'Die Glocken von Vineta' - Seiten 275 - 416

  • Darueber musst Du mir mal mehr erzaehlen, Nicole.
    Da bin ich leider voellig von jeder Bildung unbeleckt.
    Und Deine Zeichnung will ich mal sehen!


    Vielen Dank fuer Deine schoene Zusammenfassung, Paradise Lost.
    (Ich finde den Schimmelreiter auch sehr beeindruckend.)


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Paradise Lost
    War das Wafelbild, das Oda am Tag von Natalias Ankunft sah wirklich ein Bote, wird Warti sich am ende, enttäuscht durch den Verrat von Weib und Sohn selbst das Leben nehmen? :staun Ich lese seeeehr gespannt weiter.


    Auf das Ergebnis des Omens bin ich auch gespannt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in diesem Roman einfach so etwas dahergeschrieben wird, um vielleicht ein paar Seiten mehr zu füllen. Aber ich wage bisher noch keine Spekulation.

  • Der dritte Teil zog sich ein bisschen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich durch andere Verpflichtungen nicht so zügig weiterlesen konnte. Wobei ich die Klärung der religiösen Beziehungen auch wichtig finde.


    Jula hat mit dem Steinwurf weiterhin keine Sympathiepunkte gesammelt.


    Dass die Brüder aus der Krisenlage heraus doch wieder Kontakt zueinander haben, fand ich vielversprechend. Bole durfte erleben, dass auch er mal dem sonst so perfekten Bruder helfen konnte. Fast hätte ich aber gedacht, dass er seine innere Grenze nicht überschreiten würde und dem Neid Vorrang geben würde.
    Dass das Gespräch in einem Schwitzhaus stattfand, ist auch symbolisch sehr schön gewählt. Sie geben sich ja beide quasi ungeschützt.


    Natalia gibt Anton vor seiner Weihe die Figur, die ihr ihre Mutter damals in die Hand gedrückt hat. Das hat sicher auch noch einen symbolischen Charakter.

  • Zitat

    Original von Charlie
    Ich fand es ein bisschen so, als sage heut' einer zum andern:
    "Na, du hast dir aber ein Schlachtschiff geangelt."
    Das hat ja auch sowohl einen abwertenden Ton, als auch einen von widerwilliger Anerkennung.


    Alles Liebe von Charlie


    Ich gestehe, ich habe als erstes Prunkschabracke gelesen und erst beim zweiten Versuch das richtige Wort erwischt und beides mit Schiffen assoziiert.


    Auch die letzte Seite dieses Abschnittes musste ich zweimal lesen um den Sinn zu begreifen. Vielleicht wollte ich es auch nicht verstehen. Ansonsten hat dieser Abschnitt sich flüssig gelesen, ich genieße die Sprache richtig und bin schon gespannt, wie es weitergeht.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Nun bin ich auch endlich durch den dritten Teil und kann nur sagen: nee, nee, :nono, das tut man aber nicht.


    Nun ja, es trennen sie vom Alter knapp zehn Jahre und verwandt sind sie auch nicht. Lediglich moralisch hätten sie mehr Skrupel haben können. Dem Warti gegenüber finde ich es gemein.


    Jetzt verstehe ich auch das rumgeunke Odas vom Anfang.

  • Gestern habe ich spätabends den dritten Teil beendet und möchte jetzt grad schnell meine Leseeindrücke hinterherschieben:
    Den Wendenkreuzzug hat Vineta mit einem blauen Auge überstanden. Daß das dicke Ende noch kommt, weiß der Leser ja, und gerade aus dem Grund habe ich während der harmonischen, glücklichen Szenen immer gedacht: Das ist zu schön, um wahr zu sein, das fordert ein Unglück doch geradezu heraus (toll in diesem Zusammenhang fand ich auch das Omen). Ich mag Jakub ja sowieso, aber beim Lesen fühlte ich die gleiche innerer Unruhe wie er.


    Und ich denke auch, daß es die Gefühle zwischen Natalia und Anton waren, die er erahnte aber gedanklich nicht greifen konnte. Für mich haben sie sich die ganze Zeit unterschwellig angebahnt.
    Z.B. auf S. 279: "Ich weiß von keinem Leib, den ich je so gehalten hätte." (Natalia)
    S. 308: "So schön wie ihr ist keine Venetianerin." (Anton)
    S. 325: "Er ist der Beste. Sonst hätte er nicht verdient dein Vater zu sein." (Natalia)
    Auch die Tatsache, daß Anton immer ruppiger zu ihr wurde, daß er sich vor seiner Reise nicht verabschiedete - das ließ mich aufhorchen, nichtsdestotrotz war ich überrascht als es dann tatsächlich eintrat.

    Zitat

    Original von Paradise Lost:
    Ohoh... was passiert, wenn Warti dahinterkommt? Das ganze kann ja nur noch in einer Tragödie enden. War das Wafelbild, das Oda am Tag von Natalias Ankunft sah wirklich ein Bote, wird Warti sich am ende, enttäuscht durch den Verrat von Weib und Sohn selbst das Leben nehmen?


    So etwas ähnliches fürchte ich leider auch. Und auch wenn ich Natalia ihr Glück gönne, so finde ich doch Warti hat soetwas nicht verdient.


    Oda hat in diesem Teil eine größere Rolle. Auch wenn ich sie nicht immer verstehe, so kann ich jetzt doch besser nachvollziehen, was Jakub an dieser kauzigen alten Lady findet.
    Was ich auch klasse gemacht finde, ist Antons Begeisterung für Venedig (Venetia ist ja fast ein Anagramm von Vineta, das finde ich irgendwie gruselig, denn die Serenisssima als wichtige Handelsstadt ist in meinen Augen durchaus ein christliches Spiegelbild des heidnischen Sündenbabels Vineta). Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, Anton überlebt die große Flutkatastrophe am Ende und versucht sein Glück in Venedig.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Zitat

    Original von grottenolm
    (Venetia ist ja fast ein Anagramm von Vineta, das finde ich irgendwie gruselig, denn die Serenisssima als wichtige Handelsstadt ist in meinen Augen durchaus ein christliches Spiegelbild des heidnischen Sündenbabels Vineta). Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, Anton überlebt die große Flutkatastrophe am Ende und versucht sein Glück in Venedig.


    Was fuer ein grandios formulierter Gedanke.
    Wieso ist denn der nun wieder nicht von mir?
    (Vineta wird ja Venedig des Nordens auch genannt. Ich greife die Namensaehnlichkeit noch einmal kurz auf, bei der Benennung des Schiffs.)
    Man sollte Leserunden VOR Veroeffentlichung des Buches veranstalten - man bekaeme einfach goettliche Klappentexte!


    Allerdings ist man wahrscheinlich nach einer Eulen-Runde nach Strich und Faden verwoehnt und fuer Normalleser auf lange Zeit verdorben.


    Bewundernd und froehlich gruesst Charlie

  • Was den Christenhass angeht, so denke ich – wie auch Paradise Lost -, dass das eine Entwicklung ist, die dem Gefühl äußerer Bedrohung geschuldet ist, unter deren Eindruck sich sicherlich auch Vineta verändert / verändern muss.
    Anton wiederum weiß nichts von seinen Eltern, wird aber von vielen für einen Christen gehalten. Was sollte er dem entgegensetzen? Es ist etwas, an dem er sich festhalten kann.
    Ich mag Anton und doch ist er mir zugleich unheimlich (sein Aussehen, seine Stimme). Auch er lernt die Welt außerhalb Vinetas kennen, aber seine Berichte von dort scheinen mir andere zu sein. Jedenfalls spricht für mich aus ihnen nicht die Erkenntnis, dass es in Vineta doch am besten ist.


    Zitat

    Warti ist steil aufgestiegen. Ich rechne eigentlich jederzeit mit einem Absturz.


    Bouquineur
    Das geht mir ähnlich, vor allem an folgender Stelle bin ich zusammengezuckt:
    "Überhaupt war dies in Wartis Leben der höchste Punkt auf dem Rad ..."
    Schließlich dreht sich Fortunas Rad, und wer ganz oben ist, muss unweigerlich wieder nach unten.


    Liebe Grüße


    Kirsten

  • Natalia, die nicht weint. Anton, der nicht lächelt – für mich gab es da schon eine Verbindung zwischen den beiden, bevor sie zu einem Liebespaar wurden (Auf S. 307 denkt Natalia: Ohne dich war ich einsam. Du bist ein Stück von mir. Meinesgleichen.) Beide haben ein grausames Schicksal erlitten. In der Stadt Vineta gibt es meiner Ansicht nach – abgesehen von Jakub (und Oda?) - keinen mit einem ähnlichen Hintergrund wie die beiden.


    Gespannt bin ich darauf, wie sich Boles Aufmerksamkeit Natalia gegenüber weiter entwickelt.


    LG


    Kirsten

  • Zitat

    Original von Charlie
    Darueber musst Du mir mal mehr erzaehlen, Nicole.


    bei wikipedia gibt's einen recht brauchbaren Übersichtsartikel zu Archetypen, wie sie v.a. Jung beschrieben hat.


    Jakub stellt für mich z.B. den Archetyp des "weisen Alten" dar.
    Bole ist Wartis Schattenarchetyp.
    Oda ist ein Aspekt des Mutterarchetyps - und da finden sich auch unter den ambivalenten Aspekten die Parzen erwähnt.


    Zitat

    Original von Charlie
    Und Deine Zeichnung will ich mal sehen!


    Ich schau mal, ob ich die mit meiner super-duper-handycam digital gebannt kriege - wenn ich mich trau, stell ich die auch hier rein! :chen


    Zitat

    Original von Solas
    Natalia, die nicht weint. Anton, der nicht lächelt – für mich gab es da schon eine Verbindung zwischen den beiden, bevor sie zu einem Liebespaar wurden


    :write


    Natalia und Anton...
    ich bin immer noch sehr am Grübeln, was diese Liebe angeht.
    Natürlich berührt sie durchaus das Inzest-Tabu, wenn auch eher auf psychologisch-gesellschaftlicher Ebene denn tatsächlich biologischer, aber es hat mich jetzt nicht gestört - es schien mir irgendwie unausweichlich.


    Dazu passt für mich auch


    Zitat

    Original von Büchersally
    Natalia gibt Anton vor seiner Weihe die Figur, die ihr ihre Mutter damals in die Hand gedrückt hat. Das hat sicher auch noch einen symbolischen Charakter.


    Andererseits hatte ich schon recht früh das Gefühl, Natalia empfindet ihm gegenüber nicht mütterlich - und er ihr gegenüber nicht wie ein Sohn. Schon bei der Mannesweihe - und dann S. 410/411, als sie auf seine Rückkehr von der Reise wartet. Es wird nie überdeutlich gesagt, aber zwischen den Zeilen
    dachte ich mir: "so wartet keine Mutter - so wartet eine Liebende!"


    Zitat

    Original von grottenolm
    Venetia ist ja fast ein Anagramm von Vineta, das finde ich irgendwie gruselig, denn die Serenisssima als wichtige Handelsstadt ist in meinen Augen durchaus ein christliches Spiegelbild des heidnischen Sündenbabels Vineta


    :write


    daran habe ich auch gedacht!
    Allerdings - hatte Venedig nicht einen ähnlichen Ruf? Verschwenderisch und lasterhaft? Oder war das erst später? :gruebel
    Aber auch Venedig war / ist beständig durch das Meer bedroht und hat ja auch etwas "Märchen-" / "Zauberhaftes". Besteht aber noch...
    *überleg* Ist das evtl. auch so eine Licht-Schatten-Dualität / eine Art ungleiches Zwillingspaar?


    Zitat

    Original von Charlie
    Was fuer ein grandios formulierter Gedanke.
    Wieso ist denn der nun wieder nicht von mir?


    Aufgrund eigener Erfahrungen glaube ich, als Autor webt man unterhalb der Bewußtseinsschwelle Muster bzw. Verästelungen derselben in einen Roman - weil einfach so vieles im Unbewußten abläuft, gleich wie konzentriert und gut geplant die Arbeit ist. Das gehört zweifellos zum Prozeß des Schreibens dazu.
    Dem Leser springen diese Muster dann bewußt ins Auge und holt sie dann auch dem Autor wieder ins Bewußtsein zurück.
    Was ich einen ganz faszinierenden und beeindruckenden Effekt finde!

  • @ Pelican


    gerne! :wave ich fühle mich da auch noch lange nicht versiert, habe mehr so eine visuelle/ fühlbare Vorstellung davon, die ich aber nur sehr schlecht in Worte verpackt kriege (und so verklausuliert wie Jungs Originalwerke sind, ist das wohl auch gar nicht so leicht! :grin)
    Das Entscheidende (und vielleicht Faszinierendste) daran ist für mich, dass es sie in allen Kulturen gibt - und dass sie funktionieren, "rüberkommen", auch wenn man sich noch nicht damit beschäftigt hat.

  • Es tut mir leid, dass ich mich nun schon länger nicht gemeldet habe – irgendwie hinke ich bei jeder Leserunde hinterher. :-( Vineta habe ich nun etwa seit Beginn des Jahres ausgelesen, mir aber nun noch einmal alle markierten Stellen vorgenommen (und das sind viele! Januar wird noch einmal mein Vineta-Monat, dann geht es in die Steppe und danach nach Augsburg. ;-)). Ich glaube, ich werde meinen Text etwas aufspalten müssen, also soll es mir zuerst einmal um Glück gehen. Auf S. 304 machte mich folgender Satz nachdenklich:
    "Hatte sie nicht Glück? Musste eine Frau nicht Tag und Nacht ihrem Schicksal danken für einen solchen Mann?"
    Was ist eigentlich Glück, und wer entscheidet, in welcher Situation man seinem Schicksal dankbar zu sein hat? Auf materieller Ebene kann Natalia Warti zweifellos dankbar sein, aber – wenn ich es genauer betrachte – ist da auch eine Natalia, die geheiratet wurde und keinen Moment lang selbst entscheiden konnte, ob sie Wartis Frau werden will (mit allem, was dazu gehört). Dabei lasse ich hier mal außen vor, dass Warti ein netter Kerl ist und dass das damals so üblich war. Auf S. 410 steht übrigens noch mal etwas Ähnliches: "Sie hatten allen Grund, zufrieden zu sein." An dieser Stelle ist Anton ja auch fort und dieser Zusammenhang (in Anbetracht der Liebe zwischen Anton und Natalia) lässt mich bei diesem Satz auch wieder stutzig werden. Da es hier um das Äußere und das Innere einer Figur geht, passt auch folgender Abschnitt (über Warti) auf S. 388: "Wird es dir einsam auf deinem Sockel? Fragte sich Oda. Wagt noch einer dich anzurühren, hält es noch einer für möglich, dass du frierst und schwitzt und in einen Topf pinkeln musst wie gewöhnliches Erdengewürm?"
    Für mich eine sehr treffende Charakterisierung von Wartis Lage und etwas, was eine Verbindung zu S. 304 schlägt: Wie entscheiden wir, ob es jemandem gut geht – über das, was wir außen sehen können?


    Liebe Grüße


    Solas

  • Dieser Abschnitt steht unter dem Schlagwort Liebe und (Fähigkeit zum) Glück(lichsein):
    Auf S. 377 habe ich mich gefragt, ob Bole Natalia liebt, oder ob er eher auf die Liebe neidisch ist, die er zwischen ihr und seinem Bruder zu bemerken meint. Etwas später geht es ja auch darum, dass es Bole und Jula inzwischen wirtschaftlich sehr viel besser geht – Jula trägt einen Pelz – gleichwohl bleiben die beiden unglücklich. Da stellt sich für mich die Frage nach der Fähigkeit, die jemand zum Glücklichsein hat – bei Bole und Jula ist die ja leider nicht sehr ausgeprägt. Bezeichnend dafür ist für mich auch, dass Natalia sich ihre lebensfrohe Schänke in Boles ehemaligen Haus aufbaut, gerade dort, wo Bole so unglücklich war.


    Liebe Grüße


    Solas

  • Liebe Kirsten,


    an dieser Frage - "Talent zum Glueck" - habe ich beim Schreiben dieses Romans viel geschabt und gebohrt und gekratzt. Ich dachte auch: Was passiert mit Wuenschen/Traeumen, die sich zu spaet erfuellen, die Zeit haben, sich zu Besessenheiten auszuwachsen, umzuschlagen, sich inhaltlich zu entleeren und zu "Wuenschen, um des Wuenschens willen" zu werden.
    Natuerlich moechte mein Roman auf nichts von alledem clevere Antworten liefern. Nur ein paar Beispiele erzaehlen.
    Dass Du diesen "Schaenken-Schluss" gezogen hast, finde ich sehr schoen. Zumindest auf Bole sollte dies an der Frage ruehren: Wieso geht hier, was fuer mich hier nie ging?


    Vielen Dank fuer Deine Eindruecke, auch im anderen Thread.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Charlie
    Natuerlich moechte mein Roman auf nichts von alledem clevere Antworten liefern. Nur ein paar Beispiele erzaehlen.


    Kann man in einem Roman clevere Antworten geben? (Wahrscheinlich schon, aber nicht auf alles ...)
    Fragen zu stellen (bzw. Beispiele zu schildern, die zu Fragen führen) ist für mich wichtiger.


    LG


    Kirsten