Botho Strauß - Die Nacht mit Alice, als Julia ums Haus schlich

  • Zuerst wollte ich nicht weiterlesen, dann tat ich es doch.
    Bereut habe ich es nicht.
    Aber ich habe ein paar Tage zum Verdauen gebraucht.


    Botho Strauß schreibt eine schöne Sprache.
    Bevor ich angefangen habe das Buch zu lesen, hätte ich die Kommentare auf amazon lesen sollen. Vom Titel verleitet, bin ich unter falschen Voraussetzungen eingestiegen und habe - dachte ich - den Überblick verloren. Hatte ich aber nicht, weil ich noch gar keinen haben konnte. Lediglich, gewohnt Unterhaltungsliteratur zu verschlingen, war mir nicht bewusst, dass Literatur, richtige Literatur, anders gelesen werden will. So habe ich das Buch nach der 44sten Seite weggelegt, und erst einmal ein anderes (Holzfällen) gelesen. Keines von Pratchett und Co, die ich sonst gern lese. Umso erstaunlicher, dass mir der zweite Anlauf viel besser gelang.


    Botho Strauß ist Theatermann. So schreibt er auch. Es sind Szenen, die zu einem großen Ganzen gehören, die aber erst vom Leser zusammengesetzt werden wollen, und mir gelang das nicht auf Anhieb.


    Wer aber erst einmal weiß worum es geht, der hat damit keine Schwierigkeiten. Es war das erste Buch von ihm, dass ich gelesen habe, aber bestimmt nicht das letzte.

  • hallo, buzzaldrin,
    da hast du natürlich ganz Recht!
    Dumm von mir (aber vielleicht z. T. dadurch entschuldbar, dass ich in der Nacht zu gestern und heute Folletts Titanensturz gelesen und kaum geschlafen habe), dass ich da nicht von selbst drauf gekommen bin. Inzwischen habe ich bei amazon nachgelesen.
    Trotzdem denke ich, dass eine kurze Inhaltsangabe bei einer Eulen-Rezi dabei sein sollte...
    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Die Nacht mit Alice, als Julia ums Haus schlich - Botho Strauss


    Hanser-Verlag, 150 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Ein Buch der Träume, der Verwandlungen, der Abgründe. Jede Nacht träumen wir uns in eine andere Welt, träumen von anderen und werden selbst ein anderer. Strauß führt in die unterirdischen Gänge des Bewusstseins, wo etwas ausgekocht wird, das langsam, aber sicher aufsteigt und unser Verhalten, unseren Blick auf die Welt verändert, ohne dass wir genau angeben können, wie es geschieht. Erzählungen über die Haltbarkeit der Träume und die Brüchigkeit der Realität.


    Über den Autor:
    Botho Strauss, 1944 in Naumburg/Saale geboren, lebt in Berlin. Bei Hanser erschienen neben einer vierbändigen Werkausgabe seiner Stücke die Reihe seiner Prosabände von Paare, Passanten (1981) bis Der Untenstehende auf Zehenspitzen (2004), Mikado (2006), Die Unbeholfenen (Bewußtseinsnovelle, 2007), Vom Aufenthalt (2009) und die erweiterte Ausgabe der Essays Der Aufstand gegen die sekundäre Welt (2012). 2012 erschien die von Thomas Hürlimann herausgegebene Sammlung der Erzählungen Sie /Er.


    Mein Eindruck:
    Botho Strauss traumhaft gestalteter Roman “Die Nacht mit Alice, als Julia ums Haus schlich” wird von der “Zeit” als Erzählmosaik bezeichnet. Eine zutreffende Benennung eines sonst kaum zu klassifizierenden Buches.


    Natürlich bilde ich mir nicht ein, Botho Strauß´ Ausführungen komplett folgen zu können, z.B. fehlen mir dazu gründliche Kenntnisse der griechischen Mythologie. Dass die unter anderen eine Rolle spielen, darauf deutet schon das Covermotiv “Perseus befreit Andromeda” hin.
    Einige Anspielungen erkennt man nicht so leicht.
    Dieser Roman ist insgesamt kein leicht verständlicher Roman, da er sich dem traditionalen Erzählen schnell entzieht.

    Dennoch lasse ich es mir nicht nehmen, mich ein wenig mit Botho Strauß´ Werk abzugeben und ihn erzählerisch zu genießen.


    In “Die Nacht mit Alice, als Julia ums Haus schlich” geht es um Liebe, Betrug, aber vor allen Phantasie.
    Dass der männliche Protagonist seine Liebesnacht mit Alice nur träumt, schließe ich aus den ersten Sätzen:
    “ICH BIN DER, SIE IST DIE. Nie waren wir mein und dein. Aug in Aug sahen wir uns oft aus großer Ferne an.


    Da gibt es auch die Szene, als der Erzähler mit seiner Frau Julia auf der Straße Alice trifft und die Frauen sich zu der Überraschung des Protagonisten grüßen.


    Dann berichtet er, wie er Alice traf. Er und seine Frau haben eine Agentur für bildende Künstler und geben Seminare, bei denen auch Alice zu den Teilnehmern zählte. Alice ist eine schöne, selbstbewusste Frau, von der er sich auf Anhieb angezogen fühlt- Aber auch Julia ist eine tolle Frau, die sich mit Kursteilnehmern auch schnell mal überwirft.


    Die Welt der Möchtegern-Künstler ist das Milieu, für das Botho Strauss durchaus Geringschätzung aufbringt


    Bald schon bindet Botho Strauss ungewöhnliches und geheimnisvolles in die Handlung ein. Der Protagonist entdeckt im Gewölbekeller des Hauses, in dem er sein Büro hat, einen gleißenden Fluss und eine junge Nackte. Ist sie vielleicht Alice?
    Dann wandelt sich das Gewölbe zu einem endlos hinabführenden U-Bahntunnel.
    Ein Zitat aus Lord Dunsays “Idle Days of the Yann” verweist auf die uralte Stadt Astahan, tief unter der Erde angesiedelt und vielleicht Quelle für Botho Strauss´ Imaginationen.


    Zwischendurch gibt es auch diverse Anspielungen, z.B. ein Abschnitt entspricht Jesus Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen aus dem Matthäusevangelium.


    An diesem Roman gefällt mir, dass Botho Strauss sich den politischen wie den kulturkritischen Aspekten ausnahmsweise einmal größtenteils enthält.


    Fazit: Ein gediegener Roman, zwischen Realität und Phantasie verschwimmend, voll sprachlichen Einfallsreichtum.