(Original-Titel: The March of Folly. From Troy to Vietnam.)
Über das Buch
(meiner Ausgabe von 1992 entnommen)
Barbara Tuchman ist die meistgelesene Historikerin der Gegenwart genannt worden. Ihr großes Buch "Der ferne Spiegel" (Eulen-Rezi ) war in fast allen Ländern des Westens ein beispielloser Erfolg. "Die Torheit der Regierenden" schließt sich in einer Hinsicht dem "Fernen Spiegel" an: Barbara Tuchman sieht in Geschichtsschreibung dann einen Sinn, wenn man sie auf die Gegenwart bezieht. Das Kapitel über den Untergang Trojas verdankt seine Intensität der Tatsache, daß eine vergleichbare "Torheit der Regierenden" heute nicht nur eine Stadt, sondern wahrscheinlich alles Leben vernichten würde.
In diesem Buch untersucht Barbara Tuchman in dem ihr eigenen energischen und zupackenden Stil die vielleicht faszinierendste Paradoxie der Geschichte: die Verwirklichung einer Politik, die dem Eigeninteresse der Regierenden entgegensteht. Das Vorwort geht auf eine Reihe von historischen Beispielen ein - von der Zerstreuung der zehn Stämme Israels bis hin zu Japans Angriff auf Pearl Harbour.
Barbara Tuchman führt den Leser dann an vier entscheidende Schauplätze. Der erste ist der Trojanische Krieg. In seinem Verlauf findet sie den Prototypus der "Torheit der Regierenden". Gegen göttliche Omen und Beschwörungen aus den eigenen Reihen handelnd, ziehen die Trojaner das Pferd in ihre Mauern und verurteilen sich selbst zum Untergang. Das hölzerne Pferd ist das Symbol eines Wahns, der heute existenzgefährdend geworden ist. - Die sechs Jahrzehnte päpstlicher Torheiten stellt Barbara Tuchman dem Leser in ihrem zweiten Abschnitt vor Augen: Korruption, Amoral und Machthunger, die hochmütige Nichtachtung aller Proteste und Klagen, die zum Protestantismus und zu den Religionskriegen führten. - Im dritten Kapitel erzählt sie, wie Georg III. und seine Regierung die Beziehungen zu den Siedlern in den amerikanischen Kolonien zerstörten. Die Verblendung der englischen Krone und ihrer Berater machte aus Untertanen Rebellen und besiegelte den Verlust eines Kontinents.
Und schließlich analysiert Barbara Tuchman Amerikas Verwicklung in Vietnam - von Franklin Roosevelts zögernder Unterstützung des französischen Kolonialismus in Indochina über die unsinnige Domino-Theorie bis zu Lyndon B. Johnsons törichtem Bestehen auf einem militärischen Sieg und der kaum verhüllten Niederlage der USA.
Über die Autorin
(dito)
Barbara Tuchman wurde 1912 in New York geboren. Sie studierte am Radcliffe College, wurde dann Korrepsondentin der "Nation". Für zwei ihrer Werke wurde Barbara Tuchman mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet: 1963 für "August 1914" und 1972 für "Sand gegen den Wind". (...) Barbara Tuchman ist 1989 verstorben.
Meine Meinung
Erst bei Erstellen der Rezi hier habe ich gesehen, dass die Leser-Meinungen auf amazon.de sehr auseinander gehen. Ob Frau Tuchmans Buch tatsächlich Fehler und Ungenauigkeiten enthält, wie ein amazon-Rezensent bemängelte, vermag ich an vielen Stellen nicht zu beurteilen; was die Teile des Buches betrifft, über die ich Vorwissen besitze, ist mir zumindest beim einfachen Lesen nichts Derartiges aufgefallen.
Grundsätzlich finde ich Geschichte vor 1945 spannender als die danach, und so habe ich auch die ersten Teile (Vorwort, Troja, Amerikanische Unabhängigkeitsbewegung) mit mehr Spaß gelesen als den Teil über Vietnam.
Aber: gerade, weil das Eingreifen der USA im Irak so oft mit dem amerikanischen Scheitern in Vietnam verglichen wird, war dieser dennoch interessant zu lesen.
Sehr gut gefallen hat mir der Rote Faden des Buches, Tuchmans Ansatz der "Torheit der Regierenden", die aus Selbstüberschätzung, Ehrgeiz und Rechthaberei eine Politik verfolgen, die für das Wohlergehen ihrer Nation kontraproduktiv ist oder gar zum Verhängnis wird. Erschreckend allerdings, wie viel davon bis heute so gehandhabt wird. Und vor diesem Hintergrund fand ich doch sehr viele Parallelen zwischen Vietnam damals und Irak heute.
Sätze wie
(...) und in den Tod und Zerstörung bringenden amerikanischen Luftgriffen schwand die letzte Chance zu einem Rückzug ohne Schande für immer dahin. (S. 397)
oder
Welche Nation ist denn je von außen aufgebaut worden?
klingen für mich wie düstere Prophezeiungen für das, was wir derzeit immer wieder in den Nachrichten über den Irak lesen oder hören.
So ganz verstehe ich Ursachen und Hintergründe des Vietnam-Kriegs noch immer nicht; dazu waren mir Tuchmans Ausführungen doch etwas zu kurz. Aber ich verstehe jetzt detaillierter, warum dieser Vergleich Vietnam-Irak so oft bemüht wird - es ist nämlich eine Menge dran!
Insgesamt keine leichte Lektüre, die einen wohl auch mit einer Reihe von neuen Fragen zurücklässt. Aber für mich auf jeden Fall ein empfehlenswertes Buch, das gerade heute von besonderer Aktualität ist.