'Das Mysterium' - Seiten 001 - 090

  • So, ich habe jetzt auch angefangen und versuche mal meine ersten Eindrücke darzustellen.


    Mir hat das Cover sehr gut gefallen und zwar gerade weil es nicht wie der typische Einband eines historischen Romans aussieht. Farbe, Prägung und Motiv finde ich sehr ansprechend. :-]


    Die farbige Karte gefällt mir -wie vielen anderen hier ja auch- sehr gut.


    Für mich ist es das erste Buch von Titus Müller und ich habe erst mal eine Weile gebraucht, um mich an den Schreibstil zu gewöhnen. Insbesondere die vielen kurzen, auf mich oft abgehackt wirkenden Sätze fand ich zunächst etwas gewöhnungsbedürftig.


    Die Geschichte selber hat mich aber schnell in ihren Bann gezogen, so dass mich der für mich ungewohnte Stil jetzt auch nicht mehr ablenkt.


    Der Zeitsprung am Anfang ist sehr interessant, ein Bruch, der neugierig macht aber zeitgleich auch ein wenig Bedauern aufkommen lässt, da hier (vielleicht?) das Ende der Geschichte vorweg genommen werden könnte.


    Faszinierend fand ich die erste Begegnung mit William Ockham, auch wenn ich gestehen muss, dass seine Bemerkung zu den "Reinen" für mich bisher sehr rätselhaft ist. Mit seiner Aussage: "Es sind Dualisten. Sie lehnen Aristoteles ab, folgen Platon, aber nicht in einer philosophischen, sondern in einer tödlichen Art." kann ich so erst mal nicht viel anfangen. Entweder fehlt es mir hier an historischen Kenntnissen oder es ist eine bewußt kryptische Aussage, die sich noch klären wird? :gruebel


    Auch die ketzerischen Äußerungen des Amiel von Ax zum Ende dieses Abschnitts werfen bei mir viele Fragen auf. Ist es Mut oder Dummheit, dass er auf dem Marktplatz solche Reden schwingt? Oder etwas ganz anders? Welchen Grund hat er dafür? :gruebel


    Nun ich denke ich werde mich einfach mal neugierig in den nächsten Abschnitt stürzen und schauen wie es weitergeht. :grin



    edit: den AMrktplatz rechtschreibtechnisch zum Marktplatz gemacht :grin

  • Aufgrund akuten Lesezeitmangels - der sich heute Nachmittag hoffentlich auflösen sollte - bin ich noch nicht sehr weit gekommen. Was ich bisher aber gelesen habe, hat mir gut gefallen. Mein Interesse an der Geschichte von Nemo und wie es soweit kommen konnte, dass er im Kerker landet ist jedenfalls bereits geweckt.


    Was mich am Anfang verwundert hat: Das Inquisitionsgericht verhandelt hier einerseits über die Ketzerei von Nemo, andererseits aber auch über Mord und es heißt dann "Der Angeklagte wird der mehrfachen Beihilfe zum Mord schuldig gesprochen" im weiteren dann noch wegen Hilfe zur Flucht eines Häretikers und wegen Häresie selbst.
    Wie konnte hier die Inquisition auch über die Beihilfe zum Mord urteilen, wäre dazu nicht die weltliche Gerichtsbarkeit zuständig?

  • Zitat

    Charlie
    SiCollier, kannst Du noch etwas naeher erklaeren, warum das Vierzehnte Jahrhundert Dir Einstiegsschwierigkeiten bereitet?


    Ganz einfach: ich habe den mentalen Sprung von (einem victorianischen) Faerie in das mittelalterliche Europa nicht hingekriegt.


    Und weiters erinnert mich das Buch irgendwie und entfernt an ein Buch, welches ich vor mindestens 25 Jahren gelesen habe, „Gottesferne“ von Walter Bloem. (Nein, das ist kein Vergleich, ich meine das rein auf die Handlung bzw. Handlungselemente bezogen.) Da gabs gegen Ende ein paar Sätze über die Methoden, mit denen man damals mit „Aufrührern“ umging. Nur ein paar Sätze, die mir bisweilen heute noch Albträume bereiten, weshalb ich das Buch nie wieder in die Hand genommen habe.


    Wenn ich mir die Posts hier durchlese, drängt sich mir allerdings die Frage auf, daß "Das Mysterium" für mich derzeit das „falsche Buch zur falschen Zeit“ ist. Ich mache später am Tage noch einen Versuch. Dann werde ich ja sehen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Oh, ja, das kann ich sehr gut verstehen.
    (Vor allem weil's mir gerade so schrecklich umgekehrt geht - ich stecke derartig fest in Jahrhundert Vierzehn, dass ich's ein Unding finde, in den Supermarkt zu gehen.)


    Ich hoffe, Du gibst Nemo und Ockham noch einmal zu einer anderen Zeit eine Chance, Dich zu erobern.
    Auch wenn Titus ja kein Autor ist, der ein Blatt vor den Mund nimmt oder zu Beschoenigungen nennt, habe ich bisher (bin fast durch) noch keine Stelle gefunden, die ich fuer "alptraumfoerdernd" hielt.
    Womit ich aber nicht sagen will, dass ich Dich nicht verstehe. Das vierzehnte Jahrhundert hat es ohne Zweifel in sich - meine Familie hat mir auch angedroht, mit mir nicht mehr zu essen, wenn die Tischgespraeche nicht demnaechst wieder appetitlicher wuerden.


    Alles Liebe von Charlie

  • So, ich bin gestern Abend noch mit dem Abschnitt fertig geworden.


    So leicht sich das erste Kapitel lesen läßt, so schwer tue ich mich mit Nemos Vergangenheit in 1336. Nemo ist in seiner Jugend ein unangenehmer Geselle, der durch Lügen versucht, Licht ins Dunkel seiner Eltern zu erhalten. Mit allen Mitteln, koste es was es wolle....
    Seine Art sich durchs Leben zu Lügen gefällt mir nicht.
    Da war mir der Kaufmann Neuhauser um einiges sympathischer.


    Zu mindest weiß ich jetzt schon mal, wer der Greis mit den grünen Augen ist ....
    Auch verstehe ich so langsam, warum Mathildes Mutter geflohen ist.
    Von den Zwillingen habe ich nichts mehr erfahren, vielleicht kommt da später mehr???
    Wie oben erwähnt tue ich mich gerade etwas schwer mit dem Lesen, es ist kein Roman den man mal eben schnell wegliest! manche Passagen muss ich 2 x lesen um den genauen Sinn zu verstehen, da er sich mir nicht gleich beim ersten Mal erschließt.


    Mal schauen, wie es noch so weiter geht ...

    to handle yourself, use your head, to handle others, use your heart
    SUB 15
    _______________________________________________________
    :kuh:lesend

  • Zitat

    Queedin
    Zu Beginn werde ich mit den Figuren nicht so recht warm - sowohl Mathilde als auch Nemo sind für mich doch noch sehr auf Distanz, mir fällt es schwer, sie einzuschätzen.


    :write Und ich ertappe mich bei dem Versuch, nicht mit den Figuren warm werden zu wollen. Ich habe das düstere, unterschwellige, Gefühl drohenden Unheils. Und da scheint mir eine gewisse Distanz schon als Selbstschutz sinnvoll zu sein.



    Zitat

    Beowulf
    Die Erzählung des Vaters an seine Tochter im Gefängnis, im Angesicht des Todes läuft mir zu glatt- die Personen sind nicht nachvollziehbar-


    :write Das ging mir an der Stelle genauso.



    Auf der einen Seite will ich wissen, wie es weiter (und vor allem aus) geht, auf der anderen Seite habe ich eine Art innere Blockade weiterzulesen. Ich empfinde das Buch bisher als sehr düster. (Doch „finsteres Mittelalter“? :gruebel )

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Jetzt bin ich endlich mit diesem Abschnitt fertig. Besonders gelungen finde ich bisher die Schilderung der Figuren. Die einzelnen Charaktere werden sehr gut aufgebaut und bekommen eine vielschichtige Gestalt. Vor allem die medizinische Notversorgung des Herrn Inquisitors war eine höchst gelungene Szene.


    Ansonsten beginnen sich langsam die Konturen der Geschichte herauszukristallisieren. Durch den Prolog und die bisher geschilderten Ereignisse aus dem Jahre 1356 bekommt man langsam eine Ahnung in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln könnte.

  • Bin jetzt auch mit dem ersten Teil durch. Mir gefällt die lebendige Schilderung. Es ist eines jener Bücher wo ich sage: "Ja, so könnten die Menschen damals wirklich gelebt haben."


    Keine romantische Verklärung der Zeit, die Schilderung wirkt realistisch. Sehr gut gelungen auch die Sprünge zu den verschiedenen Handlungsorten.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Den ersten Abschnitt habe ich durch, und sehr gemischte Gefühle.


    Mit dem Zeitsprung hatte ich keine Probleme; wenn es in einem Buch nicht dauernd alle paar Seiten springt, kann ein solcher Perspektivwechsel ganz reizvoll sein.


    Probleme bereitet es mir eher, daß ich so recht noch nicht weiß, worum es in dem Buch geht, bzw. worauf das alles hinauslaufen soll. Es werden eine ganze Reihe von Fäden begonnen, von denen ich (noch) nicht so recht weiß, wie sie zusammengehören. Aber das mag auch vom Autor beabsichtigt sein.


    Zu den Protagonisten, und zwar praktisch allen bisher aufgetauchten, habe ich ein recht distanziertes Verhältnis. Sie berühren mich nicht. Es ist, als ob ich einen interessanten Film betrachte, der mich emotional kalt läßt. Woran das liegt, weiß ich nicht. Ob das was mit der früher genannten Einstellung: „Und ich ertappe mich bei dem Versuch, nicht mit den Figuren warm werden zu wollen“ zu tun hat, ob es am Schreibstil liegt, ob es daran liegt, daß ich das Buch als sehr düster und bedrohlich empfinde? :gruebel


    Apropos Schreibstil: das Buch ist sehr flüssig lesbar und alles so treffend beschrieben, als ob man selbst dabei wäre, und die Geräusche hört, die Düfte (eher den Gestank) riecht, die Schmerzen mitfühlt. Also in dieser Hinsicht klasse! :anbet


    Aus den bisherigen Konstellationen kann ja eigentlich nur eine Katastrophe erwachsen. Nicht unbedingt mein „Beuteschema“.


    Was mich interessieren würde: die Beschreibung der Kleidung der Personen im Kaiserhof, liefen die damals wirklich so rum (soweit man das heute noch feststellen kann)? Gibt es denn Quellen dafür? Auf Gemälden werden sich die Vornehmen wohl im Sonntagsstaat haben abbilden lassen, aber sind sie damit auch an normalen Tagen rumgelaufen?


    Über die Katharer habe ich so ein sehr rudimentäres Wissen. Am Ende dieses Teiles jedoch, als so die Konsequenzen aus dieser Lehre klar wurden („In dir wächst ein Seelengefängnis heran. Ein Dämon. Du solltest ihn nicht zur Welt bringen.“) wurde es mir doch erst mal ganz anders. Wie konnte sich so eine Lehre nur so ausbreiten? :gruebel

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich kann mich nur anschließen und zwar in 2 Punkten:


    Die realistische Schilderung der Personen ist mir auch sofort positiv aufgefallen, sowas ist mir persönlich sehr wichtig und hilft auch über meine zugegebenermaßen relativ große Unkenntis über das 14. Jahrhundert hinweg, (das Buch von Tuchman SUBt bei mir auch noch, nach Charlies Empfehlung freue ich mich auf's Lesen :-)).


    Aber ich hatte trotzdem auch etwas Schwierigkeiten, ins Buch zu finden, und zwar vor allem bezogen auf die Handlung, nicht auf die Atmosphäre oder die Figuren - das wurde aber im Laufe der Zeit besser, als man immer mehr Mosaiksteinchen gesammelt hat :-)

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Was mich interessieren würde: die Beschreibung der Kleidung der Personen im Kaiserhof, liefen die damals wirklich so rum (soweit man das heute noch feststellen kann)? Gibt es denn Quellen dafür? Auf Gemälden werden sich die Vornehmen wohl im Sonntagsstaat haben abbilden lassen, aber sind sie damit auch an normalen Tagen rumgelaufen?


    Hallo SiCollier,


    es gibt Bereiche der Weltgeschichte, wo man nur herumraten muß. Die Kleidung gehört zum Glück nicht dazu. Wir wissen ziemlich genau, was die Leute so angezogen haben (auch im Alltag). Dafür gibt es verschiedene Quellen. Zum einen Testamente, in denen der Besitz bis zum letzten Nagel aufgezählt ist, dann Beschreibungen in Briefen, außerdem Gesetze, die einen bestimmten Kleidungsstil gewissen Personenkreisen vorbehalten. Es gibt Texte, die für uns heute amüsant sind, in denen sich die Zeitgenossen über die neuen Moden aufregen. Es gibt Zeichnungen, Teppiche, die Menschen zeigen, Unterlagen der Kaufleute. So "dunkel" und nebulös, wie wir uns das Mittelalter oft vorstellen - dunkel im Sinne von unbekannt - ist es gar nicht. :wave


    Herzlich,


    Titus

  • Hallo zusammen,


    auch ich hatte große Probleme in das Buch hereinzukommen. Das kannte ich von "Die Brillenmacherin" und "Die Totgeweihte" überhaupt nicht. Der Zeitsprung ist mir sehr schwer gefallen und bei mir wollte sich einfach kein Lesefluss einstellen. So habe ich das Buch erst einmal zur Seite gelegt, weil es mir einfach keinen Spaß machte. Ich habe dann einen leichten, kurzen Krimi dazwischen geschoben und heute morgen einen erneuten Versuch unternommen. Und was soll ich sagen. Jetzt gefällt es mir super! Der Lesesog ist da!

  • Dank Milla, die mir ihr Lesenrundenbuch überlasen hat, komme ich jetzt auch noch in den Genuß des Buches und hinke einfach mal dieser Leserunde hinterher.


    Die Erzählperspektive ist viel versprechend. Dadurch dass Nemo seiner Tochter die Vergangenheit von vor 20 Jahren im Kerker erzählt, wird ein guter Zusammenhang zwischen den beiden Zeitebenen aufgebaut. Die Situation wird zudem noch erschwert durch die Gefahr des belauscht werden durch die Wächter.
    Mathilde als zweifelnde Zuhörerin, die erst einmal enttäuscht über die andere Identität ihres Vaters ist, bietet eine gute Verbindung zum Leser.



    Diese interessante Erzählhaltung erinnert mich leicht an Michael Schneiders diesjährigen Roman „Das Geheimnis des Cagliostro“, in dem der ebenfalls gefangene Graf von einem Inquisitor verhört und so die Vergangenheit Cagliostros enthüllt wird.


    Mathilde ist für mich auch eine spannende Figur, da sie erst einmal mit der neuen Situation fertig werden muss. Ich bin gespannt, wie sie in den kommenden Teilen des Buches das Gehörte aufnehmen und verarbeiten wird.

  • Den Einstieg in die Geschichte habe ich schnell geschafft, auch wenn mich die Zeit es Mittelalter's und er Inquisition wieder schlimmes ahnen lässt.
    Mathilda ist eine für die damalige Zeit erstaunlich selbständige und gebildete junge Frau. Manche Dinge, die sie mit der Inhaftierung ihres Vaters organisieren muss, gehen ihr fast zu leicht von der Hand. Es scheint erstmal niemand zu geben, der die Situation ausnutzt. Es ist ihr sogar möglich den Vater im Kerker zu besuchen, nach Bestechung der Wachen versteht sich.
    Hier im Kerker erfährt sie die Geschichte ihres Vaters. Man könnte ihn in jungen Jahren fast einen "Wechselbalg" nennen, so schnell wechselt er die Identität und sein Aussehen.
    Seine Geheimnisse sind für mich noch genauso verworren, wie für Mathilda und ich kann ihre Enttäuschung über den Vater nachvollziehen. Mein Interesse an seiner Geschichte und wie Mathilda ihr Leben weiter meistern wird, macht mich ganz kribbelig.