Maren Frank: Ein Einhorn ist entsprungen, Berlin 2007, trafo-Verlag, Edition Drachenflügel (Jugendbuch), ISBN 978-3896267504, 133 Seiten, Softcover, mit Vignetten und zahlreichen Illustrationen der Autorin in Farbe und in Schwarzweiß, Format: 17 x 15 x 1 cm,, EUR 14,80
Die Kunstreiterin Daria ist noch ein Kind, als sie ihre erwachsenen Zirkuskollegen zu einem Pferdehändler begleiten darf und dort in einer Box ein kleines, verwaistes Hengstfohlen entdeckt. Daria weiß sofort: Das ist ihr Pferd, mit dem sie zur umjubelten Königin der Manege werden wird. Sie bittet und bettelt, und schließlich erwirbt der Zirkus Ravalli nicht nur, wie geplant, eine Stute und einen Wallach, sondern das kleine Fohlen noch dazu.
Daria nennt den Kleinen Salico. Sie pflegt ihn, trainiert ihn und er entwickelt sich prächtig. Unter dem flaumigen goldenen Fohlenfell kommt alsbald ein leuchtendes Weiß zum Vorschein, was ungewöhnlich ist, wie Pferdefreunde wissen. Denn so jung sind Schimmel in der Regel noch gar nicht weiß. Das werden sie erst später.
Den Zirkusleuten macht eher der kleine Knubbel Sorgen, den Salico mitten auf der Stirn hat. Doch da den kleinen Hengst die Verwachsung nicht zu stören scheint, unternehmen sie auch nichts dagegen. Als Salico größer wird, entwickelt sich der Knubbel zu einem Hörnchen. Auch wenn das Zirkusvolk es nicht glauben will: Für Daria ist klar, dass ihr Reitpferd ein Einhorn ist. Mitsamt der einhorntypischen Eigenschaften: Durch Berührung mit seinem Horn kann Salico so manche Krankheit und Verletzung heilen. Und als er alt genug ist, verliebt er sich immer wieder aufs Neue in Jungfrauen und folgt ihnen. Genau damit geht der Ärger los, beziehungsweise, fängt das Abenteuer an:
Salico ist inzwischen seit knapp fünf Jahren beim Zirkus als er eines Abends im Publikum die weizenblonde Svenja sitzen sieht, „das schönste und bezauberndste Mädchen“, das er je gesehen hat. Sofort ist es um ihn geschehen. Er nimmt geistige Verbindung mit ihr auf, verlässt in der Nacht seinen Stall und folgt ihr. Dass er gelernt hat, den Riegel zu seiner Box mit dem Maul zu öffnen, macht seine Flucht geräuschlos und sie wird erst am folgenden Tag entdeckt. Da hat Svenja das Einhorn längst in ihrem Garten entdeckt, zur Reitschule gebracht und dort untergestellt.
Bis der Besitzer sich meldet, darf Salico bleiben, beschließt Reitlehrerin Sybille. Nachdem sie das vermeintlich angeklebte Horn nicht abnehmen kann, bleibt es eben dran, und Einhorn Salico wird zum Star des Sankt-Martin-Ritts. Bei dieser Veranstaltung entdeckt er auch die sommersprossige Leonore. Da ihn das Leben in der Reitschule ohnehin schon langweilt, reißt er dort wieder aus und quartiert sich auf dem Bauernhof ein, auf dem Leonore wohnt. Aber sprunghaft, wie junge Einhörner nun mal sind, ist er auch dort schon wieder weg, ehe die Zirkusleute, die ihn natürlich fieberhaft suchen, ihm auf die Spur kommen. Dieses Spiel wiederholt sich noch einige Male. Salico zieht von Mädchen zu Mädchen und von Abenteuer zu Abenteuer und ist den Leuten vom Zirkus immer einen Schritt voraus.
So landet er im Stall der rassigen Dressurreiterin Carmen und im Geräteschuppen der geschäftstüchtigen Barbara, die ihn kurzerhand als Kutschpferd für ihr kleines Transportunternehmen einspannt. Er zieht weiter zur schwer kranken Emily und landet danach bei Caroline und ihrem Bruder, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Als sich Salico Caroline zu Liebe bei einer Werbeveranstaltung als Schlittenpferd des Nikolaus einspannen lässt, begegnet er Samantha. Er folgt ihr, und sie integriert ihn spontan als Therapiepferd in ihren Reitstall. Nun trägt Salico mit viel Behutsamkeit und Einfühlungsvermögen Kinder mit Behinderung durch die Reithalle.
Unterdessen geht es im Zirkus drunter und drüber. Nicht nur, weil Kunstreiterin Daria um ihren Salico trauert und in jeder freien Minute nach ihm sucht, nein, es fehlt ganz allgemein der ausgleichende und befriedende Einfluss, den das Einhorn hatte. Menschen und Tiere werden unleidlich und aggressiv und Unfälle häufen sich.
Darias Suche nach Salico wird immer verzweifelter. Und nicht nur sie ist hinter dem Einhorn her. Werner Schardt, ein Mann mittleren Alters, den ein schwerer Unfall aus der Bahn geworfen hat, versucht seit Jahren, in den Besitz eines Einhorns zu kommen. In der Wahl seiner Mittel ist er nicht zimperlich. Er weiß um die heilenden Kräfte dieser Tiere und hofft nun, mit Salicos Hilfe von den Unfallfolgen, einer schweren Gehbehinderung, befreit zu werden. Wenn die Schmerzen weg sind und er wieder arbeiten kann, denkt er, wird alles gut werden.
Daria weiß: Wenn sie Salico nicht bald wieder findet, wird das kommende Weihnachtsfest das traurigste ihres Lebens. Und was wird wohl aus der Weihnachtsvorstellung des Zirkus Ravalli werden, wenn sein vierbeiniger Star fehlt?
Da hat Daria eine Idee, wie sie Salico doch noch finden kann. Wird ihr Vorhaben gelingen? Und vor allem: Wird sie schneller sein als Werner Schardt, der dem Einhorn schon dicht auf den Fersen ist ...?
Maren Franks Buch ist ein zauberhaftes modernes Märchen. Über diese phantasievolle und spannende Geschichte werden sich vor allem junge Pferdefreundinnen freuen. Das Büchlein ist liebevoll ausgestattet mit kleinen Einhorn-Vignetten sowie farbigen und schwarz-weißen Illustrationen. Die Abbildungen im Innenteil und die Zeichnung auf Buch-Cover stammen von der Autorin selbst, die sich auch als Buchillustratorin einen Namen gemacht hat.
EIN EINHORN IST ENTSPRUNGEN ist auch ideal zum Verschenken – nicht nur zur Weihnachtszeit.