Das geheime Spiel, Kate Morton, Originaltitel „The Shifting Fog“, Übersetz. v. Charlotte Breuer, Diana-Verlag, München, 2008, ISBN 978-3-453-29031-0
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Kate Morton wuchs in den Bergen im Südosten von Queensland, Australien auf. Sie hat Theaterwissenschaften und Englische Literatur studiert und promoviert zurzeit an der University of Queensland. Ihr Debütroman wurde in 13 Länder verkauft und eroberte mittlerweile ein Millionenpublikum. Weitere Romane der Autorin sind in Vorbereitung. Kate Morton lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Brisbane.
Meine Meinung:
Mit ihrem Debütroman „Das geheime Spiel“, der im australischen Original unter dem deutlich besser zur Handlung passenden Titel „The Shifting Fog“ und in England und Amerika unter dem Titel „The House at Riverton“ erschienen ist, führt uns die Literaturwissenschaftlerin Kate Morton nach England in die Zeit um den ersten Weltkrieg. Ihr Roman ist Familiensaga, Gesellschaftsroman, Romanze und Krimi zugleich und ist eine Hommage an Romane, die Elemente der Gruselliteratur einsetzen wie z. B. „Rebecca“ von Daphne du Maurier, „Der blinde Mörder“ von Margaret Atwood, „Die dreizehnte Geschichte“ von Diane Setterfield und viele mehr.
„Das geheime Spiel“ erzählt uns die Geschichte der adligen Geschwister Hannah und Emmeline Hartford aus Sicht ihrer ehemaligen Dienstbotin Grace Bradley. Grace kam kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach Riverton Manor und war schnell von den beiden Schwestern fasziniert. Eines Tages brachte der Bruder der beiden Schwestern den Dichter Lord Robert Hunter nach Riverton Manor – eine Bekanntschaft, die das Leben der beiden Schwestern, aber auch das Leben von Grace nachhaltig prägen sollte. Graces Bemühungen, Unheil von den beiden jungen Frauen fern zu halten, sind nicht von Erfolg gekrönt und so wurde Grace in eine Familiengeheimnis hineingezogen, das sie 75 Jahre bewahrt hat und dem sie sich erst im Alter von 98, als die Geschichte der Hartford-Schwestern verfilmt werden soll, stellt.
Die Erzählperspektive, die Kate Morton gewählt hat, bringt ihre Tücken mit sich. So ist es einerseits zwar recht schön, die Geschichte aus Sicht von Grace erzählt zu bekommen, in manchen Passagen aber auch reichlich unglaubwürdig. Auch wenn Dienstboten zur damaligen Zeit vieles vom Familienleben ihrer Herrschaft mitbekommen haben, waren sie zweifellos nicht bei intimen Diskussionen ihrer Herrschaft von Beginn bis Ende dabei, ganz zu Schweigen davon, dass es nicht Usus war, mit seiner Herrschaft einen intimen persönlichen Kontakt aufzubauen. Auch erscheint es seltsam, dass sich Grace nach einer Spanne von 75 Jahren noch wortwörtlich an die damaligen Dialoge erinnern kann. Schön ist, dass uns diese Erzählperspektive dem interessanten Charakter Grace näher bringt, obwohl die Autorin m. E. das Potential dieser Figur nur zum Teil ausschöpft. So ist es mir beispielsweise vollkommen unverständlich, dass Grace, als sie nach 2/3 des Buches ihre Verbindung mit dem Haus Riverton, die der Leser schon lange erahnt hat, entdeckt, kaum Reaktion zeigt und auch keine Konsequenzen zieht. Die Gespräche mit der Produzentin eines Films über die Hartford-Mädchen und einer der Schauspielerinnen tragen in keiner Weise zum Film oder zur Handlung des Buches bei und bringen uns die Charaktere der Hartfords nicht näher.
Das Ambiente des Vorkriegsenglands einzufangen, gelingt der Autorin recht gut. Auch die Geschichte selbst ist schön angelegt und wird von ihr langsam und in einer schönen Sprache vorangetrieben und enthüllt. Gelegentliche Längen hätten durch ein aufmerksames Lektorat sicher vermieden werden können. Wer viel liest und gerne Filme schaut, wird die in der bis zu den letzten Seiten aufgehobenen Enthüllung des Familiengeheimnisses enthaltene überraschende Wende nicht unbedingt sehr überraschend finden.
Die Anleihen, die Kate Morton bei „Das Haus am Eaton Place“ und „Der blinde Mörder“ genommen hat, sind überdeutlich. Wer „Das Haus am Eaton Place“ noch kennt, wird als Butler von Riverton Manor nie Mr. Hamilton sondern immer Mr. Hudson vor Augen haben und die Köchin Mrs. Townsend wird im Geiste wie Mrs. Bridges aussehen. Dies empfand ich jedoch nicht als störendes Kopieren, sondern eher als Reminiszenz. Die Anleihen an Bücher wie „Der blinde Mörder“ oder „Rebecca“ hingegen sind ein wenig kritischer zu betrachten, da sie den Leser, der diese Werke kennt, schnell kommende Ereignisse vorausahnen lassen.
Insgesamt sehe ich „Das geheime Spiel“ von Kate Morton, als schön angelegte geheimnisvolle Familiensaga mit Krimielementen mit einigen Schwächen, dennoch habe ich das Buch recht gerne gelesen und werde sicher nach einem weiteren Roman von Kate Morton Ausschau halten.