Fragen an Tom Liehr

  • Zitat

    Original von beowulf


    Haben wir, geprüft und für sehr gut gefunden.


    :write Genau so!


    Aber ich hätte auch kein Problem damit gehabt, Tom zu sagen, wenn ich das Buch "als Müll" empfunden hätte. Und ich glaube, Tom wäre auch nicht eingeschnappt gewesen :grin

    Liebe Grüße,
    Ninnie



    Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.
    Sir Winston Churchill 1874-1965

  • Zitat

    Original von ninnie
    Aber ich hätte auch kein Problem damit gehabt, Tom zu sagen, wenn ich das Buch "als Müll" empfunden hätte. Und ich glaube, Tom wäre auch nicht eingeschnappt gewesen :grin


    Doch. Wäre er. :grin

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • mir sind doch noch fragen eingefallen...


    machst du das eigentlich absichtlich, dass du nichts autobiografisches in deine romane einfließen lässt?


    vermutlich sind auch ohne biografisches alle protagonisten trotzdem etwas vom autor beeinflusst, im extremfall doch sogar ein serienkiller. oder ist gerade das eine der handwerkskünste - sich einerseits einer figur sehr weit anzunähern, um sie glaubwürdig erscheinen zu lassen und trotzdem den abstand zu haben, nicht mit ihnen zu leiden?
    "beschäftigen" dich "deine" figuren eigentlich hinterher noch?
    wenn ja, wie lange?
    und gibt es da einen unterschied zu den beiden ersten büchern und diesem hier?


    ich finde deine ausführungen zu deiner arbeit sehr interessant (und habe auch vor einer weile auf deiner site einiges erbauliches dazu gefunden). allerdings lassen sie die vage idee, selbst einmal etwas ernstzunehmendes zu papier zu bringen, immer mehr dahinschmelzen.
    was höchstwahrscheinlich, um dem naivling die enttäuschung zu ersparen, deine absicht war...
    :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

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  • Hallo, drehbuch.


    Zitat

    machst du das eigentlich absichtlich, dass du nichts autobiografisches in deine romane einfließen lässt?


    Habe ich das irgendwo behauptet? :grin Die Romane sind nicht autobiografisch, also sie erzählen nicht meine Lebensgeschichte. Das heißt aber nicht, daß sie keine autobiografischen Elemente enthalten. Ich habe mal mit Selim Özdogan eine Lesung gemacht, und der wurde im Anschluß von jemandem gefragt (das passiert Leuten, die "Pop-Literatur" im weitesten Sinne schreiben, andauernd), ob das autobiografisch sei. Er zog die Stirn in Falten und sagte sinngemäß: "Klar. Das geht doch auch überhaupt nicht anders." Damit ist gemeint, daß man natürlich eigene Erfahrungen und Erlebnisse einfließen läßt, schließlich ist das der Fundus, aus dem man schöpft, aber das heißt ja nicht notwendigerweise, daß man seine eigene Geschichte erzählt. Das nämlich wäre autobiografisch. Viele Versatzstücke in meinen Büchern habe ich selbst erlebt, in ähnlicher Form erlebt oder erzählt bekommen (beileibe nicht alles, nicht einmal zum größten Teil, aber durchaus vieles). So liegt der Käfersache aus "Radio Nights" ziemlich direkt eine wahre Begebenheit zugrunde. Aber es kommt darauf an, wie man das benutzt. Der Rest der Geschichte von Donald Kunze hat mit meiner eigenen nichts zu tun. Aber dieses Ereignis hat gepaßt.


    Zitat

    vermutlich sind auch ohne biografisches alle protagonisten trotzdem etwas vom autor beeinflusst, im extremfall doch sogar ein serienkiller. oder ist gerade das eine der handwerkskünste - sich einerseits einer figur sehr weit anzunähern, um sie glaubwürdig erscheinen zu lassen und trotzdem den abstand zu haben, nicht mit ihnen zu leiden?


    Jeder Mensch trifft tausende anderer Menschen, man schaut sie sich an, überlegt, was in ihnen vorgehen könnte, sucht nach Schnittmengen und Reibungspunkten. Das macht man andauernd; vielleicht macht ein Autor das in intensiverer Form - möglich, sogar wahrscheinlich. Und jede Begegnung läßt etwas übrig, das dann später irgendwo verwendet wird. Wenn man Figuren konstruiert, greift man auf diese Erfahrungen zurück. Aber man versucht dennoch, etwas Neues zu schaffen, wobei Elemente dieser Komposition jene Erfahrungen nutzen. Mit dieser neuen Figur setzt man sich auseinander, redet mit ihr, versucht, sich in sie zu versetzen. Dadurch entsteht Nähe, Bekanntschaft. Im positiven wie im negativen Sinne. Man muß sich in gewisser Weise mit jeder Figur identifizieren (können), um sie glaubhaft schildern zu können.


    Zitat

    "beschäftigen" dich "deine" figuren eigentlich hinterher noch?
    wenn ja, wie lange?


    Wenn ein Buch fertig ist, endet das vorübergehend. Vorher waren einem die Figuren so nahe, daß man von ihnen geträumt hat - jedenfalls geht es mir so. Wenn das Buch dann in die Produktion geht, fällt man in ein Loch, was das anbetrifft, aber nicht im negativen Sinn - es ist plötzlich weg. Wenn man es dann in den Händen hält, die Lesungen vorbereitet und die ersten Rezensionen liest, geht es wieder von vorne los. Ich lese meine eigenen Bücher dann noch ein-, zweimal, häufig erstmals am Stück. Meine Figuren - Donald Kunze, Hagelmacher, Lindsey aus "Radio Nights", Henry Hinze, Gonzo, Walter, Harry und Andrea aus "Idiotentest" - wachsen mir auf diese Art ans Herz, dann verschwinden sie wieder ein bißchen, dann tauchen sie wieder auf. Und immer so weiter. "Radio Nights" ist jetzt viereinhalb Jahre alt. Die Erinnerung verblaßt ein wenig. Das wird bei "Idiotentest" anders sein, weil zumindest eine Figur (Harry) ein direktes Vorbild hatte - meinen vor einigen Jahren verstorbenen besten Freund.


    Zitat

    und gibt es da einen unterschied zu den beiden ersten büchern und diesem hier?


    Ja, definitiv. Diese Figuren - die in "Stellungswechsel" - habe ich mir nicht ausgedacht, sie nicht "gebaut", sondern ich habe sie quasi vorgefunden und kennenlernen müssen. Dazu habe ich in dem verlinkten Thread im Forum der 42er einiges gesagt. Ich mag Gy und Olli sehr gerne (und Lasse und Giselher und Frank eigentlich auch), aber auf andere Art. Das hat auch mit der visuellen Komponente und mit der Besetzung, also den Schauspielern, zu tun. Ich bin sicher, daß sich das im Nachgang auch anders entwickeln wird.


    Zitat

    allerdings lassen sie die vage idee, selbst einmal etwas ernstzunehmendes zu papier zu bringen, immer mehr dahinschmelzen.
    was höchstwahrscheinlich, um dem naivling die enttäuschung zu ersparen, deine absicht war...


    Meine Absicht war, aufzuzeigen, was ich selbst erlebt und gelernt habe, und wenn der Tenor oder die Botschaft darin besteht, daß es nicht so einfach ist, wie man sich das gemeinhin vorstellt, dann könnte das auch zur Konsequenz haben, daß man sich von Vorneherein mehr Mühe gibt, oder? ;-)

  • churchill + Büchersally: Na ja, wenn ein anonymer Rezensent schreibt, daß er ein Buch von mir scheiße findet, dann kann und muß ich damit leben. Man trifft nie den Geschmack von allen, und ich selbst finde ja auch Bücher total doof, die von vielen Menschen nachgerade geliebt werden. Aber wenn die Eulen, die man zum Teil auch noch persönlich kennt, schreiben würden, daß sie ein Buch von mir für totalen Müll halten, wäre das schon noch etwas schmerzlicher, weil die Hemmschwelle, mir etwas Derartiges zu sagen, doch höher ist, wie ich annehme. Aber ich kann mit jeder Art von Kritik leben. Man gewöhnt sich dran. Es ist ein Buch. Die Kritik ist nicht persönlich gemeint, jedenfalls nicht auf die Person bezogen. Hoffe ich wenigstens. ;-)

  • danke für die erneute ausführliche antwort. bin gerade in eile und möchte das gelesene später noch einmal in ruhe lesen und "sacken lassen".
    evtl. komme ich dann noch einmal daruf zurück...
    :wave


    nach edit:


    ich mache meine "drohung" wahr und komme zurück :grin
    zunächst zu deiner frage mit dem mühegeben als konsequenz:
    ja.
    aber :grin
    wie heißt es so schön?
    mühe allein genügt nicht.
    ich habe inzwischen sowohl den verlinkten text als auch deine site noch einmal gelesen. du versorgst schreibinteressierte mit informationen, die ihnen entweder eine "rosa brille" abnehmen ("meine verwandten finden meine geschichten so toll!") und/oder vor enttäuschungen (durch bestimmte verlagsparktiken) bewahren können.
    mir wird auch klar, wie viel fachliches können und fleißarbeit neben dem notwendigen glück erforderlich sind.
    das führt mich zwangsläufig zur nächsten frage (sofern sie nicht zu persönlich ist), obwohl mir bewusst ist, dass ihre beantwortung nicht kongruent auf andere menschen umgesetzt werden kann:
    wie wurdest du autor?
    ich nehme mal, an, dass du gern aufsätze in der schule geschrieben hast und vielleicht auch im familienkreis herangezogen wurdest, wenn es galt, zB eine passende lobrede zu onkel egons 60. zu verfassen.
    aber deshalb wacht man doch nicht eines morgens auf und sagt:
    ich schreibe ein buch!
    wie hast du dir deine kenntnisse erworben?
    :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

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  • Hallo Tom,


    erst mal vielen Dank für die Antwort,
    unter anderem auch für professionelen Umgang mit den Fragen. :-)
    Gelingt, leider, nicht allen.


    Zitat

    Du meinst, ich würde mich in meinen Büchern selbst bremsen
    oder irgendwie ausgebremst werden? Ist es das?


    Genau das meine ich. Und die Frage hast du auch beantwortet.


    Es könnte sein, dass mein Empfinden darauf ruht, dass ich,
    um ehrlich zu sein, annehme, dass die Fähigkeiten, eines Autor automatisch in seine Werke miteinfliessen.


    Zitat

    Die Leute sollen ja nicht etwas über mich erfahren, als Autor,
    sondern über die Menschen, von denen ich erzähle.


    Das hilft mir deine Sicht als Autor nachzuvollziehen,
    und auch deine Wahl der Romanfiguren
    besser zu verstehen.


    Eine Frage hätte ich aber noch:
    Hast du dir überlegt dich vielleicht an ein, wie soll ich sagen,
    ernsteres, bedeutenderes Thema zu wagen? :zuhoer

    Liebgruß

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • Guten Tag Tom!


    Ich bin hier eine neue Eule, eine Schweizereule und diese muss Dir gestehen, dass sie Dich und Deine Bücher noch gar nicht kennt. Jetzt bin ich bei der Leserunde dabei und dass im Dezember, im extremsten Monat in meinem Beruf. Nun, ich muss sagen, es ist herrlich! Etwas Witziges findet sich eben nicht so oft, Dankeschön! Natürlich will ich danach aber auch "ureigene" Liehrs lesen, kannst Du mir eine Empfehlung abgeben, mit welchem Deiner Bücher ich beginnen soll?
    Weisst Du, wo der Film in der Schweiz gespielt wird, bis jetzt fand ich ihn im Kanton Bern leider noch nicht und ich muss ihn sehen!!!
    Vielen Dank und einen lieben Gruss sendet Dir


    lesefieber

  • Hallo Tom!


    Ich habe "Stellungswechsel" nun auch auf meiner kleinen Page online. Es wäre gigantisch, wenn Du dort eine Antwort oder einen Gruss darunter setzen würdest, mit einem Link zu Deinen Büchern!


    Vielen Dank!



    :wave lesefieber

  • Hallo, Lesefieber.


    Das freut mich, danke! :wave Aber ich kann in Deinem Forum ohne vorherige Anmeldung nichts posten, und außerdem finde ich das ein bißchen ... aufdringlich, um ehrlich zu sein (aus meiner Sicht, nicht aus Deiner!). ;-)