. Das hat wohl in ihr einen Knoten zum Platzen gebracht.

  • Ich hab die Szene jetzt nochmal gelesen und denke nun auch, dass er es nicht getan hat (ich dachte erst nach dem Satz von wegen Ausholen wie mit einer Axt und dann, dass sein Körper sich spannte, dass er da schon in sie eingedrungen wäre).
    So ist die Sache mit ihrer Verzeihung natürlich in einem ganz anderen Licht zu sehen. Hätte er sie da wirklich vergewaltigt wäre mir ihre Reaktion völlig unverständlich geblieben.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Mir ging es auch so, daß mir Natalias Sicht der Dinge irgendwie gefehlt hat. Nachdem ich ihren Gedanken und Gefühlen im ersten Teil so nahe war, fühlte ich mich jetzt irgendwie ausgeschlossen (so ähnlich muß sich wohl auch Warti gefühlt haben). Dieses "Ausgeschlossensein" führte dann dazu, daß ich mir immer noch nicht schlüssig erklären kann, warum Natalia nach der Flut wieder zu sprechen beginnt.

    Wenn man es genau betrachtet, war eheliche Geschlechtsverkehr zwischen Natalia und Warti ja nie wirklich einvernehmlich. Jedenfalls habe ich nicht herausgelesen, daß die Initiative dazu an irgend einem Punkt von ihr ausgegangen wäre. Aber in der Nacht vor der Flut ist es ja besonders drastisch gewesen, auch wenn Warti es dann netterweise dabei belassen hat sich "nur" außerhalb ihres Körpers abzureagieren. Zuvor hatte er sich ja wenigstens die Mühe gemacht dabei auf Natalia einzugehen (wenn man mal davon absieht, daß ein wirkliches Eingehen auf sie evtl bedeutet hätte ganz darauf zu verzichten). Warum sollte sie also gerade dieser Vorfall zum Sprechen bringen?


    Nachdem ich mich zuvor so gut in alle handelnden Personen hineinversetzen konnte, stehe ich hier vor einem kompletten Rätsel.
    Vielleicht kann ja Charlie noch etwas dazu sagen? :-]


    Was ich immer noch mag, sind die Sprache und die wendischen Namen. So viele Kinder kann ich gar nicht bekommen, wie ich gerne Namen vergeben würde :grin
    Auch Jakub ist mir mittlerweile immer mehr ans Herz gewachsen. Wie er es schafft Oda zu lieben? Sie ist ein recht sperriger Charakter und er scheint etwas in ihr zu sehen, was ich noch nicht erkenne.
    Auch die Art wie Natalia mit Kasi umgeht, finde ich klasse. Vielleicht fühlt sie sich ihm nahe, weil er wie sie ein "Ausgestossener" ist, einer der kein Menschenkind zu sein scheint.
    Spontan würde ich übrigens auch tippen, daß Anton Lenkas und Boles Sohn ist. Allein die dunklen Haare und mit welchem Gefährt er auftaucht. Ich bin mal gespannt, wie es weitergeht.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Ich hoffe, Du bekommst viele Kinder, liebe Grottenolm, denen Du wendische Namen gibst!


    Wie schon gesagt, ihr habt ohne Zweifel Recht, die Entscheidung, die Natalia-Perspektive in diesem Teil zurueckzufahren, war keine kluge. Ich merk's mir - habe hier eine wichtige Erfahrung gemacht. Ich dachte, dieses Ausgeschlossensein, das Du beschreibst, sei hier passend, weil die abgetrennte, in die Fremde verfrachtete Natalia sich voellig abschottet. Gaenzlich, auch innerlich verstummt
    Aber dass das der Leser nicht mitmacht, leuchtet mir ein, es war einfach keine so gute Idee.


    Das, was Du schreibst, finde ich auch sehr wichtig: der Geschlechtsverkehr fand ihre Zustimmung nie, sie hat es ueber sich ergehen lassen, resigniert, sich gegen den uebermaechtigen Mann voellig machtlos fuehlend. In dieser Nacht bricht er voellig zusammen, und sie erkennt, dass er schwach und hilflos sein kann, verzweifelt und allein. Wie sie selbst. In dem Augenblick kann sie zu ihm in Beziehung treten. Er tut ihr leid. Sie laeuft ihm nach, sie sieht die Katastrophe, und ihr ist klar, dass sein Gewissen ihn quaelt, dass er Hilfe braucht.
    An diesem Punkt beginnt ihre Freundschaft, sie sind sich nah und bleiben es.


    Alles Liebe von Charlie