Der Golem - Gustav Meyrink

  • Erstmals erschienen: 1915 (in Leipzig)
    Verlag: Anaconda
    Seitenanzahl: 254


    Rückentext
    Gustav Meyrinks Kultklassiker und Erfolgsbuch "Der Golem" entstand in unmittelbarem Anschluss an seine Vorbilder E.T.A. Hoffmann und Edgar Allan Poe. Im Zentrum steht die alte Prager Legende vom Rabbi Löw und seiner Erschaffung eines künstlichen Menschen, den er aus Lehm zu Leben erweckt. Im Halbschlaf träumt der Erzähler, er würde im Gassengewirr des jüdischen Viertels dem Golem begegnen. Die Stimmung ist düster-dämonisch: Es herrscht eine gespannte Atmosphäre von Liebe, Leidenschaft, Angst und Verbrechen. Wieder erwacht, verfolgen ihn Spuren des Ich, von dem er geträumt hat. Immer stärker ergreift die phantastische Welt des Traums von seinem Alltag Besitz ...


    Autor
    Leider keine Information im Buch, deshalb der Link zu wikipedia: Gustav Meyrink


    Meine Meinung
    Hattet ihr nach dem Lesen der letzten Seite eines Buches schon mal das Gefühl gar nicht genau zu wissen wovon das Buch nun eigentlich handelte? So ging es mir mit diesem Werk. Aber fangen wir beim Anfang an...


    Zuerst einmal ging ich mit völlig falschen Erwartungen an dieses Buch heran. Ich glaubte hier die Geschichte vom Rabbi Löw und seinem Golem zu lesen, also wie ersterer zweiteren erschuf und schließlich wieder vernichtete. Dem ist allerdings nicht so. Ich zitiere aus wikipedia, da mir die Beschreibung sehr treffend erscheint:
    "Es handelt sich bei dem Roman nicht um eine Adaption der jüdischen Golem-Sage im engeren Sinn, sondern um ein impressionistisches Traumbild vor dem Hintergrund der Sage, die beim Leser letztlich als bekannt vorausgesetzt wird. Die Titelfigur taucht im Roman selber gar nicht auf; inwieweit der Ich-Erzähler selbst phasenweise die Gestalt des Golem annimmt, bleibt offen." (in dem Buch bleibt überhaupt allgemein sehr viel offen)


    Erst nachdem ich mir darüber langsam klar wurde, konnte ich anfangen meine Gedanken bezüglich der Geschichte neu zu sortieren. Es beginnt mit einem Mann, der im Halbschlaf liegt und dort die seltsamsten Gedanken hat und merkwürdige Bilder sieht. So fährt er in diesem Dämmerzustand scheinbar in den Körper des Gemmenschneiders und antiquaristischen Reparateurs Athanasius Pernath der im prager Judenghetto lebt (vermutlich um 1890 herum). Dieser Meister Pernath hat eine merkwürdige Begegnung mit einem Mann der ihm das Buch "Ibbur" zur Ausbesserung gibt.


    Als er in dem Buch blättert, wird Pernath von seltsamen Visionen befallen die offenbar länger andauern, denn als er wieder daraus erwacht ist der Fremde verschwunden und Pernath kann sich nicht einmal mehr erinnern wie er aussah und ob er ihm etwas gesagt hatte. In späteren Gesprächen mit anderen Ghetto-Bewohnern glaubt er jedoch in dem Fremden den sagenhaften Golem wiederzuerkennen, der angeblich alle 33 Jahre im Ghetto auftaucht und einer Reihe grausamer Morde oder Unfällen vorausgeht.


    Zeitgleich gibt es auch noch den jungen Medizinstudenten Charousek, der Pernath erzählt, er hätte den Selbstmord eines berühmten Augenarztes herbeigeführt, da dieser der Sohn des von ihm über alle Maßen verhassten Trödlers Aaron Wassertrum ist und selbst ein grausamer Mann war. Erst hält Pernath das für einen seltsamen Wahnsinn doch nach und nach stellt sich heraus, dass alles stimmt was Charousek ihm erzählt. Mit in dieser Geschichte stecken der Dr. Savioli, den Charousek als Strohmann vorschob, und die adlige Angelina, die ein Verhältnis mit Savioli hat, aber offenbar auch in Pernaths Vergangenheit eine wichtige Rolle spielt.


    Immer und immer wieder wird Pernath von Visionen, seltsamen Gedanken und plötzlichen Angstzuständen gequält für die es nach einiger Zeit zumindest eine halbwegs vernünftige Erklärung gibt. Im vorgetäuschten Schlaf erfährt Pernath von ein paar Bekannten, dass er ein "Irrer" ist, den man durch Hypnose gnädigerweise aller Erinnerung beraubt hätte damit er wieder normal leben kann. Bildet er sich diese Dinge also nur ein? Hin und wieder fallen ihm bruchstückhaft immer mehr Erinnerungsfetzen ein. Nur, ist das gut für ihn oder nicht? Der Schriftgelehrte und Archivar Schemajah Hillel ist der Einzige, der ihn zu verstehen scheint (offenbar kann er sogar Pernaths Gedanken lesen???) und ihm als Ratgeber zur Seite steht.


    Als sich die Umstände zuspitzen und Angelina Pernath um Hilfe gegen den erpresserischen Wassertrum bittet, sieht der Gemmenschneider eine Chance, seinem Leben einen Sinn zu geben, denn es zieht ihn, offenbar noch aus seiner Vergangenheit heraus, zu Angelina hin. Auf der anderen Seite aber spürt er in sich auch zärtliche Gefühle für Hillels Tochter Mirjam die unabänderlich auf Wunder hofft. Durch die Hilfe an Angelina zieht Pernath sich den Zorn Wassertrums zu, und weit reicht der Arm des vermeintlichen Trödlers, der in Wirklichkeit ein Millionär ist...


    Kurz und gut: Es geht an manchen Stellen sehr wirr zu in diesem Roman. Man kann das rechtfertigen indem man sagt, es ist ein Traum von einem Mann der seinerseits selbst wieder wahnsinnige Traumbilder sieht. Aber das macht es dem Leser nicht einfacher. Unzählige Fragen werden aufgeworfen auf die es nie eine Antwort gibt. Pernaths vergessene Vergangenheit kommt an einigen wenigen Stellen bruchstückhaft zum Vorschein, doch woran genau er sich erinnert und wie das alles zusammenhängt erfährt man ebenfalls nicht.
    Wie diese Dinge ganz zum Schluss mit dem Träumer, der erfährt, dass es den Herrn Pernath vor etwa 33 Jahren wirklich im Judenviertel gab, zusammenhängen, ist mehr als verwunderlich. Dieser Teil umfasst im Übrigen nur 10 Seiten und nicht, wie der Rückentext einem vielleicht suggeriert, einen größeren Teil des Buches. Ich saß zum Schluß einfach nur da und dachte: ?(


    An vielen Stellen hatte ich auch das Gefühl, dass die Kenntnis gewisser Dinge (z.B. der Kaballa, jüdische Geschichte, was eigentlich das Buch Ibbur ist) mir vielleicht ein wenig Aufschluss hätte geben können da, natürlich auch bedingt durch den Traumcharakter der Geschichte, vieles nur symbolisch dargestellt ist, mir der Schlüssel zur Deutung dieser Symbolik aber einfach fehlt.


    Das Buch bekommt von mir eine neutrale Wertung, weil ich einfach glaube, dass ich nicht wirklich entschlüsseln kann, was es mir sagen will. Vielleicht kommt ja jemand anderes besser damit klar, aber meinem Verständnis entzieht es sich größtenteils. Es ist wirklich nichts zum nebenbei lesen. Das zeigt sich schon daran, dass ich für ein so dünnes Buch glatt eine Woche gebraucht hab.


    Edit: Doch noch ein paar Rechtschreibfehler übersehen. ^^;

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

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  • Ja, im Großen und Ganzen beschreibst Du genau die Eindrücke, die ich auch von diesem Buch hatte. Zwar war ich noch sehr jung, als ich es gelesen hatte, es ist also schon ganz schön lange her. Aber auch wenn ich die Handlung (falls es eine gibt) nur noch bruchstückhaft in Erinnerung habe, erinnere ich mich sehr genau an die Ratlosigkeit, mit der mich dieses Buch zurückgelassen hat.
    Vielleicht sollte ich es ja doch noch mal vorkramen, vielleicht wird's beim zweiten Mal besser. Wahrscheinlich hatte ich einfach nur einen Schauerroman erwartet.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Der Golem war eines der wichtigsten Bücher meiner (lange zurückliegenden) Jugend; ich habe es im Alter zwischen 17 und 20 ich weiß nicht wie oft gelesen und schleppte es zeitweise ständig mit mir herum.


    Dass so viele lose Fäden hängen bleiben, störte mich nicht. Im Gegenteil, es regte mich nur an, immer wieder nach Verbindungen zu suchen. (In der Taschenbuchausgabe, die ich damals hatte, hieß es zum Beispiel, dass das Experiment mit dem Journalisten, der sich an einem Seil herablässt, um ein Fenster zu gucken, tatsächlich gegeben hat. Es war kein Geringerer als Egon Erwin Kisch. Der Vorgang ist sicher in einer seiner Reportagen dokumentiert, aber ich konnte nichts Näheres herausfinden; auch nicht, um welches Haus es sich gehandelt hat.)


    Kürzlich, nach einem Zeitabstand von 30 Jahren, habe ich das Buch noch einmal gelesen.


    Zwei Dinge haben mich überrascht. Zum einen die unsäglich klischeehafte Darstellung der Frauen, die mir damals nicht aufgefallen ist. Jede der handelnden Frauen - Miriam, die Gräfin, Rosina - scheint keine Persönlichkeit, sondern nur die Folie eines bestimmten Frauentyps zu sein.
    Zweitens war ich unsäglich angegruselt von dem Besucher mit den Körnern auf der Handfläche. Komisch, dass mir das erst jetzt aufgefallen ist; im allgemeinen war ich mit 20 viel ängstlicher als heute - aber diese Szene hat mich beim Wiederlesen einfach geplättet.
    Das Tückische bei Meyrink ist, man weiß nie, was er ernst meint und was ironisch. Die Geschichten aus "Des deutschen Spießers Wunderhorn" sind Lehrbeispiele für diese Ambivalenz.


    Lesegruß
    Zefira

  • @Zafira
    Meine Hochachtung :anbet, mir fehlt da einfach zuviel Hintergrundwissen. Allein die Visionen mit dem Hermaphroditen und wasweissich, das verweist zwar später auf den Osiriskult, aber was der dann da wieder zu suchen hat ist mir auch schleierhaft. Vielleicht ein Symbol für die Unsterblichkeit? :unverstanden Aber ich muss gestehen, das Buch hat mich jetzt nicht so gepackt, dass ich mich unbedingt näher mit den ganzen Dingen beschäftigen möchte. Dafür gibts einfach noch zu viele andere Bücher in meinem SUB.

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