'Die Glocken von Vineta' - Seiten 275 - 416

  • 8.Kapitel: Anton, der Junge ohne Gedächtnis ist auch der Junge, der für Warti und Natalie zum Sohn wird. Aber er ist Christ. Die sind in Vineta so beliebt wie Dänen.
    Jakub wird ein wichtiger Vertrauter und Lehrer für Anton.
    Jakub erkennt Anton am Besten, sein Zähigkeit und Überlebenstrieb.
    „Es ist nicht Halt, sondern Freiheit, nach der du strebst …“
    Warti lässt Jakub als Lehrer gewähren, nur das Gusli-Spiel und das Schwimmen will er ihm selber beibringen.
    Über dieses Instrument musste ich erst googeln: http://de.wikipedia.org/wiki/Gusli



    Seite 291: Über die Bezeichnung Prunkscharteke für Natalia bin ich gestolpert.
    Das Wort habe ich noch nie gehört. Wohl eher ziemlich abwertend.

  • Erwischt - meine Lektorin hatte wegen des Begriffs auch Bedenken und schlug das Wort "Scharteke" fuers Glossar vor.


    Die Beschimpfung "die alte Scharteke" ist offenbar veralteter, als ich dachte ... was, fuercht' ich, bedeutet, dass ich schon veralteter bin, als ich dachte.


    Vielen Dank fuer Deine schoenen Zusammenfassungen - kann ich Dich nicht anheuern, in Zukunft meine Exposes zu schreiben? Ich wuenschte, ich koennte das so ...


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Seite 291: Über die Bezeichnung Prunkscharteke für Natalia bin ich gestolpert.


    Darüber bin ich zwar auch gestolpert, ich fand es aber nicht so abwertend, weil ich dachte das Wort Prunk davor wertet die Scharteke wieder auf :lache

    to handle yourself, use your head, to handle others, use your heart
    SUB 15
    _______________________________________________________
    :kuh:lesend

  • Ich fand es ein bisschen so, als sage heut' einer zum andern:
    "Na, du hast dir aber ein Schlachtschiff geangelt."
    Das hat ja auch sowohl einen abwertenden Ton, als auch einen von widerwilliger Anerkennung.


    Alles Liebe von Charlie

  • Diesen Hass auf Christen in einer sonst doch weltoffen toleranten Stadt kann ich nicht nachvollziehen. Gerade wenn nicht Angst vor den Feinden (Sachsen oder Dänen) dahintersteht- wie stets betont, erscheint mir das Verhalten Anton gegenüber nicht erklärbar.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Ich wollte eigentlich keinen generellen Hass auf Christen bzw. Anton zeigen, sondern eher eine gewisse Vorsicht oder Beruehrungsangst, die sowohl von aussen als auch von Einzelpersonen im Innern bewusst geschuert und genutzt wird.
    Dass schliesslich (v.a. nach dem Wendenkreuzzug) grosse Teile der Bevoelkerung sich von dem, was ihnen als "Christentum" erkennbar ist, bedroht fuehlen, dass sie es aus ihrer Stadt fort oder auch vernichtet sehen wollen, wollte ich als Ergebnis einer (eben auch bewusst voran getriebenen Entwicklung) darstellen.
    Wenn das nicht geglueckt ist, ist es selbstverstaendlich mein Fehler.


    Herzliche Gruesse von Charlie

  • Ich verstehe einfach nicht wieso Anton als Christ bezeichnet wird- er lebt nicht nur sein Christsein nicht, wie der Jude sein Judesein nicht lebt- er kennt die Religion nicht und kein Christ würde ihn als solchen bezeichnen.

  • Er wird ja auch als Heide aufgezogen.
    Die Leute, mit denen er lebt, gehen aber davon aus, dass er getauft ist und vermutlich ein "Anrecht" auf eine christliche Erziehung haette.
    Andere - so wie Strahle - benutzen einfach die Vermutung, er koenne getauft sein, weil sie ein Objekt fuer ihren Hass brauchen.
    Christen wuerden Anton natuerlich nicht als Christen bezeichnen, da gebe ich Dir voellig Recht. (Obwohl vermutlich die Missionare, die in dieser Zeit in dieser Region taetig waren, ein solches Kind fuer ihre Religion beanspruchen wuerden.)
    Anton selbst weiss ueber das Christentum zunaechst nichts, das ist richtig. Aber da er zugleich nichts ueber seine Herkunft weiss und sich nirgendwo zugehoerig fuehlt, ist es ein Halm zum Festhalten. Auch von Trotz getrieben, ohne Zweifel. Er fuehlt sich zur christlichen Religion und Lebensweise hingezogen, weil ihm sozusagen eingegeben wurde, dass dort seine Wurzeln zu finden sind.
    Darf ich mehr ueber dieses letzte bitte sagen, wenn wir durch sind, um nicht zu viel zu verraten?


    Ich hoffe, ich konnte etwas erklaeren (wobei ich natuerlich bedaure, dass der Roman das nicht tut, wie er sollte).
    Wenn nicht, bitte noch einmal fragen, ich versuch's dann besser.


    Alles Liebe von Charlie

  • Dieser 3. Teil hat es wirklich in sich. Für mich war es bisher der emotionalste. Diese Szene, in der Jula ihre Tochter schlägt und Anton ihr zu Hilfe kommt und später das Gespräch im Hause Warti. Das ist beeindruckend geschildert.


    Julas Hass scheint ständig neue Nahrung zu erhalten, statt mit den Jahren abzuschwächen. So ist sie nicht in der Lage, das zu würdigen, was sie hat.

  • Oh mann, mit dem, was am Ende des Abschnittes passiert, damit hätte ich nun gar nicht gerechnet. Ich bin gespannt, wie das weitergeht...


    Warti ist steil aufgestiegen. Ich rechne eigentlich jederzeit mit einem Absturz. Und Vineta hat dem "Feind" getrotzt. Ich frage mich nur, wie lange noch. Ich denke, die eine Belagerung hat es überstanden. Aber das Pferd, dass die Lanzen zerstört, ist mich Sicherheit ein schlechtes Omen gewesen...

  • Ich geb zu, ich hab ein bißchen gehangen im 3. Teil :rolleyes
    Irgendwie ist es mir lang geworden, vielleicht aber auch arbeitsbedingt. Ich arbeite nur abends, es ist immer spät geworden und tagsüber war ich müde und unkonzentriert bevor ich wieder los musste.


    Ich hab mich aber die ganze Zeit schon gefragt, was mit Anton los ist. Der undankbare Kerl ist nur mißmutig und maulig. Naja, jetzt weiss man, was ihm zusetzte. Ich weiß noch nicht so recht, was ich davon halten soll.
    Mal sehen, wie sich das entwickelt. Werden jetzt Odas Visionen war? Bisher war ja alles doch recht harmonisch. Diese überstürzte und einseitig gewünschte Ehe verlief recht gut. Kommen jetzt die unheilvollen Dinge?


    Apropo Oda: eine sehr merkwürdige Frau. Was macht die den ganzen Tag in ihrem Zimmer? Nur aus dem Fenster gucken und mit ihren Geistern reden? Und an ihrer spontanen Abneigung gegen Natalia hält sie eisern fest, obwohl es doch einige gute Jahre gegeben hat. Warum hat sie sie nicht genutzt? Erst als Anton kam, nahm sie ein bißchen Anteil. Trotz ihrer Vision hätte sie die Jahre des Glücks ihrem Sohn gönnen können und auch Natalias Anteil daran würdigen können. So bleibt sie in ihrem Zimmer und lebt ein ungelebtes Leben.


    Schade, was aus Bole geworden ist. Ich mochte ihn, aber er hat sich der Verbitterung ergeben wie seine Frau. Neid und Stolz, eine ungute Zusammenstellung.

  • Zitat

    Original von Darcy


    Schade, was aus Bole geworden ist. Ich mochte ihn, aber er hat sich der Verbitterung ergeben wie seine Frau. Neid und Stolz, eine ungute Zusammenstellung.


    Das war ein Punkt, der mich von der Handlung her sehr an die Naturalisten erinnert hat (auch wenn ich es für Bole auch sehr schade fand).

  • Ich habe heute jede freie Minute (und ich gebe zu auch Rauchpause) dazu genutzt weiterzulesen und ich hatte überhaupt keinen Hänger, stattdessen habe ich es wirklich genossen, mich in Vineta zu bewegen und an den persönlichen und allgemeinen Erlebnissen teilzuhaben :-]


    Zitat

    Original von beowulf
    Diesen Hass auf Christen in einer sonst doch weltoffen toleranten Stadt kann ich nicht nachvollziehen. Gerade wenn nicht Angst vor den Feinden (Sachsen oder Dänen) dahintersteht- wie stets betont, erscheint mir das Verhalten Anton gegenüber nicht erklärbar.


    Ich habe den Eindruck (auch im "echten" Leben), dass Menschen anderer Religion oftmals mehr Misstrauen entgegengebracht wird, als Menschen anderer Nationalität.


    Zitat

    Original von Bouquineur
    Oh mann, mit dem, was am Ende des Abschnittes passiert, damit hätte ich nun gar nicht gerechnet.


    Ich auch nicht!!! Ich musste die Szene auch zweimal lesen, bevor es wirklich fassen konnte. Hm. Also so richtig begeistert bin ich gerade von dieser Wendung noch nicht, aber ich warte mal ab, was Charlie daraus noch macht :grin


    Zitat

    Original von Darcy
    Apropo Oda: eine sehr merkwürdige Frau. Was macht die den ganzen Tag in ihrem Zimmer? Nur aus dem Fenster gucken und mit ihren Geistern reden? Und an ihrer spontanen Abneigung gegen Natalia hält sie eisern fest, obwohl es doch einige gute Jahre gegeben hat. Warum hat sie sie nicht genutzt? Erst als Anton kam, nahm sie ein bißchen Anteil. Trotz ihrer Vision hätte sie die Jahre des Glücks ihrem Sohn gönnen können und auch Natalias Anteil daran würdigen können. So bleibt sie in ihrem Zimmer und lebt ein ungelebtes Leben.


    Zuerst mochte ich Oda nicht besonders und fand sie auch nicht besonders interessant, aber bei näherem Hinsehen ist ihre eigene Geschichte bestimmt auch alleine schon erzählenswert. Diese Kombination aus Klugheit und Abgerglaube, der frühe Schicksalsschlag, zwei Söhne, wie sie unterschiedlicher nicht sein können....

  • Zitat

    Original von milla


    Zuerst mochte ich Oda nicht besonders und fand sie auch nicht besonders interessant, aber bei näherem Hinsehen ist ihre eigene Geschichte bestimmt auch alleine schon erzählenswert. Diese Kombination aus Klugheit und Abgerglaube, der frühe Schicksalsschlag, zwei Söhne, wie sie unterschiedlicher nicht sein können....


    Ich koennt' Dir die Fuesse kuessen!


    Eigentlich finde ich's immer ein bisschen affig, wenn Autoren solche Stories erzaehlen, aber fuer mich behalten kann ich's auch nicht:
    Diese Oda ist die einzige, einer lebenden Person nachempfundenen Figur und zwar meiner Grossmutter von der Ostsee, aus Gdansk.
    Diese war eine strikt katholische Frau, die dem zum Trotz mit schier wissenschaftlicher Gruendlichkeit allerlei aberglaeubische Rituale verfolgte, sich am Freitag, dem Dreizehnten nicht auf die Strasse wagte etc.. Heute finde ich die Zusammenstellung sowohl interessant als auch amuesant, aber als Kind habe ich vor all diesen zu beschwichtigenden Maechten grauslig gegruselt.
    Meine Grossmutter war auch eine Waflerin vor dem Herrn. Wer starb, erschien ihr zuverlaessig zuvor weiss gekleidet im Traum. Meine Grossmutter fand das aber nicht im Mindesten beaengstigend. Sie wusste es zu schaetzen, dass die Sterbenden ihr zuvor Auf Wiedersehen sagten.


    (Andere Zuege der Oda sind natuerlich meiner Phantasie entsprungen, nicht dem Lebenslauf meiner Grossmutter!)


    Alles Liebe von Charlie

  • Ich bin so um die Seite 338 und schlage gerade mal nach, was das Wort "Faygeleh" genau bedeutet. Ich geh mal davon aus, dass damit einfach "Mädchen" bzw. "Vögelchen" gemeint ist, google hat mich aber darüber informiert, dass man heutzutage Schwule so nennt. Passt nur nicht ganz in den Zusammenhang. :lache

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Nee, das passt wohl nicht ganz. Und das kannt' ich auch noch nicht ...
    Nur als gaengiges Kosewort, das in der Tat "Voeglein" bedeutet. Natalias Bemerkung soll auch zum Antwort zurueckspielen.

  • So gerade bin ich fertig. In diesem Abschnitt erleben wir, wie Anton als Natalias und Wartis Ziehsohn aufwächst. Er ist ein sehr stilles, in sich gekehrtes Kind (kein Wunder!), dass sich auf alles stürzt was ihn interessiert. Obwohl die meisten in der Stadt ihn, gerade im Licht des immer näher heranrückenden Konfliktes mit den Christen, als Dämonenbalg sehen nimmt Warti ihn wirklich wie seinen leibhaftigen Sohn auf und ernennt ihn auch zu seinem Erben.


    Der Kreuzzug der Christen tobt sich um Vineta herum aus und Warti muss als Starost auf alles vorbereitet sein. Als er feststellt, dass er nicht an das lebenswichtige Salz gedacht hat muss er einen schweren Gang gehen, denn der einzige der noch Salz in seinem Lager hat ist sein Bruder Bole, der dank des Dänengeldes zu einem eigenen Haus in der Bernsteingasse und einem Schiff gekommen ist. Bole wirkt nur noch wie ein Schatten seiner selbst. Eine fast leere Hülle die mit Neid gefüllt ist. Auf die Frau seines Bruders, auf dessen erfülltes Leben und die Liebe, die die beiden teilen. Ihn zu demütigen verschafft ihm ein Gefühl der Macht und Überlegenheit wie noch nie in seinem Leben und gleichzeitig schämt er sich doch dafür (das letzte bißchen Ehrgefühl in ihm?). Ich sehe die Versöhnung eigentlich nicht, trotzdem schickt Bole zu Antons Aufnahmezeremonie ein Pferd als Geschenk. :gruebel


    Als eine sehr atmosphärische Szene empfand ich das Orakel des Svantovit. Das weiße Pferd und sein gespenstischer Reiter als Boten von Untergang oder Überleben hatten etwas gruseliges (hat mich auch an den kürzlich erst gelesenen "Schimmelreiter" erinnert). Natürlich weiss man als Leser etwas mehr und das die Zerstörung beim Zurückpreschen des Pferdes sehr wohl auch Teil des Orakels ist. Vinetra übersteht zwar die Kreuzzüge, aber untergehen muss es doch...


    Ich gestehe, ich hatte schon den Verdacht, Anton könnte sich in Natalia verliebt haben als er anfing sie so schroff zu behandeln. Dass allerdings auch die Gefühle in Natalia nicht nur mütterlicher Natur sind hat mich dann doch schwer überrascht. :wow Ohoh... was passiert, wenn Warti dahinterkommt? Das ganze kann ja nur noch in einer Tragödie enden. War das Wafelbild, das Oda am Tag von Natalias Ankunft sah wirklich ein Bote, wird Warti sich am ende, enttäuscht durch den Verrat von Weib und Sohn selbst das Leben nehmen? :staun Ich lese seeeehr gespannt weiter.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Charlie,
    als ich gerade den Fred hier durchlas, auch das über Oda und Deine Großmutter, da fiel mir eine Zeichnung ein, die ich mal angefertigt habe - die drei Moiren oder Parzen in einer alten Frau vereint... Daran erinnert mich die Gestalt der Oda!


    Ich finde es im übrigen einen gehörigen Jammer, dass der große C.G.Jung Dein Vin nicht mehr hat erleben dürfen - er hätte es geliebt, da bin ich mir sicher!! Da steckt so viel von seinen Archetypen drin...